AlysonSelektive Wahrnehmung

 

                                    Selektive Wahrnehmung

 

 

Ihre Schuhe waren schon ganz durchgeweicht, als sie durch die unausweichlichen Pfützen im Asphalt eilte, während ihre Tasche bei jedem Schritt ihr unangenehm in die Seite schlug. Seit Tagen hatte es geregnet und die Blätter die der späte September von den Bäumen geweht hatte lagen alle durchweicht und matschig auf dem Bürgersteig und machten den Weg zur Rutschpartie. Das Glück war jedoch etwas auf Lisbeths Seite und der Regen hatte sich zu ein wenig Niesel abgeflaut, während sie noch im Einkaufsladen Wein und Pralinen für ihre Mutter gekauft hatte.

 

Sie warf schnell einen Blick auf die Armbanduhr und realisierte, dass sie jetzt Gas geben musste, wenn sie nicht zu spät zum wöchentlichen Abendessen bei ihrer Mutter sein wollte. Die Moralpredigt wollte sie sich nun wirklich nicht schon wieder anhören müssen und das grinsende Gesicht ihres Bruders konnte sie sich schon vorstellen. Dieses Grinsen wollte Lisbeth ihm schon immer gerne aus seinem Gesicht fegen. Schon seit er fünf war hatte er sie immer in Schwierigkeiten gebracht und sich dann hinter den Rücken der Eltern kaputt gelacht, obwohl er vor einer Sekunde noch in Tränen lag.

 

Nur noch um den nächsten Block und sie wäre beim Haus ihrer Mutter und, mit einem schnellen Blick auf die Armbanduhr, stellte sie sogar fest, dass sie es noch gerade auf die Minute schaffen könnte.

 

In diesem Moment schrillte der Klingelton ihres Handys aus der Tasche. Fahrig öffnete sie mit ihren kalten Fingern den Reißverschluss und verfluchte sich schon wieder die Handschuhe daheim liegen gelassen zu haben. Während sie nach dem Handy wühlte, fing sie bereits an eine Geschichte für ihre Mutter zu spinnen warum sie diese Woche wieder mal zu spät dran war. Auf der Arbeit im Städtischen Krankenhaus waren sie jeden Tag unterbesetzt, was bedeutet, dass es deswegen zum Alltag eines Assistenzarztes gehörte kommentarlos Überstunden zu arbeiten. Dieser Grund brachte bei ihrer Mutter jedoch kein Verständnis mit sich, da ihrer Meinung ,,Doch jeder das Recht hat nach getaner Arbeit nach Hause zu gehen, vor allem wenn es Freitags Abends zur Mutter geht!”. Wenn es also nach Lisbeths Mutter gehe, würde sie inmitten einer lebensrettenden Operation das Handtuch werfen und den zuständigen Kollegen erklären, dass sie gehen müsse, weil sie ansonsten zu spät zum Abendessen sei.

 

Triumphierend zog sie das besagte Handy aus der Tasche und wollte den Anruf annehmen, als ihr auffiel, dass es gar nicht mehr klingelt. Jedoch, aus dem Ungetümen ihrer Tasche immer noch dieser schrille Klingeln zu hören war. Verwirrt blickte sie auf das Handy in ihrer Hand und stellte fest, dies war nicht ihr eigenes. Zwar war es auch ein IPhone, aber nicht ihr etwas veraltetes Iphone 6, sondern ein Neueres.

 

Definitiv nicht ihr Handy. Das war sehr seltsam und sie fragte sich ob es vielleicht Jemand versehentlich in ihre Tasche hat fallen lassen. Es sollte jedoch gar kein Problem sein den Eigentümer des Handys zu finden, sie hoffte nur, dass besagte Person einen Notfall Kontakt eingespeichert hatte auf den man auch bei einem gesperrtem Handy schnell zugreifen konnte.

 

Während sie sich weiter auf den Weg zum Haus ihrer Eltern machte, klickte sie eilig auf den home butten und war freudig überrascht, dass es kein Passwort gab und es sich sofort ohne Probleme öffnete.

 

Diese Freude verflog jedoch schneller als gedacht.

 

Anstelle des erwarteten home screen, öffnete das IPhone die zuletzt genutzte App – das Foto Album.

 

Die Fotos verschlungen ihr den Atem, denn es waren nicht etwa die Selfies, Hundebilder und Memes einer fremden Person zu sehen. Nein, auf den Bildern war SIE SELBST.

