Gabisprengart-olleDas Grab an der Böschung

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Das Grab an der Böschung

25.03.2015 morgens

So fühlte sich also die Hölle an. Er hatte rasende Schmerzen und konnte sich nicht bewegen. Das Fegefeuer hatte er sich irgendwie anders vorgestellt. So büßte man also für alle kleinen und großen Vergehen, die man zu Lebzeiten begangen hatte. Natürlich war er kein unbeschriebenes Blatt, aber hatte er das verdient? Plötzlich hörte er eine Amsel singen. Gab es da unten denn tatsächlich Vögel? Er war verwirrt. Es roch nach Tannennadeln und seine Nase juckte. Irgendetwas stimmte nicht, aber er hatte solche Schmerzen, dass er keinen klaren Gedanken fassen konnte. Er fing an zu wimmern und kurze Zeit später fiel er erneut in eine tiefe Ohnmacht.

25.03.2015 mittags

>> Markus? Gut, dass ich dich erreiche! Armin ist nicht nach Hause gekommen. Du warst doch auch auf der Treibjagd, weißt du wo er sein könnte? Ich habe alle angerufen, die mir eingefallen sind und keiner weiß was. <<

>> Wie, er ist nicht nach Hause gekommen? Steht denn sein Auto nicht in der Garage? <<

>> Dann hätte ich doch nicht angerufen! Ihm ist bestimmt etwas passiert. << Gudruns Stimme wurde immer verzweifelter. >> Kannst du mich zu eurem Treffpunkt fahren? Bitte hilf mir! Das bist du deinem Freund doch wohl schuldig! <<

>> Gib mir fünf Minuten Gudrun. Bestimmt hat er sich auf irgendeinem Hochsitz schlafen gelegt und kommt gleich angefahren. Also versuche dich zu beruhigen. Auf jeden Fall werden wir ihn suchen gehen, falls er nicht vorher eintrudelt. <<, versuchte er Armins Frau zu beruhigen. Allerdings war er nicht ganz so optimistisch, wie er vorgab. Sie hatten alle viel zu viel getrunken nach der erfolgreichen Jagd gestern. Er selbst hatte erst einige Stunden in seinem Jeep geschlafen, bevor er sich zutraute unfallfrei heim zu fahren. Der Selbstgebrannte, den Sepp so großzügig ausgeschenkt hatte, hatte es in sich gehabt, deshalb steckte er sich, bevor er in seinen Wagen stieg, einen Menthol- Kaugummi in den Mund und hoffte, dass er in keine Kontrolle geriet.

25.03.2015 nachmittags

>> Siehst du, da steht unser Auto. Wo kann er denn nur sein? Denkst du er wollte durch den Wald in die Stadt laufen? << Aufgeregt lief Gudrun um den Wagen und suchte in allen Fenstern nach Hinweisen, was passiert sein könnte. Da lag Armins dicke Jacke. Die hätte er doch übergezogen, wenn er hätte laufen wollen?

>> Also… <<, druckste Markus herum. >> Wir haben alle ziemlich tief ins Glas geschaut, nach der außerordentlich erfolgreichen Jagd. Ich kann mich definitiv nicht mehr an viel erinnern. Ich habe mich in meinem Schlafsack in den Jeep gelegt um auszunüchtern… <<, bekannte er verlegen. >> Aber ich habe da so eine Idee… <<

Er zog sein Handy heraus und wählte Armins Nummer. Mailbox! Mist! Dann kam ihm sein Freund Michael in den Sinn. Er gehörte einer Rettungshundestaffel an und übte mehrmals die Woche mit seinem Schäferhund Alex vermisste Dinge oder Personen aufzuspüren. Er rief ihn an.

25.03.2015 abends

>> Er lebt! << rief Michael die Böschung hinauf. Dann belohnte er seinen treuen Partner Alex mit seinem Spielzeug und einem Leckerli für seinen Einsatz und wies den herbeigerufenen Sanitätern den Weg die Böschung hinunter. Er hatte bereits Äste und Blätter zur Seite geräumt, unter denen der Mann versteckt worden war. Ihn zu bewegen hatte er nicht gewagt, denn der Mann schien ziemlich schlimme Schmerzen zu haben. Seine Beine waren voller Blut, das durch die Hose aus den Wunden gesickert war. Gudrun, der Frau des Vermissten, hatte Markus auf Michaels Geheiß befohlen beim Krankenwagen zu warten um, wie er sagte, die Sanitäter nicht bei ihrer Arbeit zu behindern. In Wirklichkeit wollte er sie vor dem schrecklichen Anblick schützen, der sich einem an dieser Grube bot.