 

Schweiß breitete sich auf ihrer Unterlippe aus, ihr Herz Klopfte viel zu schnell und in ihrem Hals bildete sich ein unangenehmer Kloß.

 

Sie blickte auf Selfies von ihr, in denen sie mit Schmollmund in die Kamera schaute und Fotos von denen sie nicht wusste, dass diese überhaupt existieren. In allen war unverkennbar ihr Gesicht zu sehen und in allen war sie unverkennbar NACKT.

 

Vor lauter Panik war sie stehen geblieben und je länger sie nun wie versteinert auf das Handy schaute, versuchte sie sich einzureden, dass das alles nicht wahr sein konnte! Erinnerungen flimmerten vor ihrem inneren Auge auf, welche sie schnell weg schüttelte und unwissend den Kopf gleich mit.

 

Panik breitete sich in Lisbeths Körper aus. Ihr Herzschlag ging viel zu schnell, ihr Atem kam in unregelmäßigen Stößen und vor den Augen flimmerten schwarze kleine Punkt auf.

 

Sie wusste, sie musste sich beruhigen, denn wenn dies nicht geschah konnte sie – so peinlich wie es auch klingen mag – in Ohnmacht fallen.

 

Tief einatmen – Ihre Brust hebte sich langsam und stetig.

 

Und ausatmen – Zittrig senkte sich ihre Brust wieder.

 

Wieder und wieder wiederholte sie die Atemübung, die sie normalerweise mit panischen Patienten zur Beruhigung tat.

 

Langsam bekam sie ihre Atmung wieder unter Kontrolle und konnte etwas klarer denken.

 

Wie schlaftrunken lief sie langsam auf die Parkbank auf der anderen Straßenseite zu und ließ sich auf diese fallen, als hätten ihre Beine unter ihr nachgegeben.

 

Sie wollte erst einmal ganz ruhig und logisch an die Sache gehen.

 

Lisbeth versuchte ihre Gedanken zu sortieren, aber das war so gut wie unmöglich. Während der Mantel langsam an den Oberschenkeln und am Gesäß durchweichte, schwirrten ihr zu viele Fragen durch den Kopf, auf die es keine Antwort gab.

 

Woher kam dieses Handy? Wem gehört es? Und vor allem, warum sind darauf Fotos von ihr? NACKTFOTOS?! Wie kam diese Person überhaupt an diese Nacktfotos?

 

Sie schloss ihre Augen und legte den Kopf in den Nacken. Kleine Regentropfen fielen von den Blättern eines Baumes ein paar Schritte von der Bank in ihr Gesicht. Die Tropfen waren angenehm kühl auf ihren glühendem Wangen.

 

Doch nun stellte ich Lisbeth sich eine weitere Frage: Was sollte sie jetzt tun?

 

Einfach zu ihrer Mutter gehen und so tun, als sei nichts passiert?

 

Das Handy einfach in den nächstbesten Fluss werfen oder lieber die Polizei informieren? Das ist alles doch absoluter Schwachsinn.

 

Nichts an dieser Situation fühlte sich Real an, alles war wie in einem Traum, einem absoluten Albtraum!

 

Ein Piepen riss sie aus den Gedanken. Reflexartig schaute sie auf das Handy in ihrer Hand, stellte jedoch fest dass es nicht das Richtige war und wühlte nach dem Anderen.

 

Die Nachricht von ihrem Bruder >>Wo bleibst du? Mama stresst schon wieder<< erschien auf dem Bildschirm. Sie tippte ihm schnell eine SMS, dass ein Notfall eingetroffen sei und sie es heute leider nicht mehr schaffen würde.

 

Es war, als würde die Welt auf einmal stillstehen. Nichts erschien ihr mehr wichtig und das Rascheln der Bäume brachte eine angenehme Ruhe über sie.

 

Sie atmete noch einmal tief ein und öffnete mutig erneut das fremde Handy.

 

Die Fotos schockten sie zwar noch immer, diesmal war sie jedoch gefasst gewesen. Sie durchsuchte den Speicher nach weiteren Hinweisen, aber nichts war zu finden. Wie neu gekauft, oder einfach alles komplett gelöscht, alleine das Fotoalbum hatte Daten.

 

Als sie sich die Bilder dieses mal genauer anschaute, und jedes individuell untersuchte lief ihr ein weiterer Schauer über den Rücken. Dies waren nicht einfach nur wahllose Nacktfotos von ihr die sie zugeschickt bekommen hatte. Nein, dies waren ganz spezielle Fotos von EINEM Mann – Michael Jürgens. Man konnte ihn in manchen sogar erkennen, oder zumindest wusste sie, dass es sein Penis war den sie im Mund hatte. Sie erkannte den blümchen Teppich in seinem Haus, den sie immer als geschmacklos und kitschig empfunden hatte.

 

Der Teppich brachte schrecken erregende Erinnerungen mit sich. Ereignisse die sie nie vergessen würde und die Schlimmste Tat ihres Lebens, die sie niemals ungeschehen machen konnte.

 

Der siebenundzwanzigste Februar war der schrecklichste Tag ihres Lebens und würde es auch immer bleiben.

 

Der siebenundzwanzigste Februar war ein kalter Tag, an dem es geschneit hatte und die Straßen glatt gefroren waren.

 

Der siebenundzwanzigste Februar war der Tag, den sie nie vergessen würde.

 

Der siebenundzwanzigste Februar war der Tag an dem sie Michael Jürgens umgebracht hatte.

 

 

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Fast zehn Jahre war es her, dass mein Ehemann Michael Jürgens ermordet wurde.

 

Zehn Jahre lang war seine Mörderin immer noch auf freiem Fuß.

 

Mein Leben hatte sich nach dem Tod meines Mannes von Grund auf verändert. Alles stand auf einmal Kopf. Anstelle der benötigten Unterstützung von Freunden und Kollegen von Michael und mir, bekam ich nur kalte Schultern. Sie alle wanden sich auf einmal von mir ab, für etwas was nicht seine Schuld war! Diese Schlampe hatte ihn mit Absicht verführt, hatte ihn sogar dazu gebracht unaussprechliche Dinge in UNSEREM Schlafzimmer zu vollziehen. Oh sie war gut, einen unschuldigen verheirateten Mann zu verführen, Versprechungen zu machen, um ihn dann im eignen Hause, wo er sich am sichersten fühlte, umzubringen und sich alles was nicht niet und nagelfest ist unter die Krallen zu reißen.

 

Als wäre es nicht schon schlimm genug, dass Freunde, Nachbarn und Kollegen über Michaels Untreue tuschelten und deswegen nichts mehr mit mir zu tun haben wollten – obwohl er ja das Opfer war! Schließlich wurde er umgebracht und freiwillig betrogen hätte er mich erst recht nicht! Nicht die verheirateten Männer waren schuldig, sondern die jungen Prostituierten, die sich auf diese Ehemänner wie wilde Tiere stürzten.

 

Schlimmer geht immer und so kam es auch. Wie sich nach seinem Tode herausstellte war kein Geld mehr da.

 

Als mir unser Anwalt sein Testament präsentierte und wir durch die Finanzen, Kontos und Investierungen schauten stellte sich heraus, dass die meisten Firmen in die er investiert hatte pleite gegangen waren und seine Aktien deswegen wertlos. Das war der erste Schlag, Michael hatte nämlich das meiste unserer Ersparnisse in Aktien investiert die, laut ihm >>Komplett sicher und wasserdicht ist das, Christa! Wirst sehen, in ein, zwei Jahren wird sich das auszahlen!<<.

 

Ausgezahlt hatte sich jedoch nichts nach zwanzig Jahren, und wie sich herausstellte waren unsere restlichen Ersparnisse ebenfalls nicht mehr da. Mein Finanzberater zeigte mir, dass der Großteil des Geldes auf ein anderes Konto überwiesen wurde, immer in kleineren Beträgen und mehr oder weniger regelmäßig.

 

Nach einigen Nachforschungen stellte sich heraus, dass dieses Konto, das nun den Großteil meines Geldes besaß, niemand anderes war als Lisbeth K.

 

Lisbeth K., die Mörderin meines Ehemannes Michael J.

 

Am Ende hatte sie also all das bekommen, was eigentlich Michael und mir gehörte. Sie hatte mir einfach alles genommen. Einfach alles.

 

Die Polizei wusste ihren Namen, ihre Adresse, jedes kleinste Detail und doch war sie immer noch auf freiem Fuß, weil wie die Polizei mir später berichtete, man könne ihr nichts vorwerfen.

 

NICHTS VORWERFEN?!?

 

Wie konnte man ihr nichts vorwerfen?! Schließlich hatte sie ihn umgebracht! Getötet! Ermordet!