>> Wird er durchkommen? << Gudrun stand mit leichenblassem Gesicht neben der Trage, auf der ihr Mann gerade in den Rettungswagen verladen wurde.

>> Wir tun alles was in unserer Macht steht, aber er hat sehr schwere Verletzungen erlitten. Wenn Sie möchten, können Sie mit ins Krankenhaus fahren. Der Arzt kann ihnen nach den Untersuchungen sicher mehr sagen. <<

Armin war immer noch bewusstlos, was aufgrund seiner Schmerzen ziemlich barmherzig schien. Gudrun saß vorne neben dem Fahrer und fragte sich immer wieder, ob ihr Mann überleben würde.    

25.03.2020 abends

>> Entschuldigung! << Die Kellnerin der kleinen Pizzeria klopfte atemlos an das Seitenfenster des Mercedes >> Herr Brendel, Sie haben ihr Handy bei uns auf dem Tisch vergessen! << Die junge Frau musste einen ziemlichen Spurt hingelegt haben. Zumindest hielt sie sich immer noch die Seite und japste, als sie ihm das Telefon durch` s Fenster reichte und sich mit >> zum Glück habe ich sie noch erwischt. Auf Wiedersehen! << von ihm verabschiedete und eilig zurück zum Restaurant lief.

 >> Vielen Dank Theresa, ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich es nicht bei mir hatte, als ich ging << rief ihr Herbert hinterher und legte das Smartphone in das Ablagefach der Mittelkonsole. Vielleicht hätte er auf zweiten Krug Hauswein lieber verzichten sollen. Jetzt musste er noch einmal quer durch die Stadt fahren, obwohl er besser mit dem Taxi gefahren wäre. Aber er brauchte nun mal sein Auto, also sollte er sich konzentrieren und möglichst jeder Polizeistreife aus dem Weg gehen.

Als er in seiner Straße angekommen war, fiel ihm ein, dass er der Bedienung noch nicht einmal ein gutes Trinkgeld spendiert hatte, obwohl sie ihm sein Zeug hinterher getragen hatte. Wie peinlich! Er würde morgen noch einmal hinfahren und eine Flasche Champagner und einen Blumenstrauß für sie abgeben, nahm er sich vor.

Er drückte auf den Garagenöffner, als plötzlich lautstarke Musik erklang. Wieso zum Teufel koppelte sich denn nun der Türöffner mit dem Autoradio? Genervt drehte er den Aus- Knopf. Der Alkohol hatte wohl seine Reaktionen verlangsamt, denn die Melodie kam eindeutig nicht aus den Lautsprecherboxen, die er sich nachträglich hat einbauen lassen, um einen exzellentes Klangbild zu erreichen. >> We are the champions…<< erklang es erneut und nun war ihm aufgegangen, dass es das Handy war, das ausgerechnet dieses Lied spielte.

Aber das war ganz eindeutig nicht sein Telefon. Es konnte nicht sein, denn mit diesem Lied verband er ein Ereignis, das er liebend gern vergessen wollte. In seinem Kopf hatte er es schon vor Jahren in die hinterletzte Ecke verband. Ihm wurde heiß. Trotzdem nahm er mit zitternden Händen das Smartphone aus der Ablage und drückte auf den grünen Hörer. >> Ja, bitte? <<

Ein kurzer Seufzer, noch ein tiefer Atemzug, dann klackte es. Am anderen Ende wurde aufgelegt. Merkwürdig. Morgen würde er das Handy zurückbringen, dann hätte er seinen Frieden zurück. Morgen, wenn er wieder nüchtern war. Sorgfältig schloss er den Wagen ab. Seinen Trenchcoat unter den Arm geklemmt, das Telefon in der Aktentasche, sperrte er die Türe auf. Obwohl sich dieser Eingang in der geschlossenen Garage befand, hatte er eine aus Metall einbauen lassen, als er eingezogen war. Er fühlte sich nur dann wohl, wenn er sein Haus gut gesichert hatte.