 

Vor fast zehn Jahren war ich nichtsahnend nach einem Abendessen mit Freunden im Restaurant nach Hause gekommen. Die Szene die ich daheim erblickte werde ich nie vergessen. Polizeiwagen und ein Rettungsdienst waren in meiner Straße geparkt und zu meinem Horror schienen sie in meinem Haus zu sein. Die Haustüre stand sperrangelweit offen und Nachbarn standen vor den Häusern versammelt, um zu sehen was los war. Polizeibeamte redeten mit einigen Nachbarn und gerade als ich einen Polizeibeamten fragen wollte was zur Hölle in meinem Haus passiert war, trat der Rettungsdienst aus dem Haus mit einer Krankentrage auf der ein Leichensack lag.

 

Das musste der Moment gewesen sein in welchem ich wohl bewusstlos geworden war, denn das nächste an das ich mich erinnere ist, dass ich in meinem Wohnzimmer auf dem Sofa lag und ein netter Sanitäter auf mich einredete, während ein Anderer meine Füße hoch hielt.

 

Dann kamen die Polizeibeamten, um mir mitzuteilen wie Michael umgebracht wurde und mein Schlafzimmer vorübergehend ein abgesperrter Tatort sein wird.

 

Seit diesem Moment schien mein Leben nur noch Bergab zugehen. Als hätte mir das Schicksal eins auswischen wollen. Ich verlor einfach den Boden unter den Füßen und fiel in ein schwarzes Loch. Diese Gefühle kann man kaum beschreiben. Nur die Menschen die selbst einmal in dieser Dunkelheit gewandert haben, konnten den Schmerz nachvollziehen.

 

Fünfzig Jahre lang war mein Leben perfekt gewesen und dann war es das gewesen. Einfach so. Wegen Michaels schlechtem Aktieninvestments und hohen Geldausgaben, musste ich unser schönes Haus verkaufen und wohnte nun in einer kleinen ein-Zimmer-Wohnung in einem weniger angenehmen Viertel. Michaels Lebensversicherung zahlte mir nach seinem Tod zwar ein nettes Sümmchen, jedoch musste ich damit den Großteil unserer Schulden für unser Haus abbezahlen.

 

Monate lang hatte ich verzweifelt nach einer Arbeit gesucht, und obwohl ich einen Universitätsabschluss in Kunstwissenschaften hatte, war es schwierig einen Beruf zu finden und wie sich herausstellte unmöglich einen Job in meinem Fachbereich. Da ich seit meinem sechsundzwanzigsten Lebensjahr nicht mehr gearbeitet hatte fehlte es mir einfach an praktischer Erfahrung. Arbeiten musste ich nicht mehr seitdem, da Michael in seiner Anwaltskanzlei die Karriereleiter immer weiter aufstieg und am Ende sogar ein Partner seiner Firma war. Da war mein Einkommen einfach kein Vergleich und brachte nicht viel ein im Vergleich zu seinem Gehalt. Nur zufällig bekam ich einen Sekretärinnen Job im Städtischen Krankenhaus.

 

Und so kam es, dass ich Jahre später Lisbeth K. auf der Arbeit über den Weg lief. Als Medizinstudentin kam Lisbeth ins Städtische Krankenhaus, um ihr Praktisches Jahr zu absolvieren und nach diesem Jahr kam sie als Assistenzarzt wieder.

 

Wer hätte gedacht, dass eine Mörderin erlaubt war Ärztin zu sein. Es schmerzte mich jedes mal, wenn ich ihr im Gang über den Weg lief. Jedes mal wenn ich ihr lächelndes Gesicht erblickte, sah ich wieder den Leichensack meines Mannes und mir wurde ganz schlecht. Immer schossen mir Tränen in die Augen und ich musste meinen Blick abwenden und schnell an ihr vorbei eilen.

 

War es denn nicht schlimm genug, dass ich jeden Tag damit leben musste alles verloren zu haben? Nein, jetzt musste ich auch noch immer damit rechnen dieser Mörderin über den Weg zu laufen. Auf der Arbeit graute es mich jeden Tag sie zu sehen. Natürlich hatte ich versucht mir eine neue Arbeitsstelle zu suchen, jedoch war das nicht einfacher geworden seit meiner letzten Suche. Ich wurde nicht jünger und Sekretärinnen wurden nicht an jeder Straßenecke gesucht.

 

Wieder und wieder liefen wir uns über den Weg, und nach einiger Zeit wandelten sich meine Gefühle. Aus meinem flauen Magen, klammen Händen und Trauer, wurden Wut.

 

Warum sollte ICH diejenige sein die sich jedes mal schlecht fühlt sie zu sehen. Sollte nicht SIE sich schlecht fühlen?

 

Sie war die Mörderin.

 

Sie war die Schwindlerin.

 

Sie war an allem Schuld.

 

Als sich meine Gefühle wandelten, wurde mir erst wirklich bewusst was ich all die Jahre wirklich wollte. Ich wollte Revenge.

 

Und so fing Pläne zu schmieden. Zuerst waren es nur wahllose Spinnereien, was ich ihr antun würde wenn ich sie jemals alleine in einer dunklen Gasse erwischen würde. Aus Spinnereien entwickelten sich echte Pläne und aus Plänen wurden Taten. Ich realisierte meinen Vorteil ihr gegenüber. Lisbeth hatte nicht die geringste Ahnung wer ich war, und als Sekretärin hatte ich zugriff auf diverse Daten aller Ärzte des Krankenhauses. So kam ich an ihre Adresse, Telefon und Handynummer und Notfall Kontakte.

 

Ich zog verschiedene Abläufe in betracht. Alle verschieden und doch hatten sie eines gemeinsam, Lisbeth würde nicht ungeschoren davonkommen. Endlich würde die Gerechtigkeit siegen. Endlich würde sie bestraft werden. Es war lange überfällig.

 

Ich befand, sie einfach bei sich daheim aufzusuchen und zur Rede zu stellen wäre nicht genug.

 

Ich wollte dass sie genauso litt wie Michael.

 

Am Ende hatte ich einen wasserdichten Plan und dieses mal würde ich ausgezahlt werden. Dieses mal würde ich es selber in die Hand nehmen.

 

 

Der Plan war simpel, zuerst durchforstete ich Michaels alten Computer und fand all ihre schrecklichen Bilder auf seiner Speicherplatte. Ich wollte sie daran erinnern, wo sie wirklich her kam. Sie war keine angesehene Assistenzärztin, nein sie war eine dreckige Nutte von der Straße.

 

Diese Bilder lud ich auf ein Handy, welches ich erst vor kurzem erworben hatte. Alle anderen Informationen und Daten hatte ich vorher von meinem Handy gelöscht.

 

Und von hier lief alles wie geschmiert.

 

Assistenzärzte waren während ihrer Schicht immer beschäftigt, weshalb ihre Sachen unbeaufsichtigt im Personalraum lag und ich das Handy mit den Bildern einfach in ihrer Tasche schmuggeln konnte. Dieser Teil des Planes diente dazu sie zu demütigen, so wie ich gedemütigt wurde.

 

Der zweite Teil war sie so umzubringen wie sie meinen Ehemann ermordet hat. Sie sollte die gleichen Schmerzen erleiden wie er. Erst wenn ich ihr schmerzverzogenes Gesicht sehe, kann ich mit dem Mord meines Ehemannes abschließen.

 

 

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Polizei Bericht: 200425-1

 

 

Der Mordfall Lisbeth Klein

 

 

Datum: 6 Oktober 2019, 20:16 Uhr

 

 

Polizeibeamte vor Ort waren Gerald Müller und Oliver Mohamed.

 

 

Lisbeth Klein wurde am 1 Oktober um 14.30 Uhr im Ferienhaus Maihaus in Vorderfalkau von Hauswerter Yuan Newman vorgefunden. Dieser verständigte sofort die Polizei.

 

Frau Klein wurde mit vier metallenen Handschellen (Siehe Anhang 1) an das Doppelbett im Großen Schlafzimmer gekettet. Sie trug keine Klamotten und es wurden Brandmale auf ihrem Körper festgestellt, verursacht durch starke Stromstöße eines Tasers (Anhang 2). Die Spurensicherung wurde verständigt (siehe Bericht in Anhang 3) und Herr Newman wurde befragt. Das Haus war an Frau Christa Jürgens für vier Tage vermietet. Da Herr Newman die letzte Woche krank gewesen war, konnte er nicht schon vorher das Ferienhaus besichtigen und putzen. Frau Klein ist also wahrscheinlich seit über sieben Tagen hier gewesen, genauer Todeszeitpunkt ist noch nicht festgestellt worden. Der Rechtsmediziner vermutet, dass Frau Klein nicht an ihren Wunden verstarb, sondern wegen Wasser- und Nahrungsmangel (Rechtsmedizinischer Bericht sollte Morgen zur verfügung stehen).

 

Nachforschungen zur Täter-Opfer-Beziehungen erwiesen, dass Frau Klein in Verbindung zum Todesfall von Michael Jürgens steht – verstorbener Ehemann der vermutlichen Täterin. Frau Klein und Herr Jürgens hatten 2009/10 ein Verhältnis miteinander, welches für mehrere Monate anhielt. Am 27 Februar 2010 brachte Herr J. Frau K. zu sich nach Hause. Laut Frau K. hatten sie bereits vorher verschiedene Sex spiele, wie >>BDSM<< versucht. Die Handschellen waren jedoch neu und Frau K.entschied, dass sie nicht bereit war mit Herr J. Geschlechtsverkehr mit Handschellen zu haben. Herr J. jedoch ignorierte ihre Widerworte und wurde Handgreiflich. Er kettete sie ans Bett und vollzog Geschlechtsverkehr gegen ihren Willen, weshalb sich Frau K. mit Tritten und Schlägen wehrte. Ein besonders gezielter Tritt traf Herr J. am linken Auge und seinem Nasenrücken. Durch den unerwarteten Schmerz erlitt Herr J. einen plötzlichen Herzanfall. Da Frau K. ans Bett gekettet war konnte sie ihm nicht helfen und die beiden wurden erst 45 Minuten später durch Frau K´s Hilfeschreie vom Nachbarn aufgefunden. Frau K. wurde ins Krankenhaus gebracht um ihre Wunden zu versorgen. Herr J. war bereits verstorben. Der damalige Fall wurde als Notwehr deklariert und Todesursache war ein Herzinfarkt welcher durch Verstopfungen in den Herzklappen verursacht wurde und deswegen wurde Frau K. als nicht schuldig befunden.

 

 

Frau Kleins Familie wurde ausfindig gemacht und benachrichtigt.

 

Die Fahndung nach Frau Jürgens läuft weiterhin.

 

 

06.10.19, Oliver Mohamed

 

 

 

CHRISTA JÜRGENS

 

GUTACHTENNUMMER: 8641

 

 

Nach §§ 21 StGB wird Christa Jürgens Schuldfähigkeit im Falle des Mordes an Frau Lisbeth Klein geprüft.

 

Während der Tat bestand kein Alkohol- oder Drogeneinfluss auf die Täterin.

 

Anhand der Unterlagen zu Frau Jürgens Vorgeschichte und eingehender privater Besprechungen mit Frau Jürgens lässt sich Schlussfolgern, dass sie eine eigene selektive Wahrnehmung über die Geschehnisse um den Todesfall ihres Ehemannes Michael Jürgens besitzt.

 

Herr Jürgens erlitt einen Herzanfall als er aus Notwehr von Frau Klein angegriffen wurde, da dieser beim Geschlechtsverkehr handgreiflich wurde. Die Täterin hatte bereits den Privatdetektiv auf ihren Mann angesetzt und wusste von deren Beziehung.

 

In dieser Situation bildete Sie ein schizophrenes Verhalten, in dem sie sich einbildete, dass das Opfer ihren Mann verführt und zum Geschlechtsverkehr gezwungen hätte.

 

Um die Unsicherheiten und den Vertrauensbruch zu überwältigen gab sie ihr die Schuld am Tod ihres Ehemannes und glaubte, dass Frau Klein einen Mord an Herr Jürgens geplant hatte.

 

Über die Jahre hinweg verschlimmerte sich die Schizophrenie und sie entwickelte Rachegedanken.

 

Sie brachte Frau Klein in eine gemietete Ferienwohnung, in welcher sie die Situation des Todes ihres Ehemann nachstellte und den Mord aus verzweifeltem Racheakt beging.

 

 

Frau Jürgens kann auf Grund ihrer seelischen Beeinträchtigung Strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden.

 

 

Laut §§ 63, 64 StGB besteht bei der Angeklagten jedoch noch eine Möglichkeit der Besserung. Es wird deswegen empfohlen diese in einer psychiatrische Anstalt zu beaufsichtigen.

 

 

29.10.2019, Herr Dr.Dr. Schaefer

 

One thought on “Selektive Wahrnehmung

  1. Hui. Da hast du uns aber ganz schön was geliefert. Gut gemacht!
    Mal was ganz anderes.
    Leider kam es für mich, im Kern der Geschichte, immer mal wieder zu Verwirrung. Teils löste sich diese nach und nach auf aber nicht gänzlich.
    Du hast aber wirklich Potenzial!
    Dran bleiben!:)

    Herzlich – Lia 🌿

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