Herbert zog seine Schuhe aus und hängte den Mantel sorgfältig auf einen Bügel. Die Aktentasche stellte er auf das kleine Tischchen im Flur und zog das fremde Handy heraus. Mal sehen ob er herausfinden konnte, wem es gehörte. Er setzte sich im Wohnzimmer auf seine Couch, legte die Füße auf den Tisch und schaltete das Telefon ein. Kein Pin- Code schütze es vor dem Zugriff. Wer war denn heutzutage noch so leichtsinnig, ging ihm durch den Kopf, als er das Adressbuch durchforsten wollte. Kein Eintrag! Merkwürdig. Er versuchte es mit der Galerie. Bingo!

Er wurde blass. Niemand wusste von diesem Ort. Nun, er hatte sich geirrt. Es musste ein neueres Foto sein, denn der Busch, der sich neben der Grube befand, war schon doppelt so hoch. Trotzdem hatte er den Platz seiner Schuld sofort wiedererkannt. Wäre er nur zur Polizei gegangen, damals. Nun war es zu spät. Auch die nächsten Fotos zeigten nur die tiefe Mulde. Von allen Seiten. Es blühte sogar ein einsames Hundsveilchen darin. Ob das Zufall war, oder jemand es absichtlich gepflanzt hatte? Das Bild bot einen friedlichen Anblick.

Ping! Auf dem Foto, das plötzlich als MMS geschickt wurde, war eine Portraitaufnahme von ihm selbst. Darunter als Text: >> Bekenne Deine Schuld! << Also doch. Es gab jemanden, der zu viel wusste. Er musste herausfinden, wem das Telefon gehörte, wollte er das Leben, das er sich aufgebaut hatte nicht verlieren. Ihm wurde immer heißer. Wer war sein Gegner und welchen Plan verfolgte er? Wenn er ihn umbringen wollte, hätte er schon viele Gelegenheiten gehabt. An manchen Tagen hatte er schon selbst erwogen Schluss zu machen. Aber um sich selbst zu richten, hätte er mehr Mut gebraucht. Er hatte es nicht fertiggebracht.

Im Laufe der Jahre hatte er gelernt damit zu leben. Es war ein Unfall gewesen, für den er noch nicht mal etwas gekonnt hatte. Wer rechnete denn damit, dass mitten in der Nacht jemand auf der Landstraße herumtorkelte und direkt vor sein Auto fiel? >> We are the Champions my friend.. <<, hatte er lautstark mitgesungen. Er hatte dieses Lied geliebt, vor allem nach einer erfolgreichen Jagd, ließ er es oft über den CD- Player laufen. >> Dong, dong! <<, hatte es gemacht, als die Räder seines Wagens über den Körper des Mannes gerollt waren. Das Geräusch hatte nicht mit dem Takt der Melodie harmoniert und zuerst hatte er gar nicht begriffen, was passiert war. Schließlich hatte er zuvor tüchtig gebechert, mit seinen Jagdkollegen. Normalerweise hätte ihn seine Freundin abholen sollen, aber sie hatte kurzfristig für eine Kollegin einspringen müssen…

Es war die erste einer Reihe von Fehlentscheidungen gewesen, selbst zu fahren. Den Mann, den er überfahren hatte in eine hastig ausgeschaufelte Grube zu werfen, nachdem der kein Lebenszeichen mehr von sich gab, statt die Polizei zu rufen, die zweite. Zum Glück war da oben im Wald nachts kein Verkehr gewesen und Wanderer, die das provisorische Grab entdecken konnten, verirrten sich selbst tagsüber nicht dahin. Auch die Tatsache, dass es für März immer noch sehr kalt war, würde ihm die nötige Zeit verschaffen.

Die Idee, am abschüssigen Hang zu graben, war clever gewesen. Zum Glück hatte er eine Schaufel in seinem Wagen gehabt. Nachdem er alles mit Ästen und Tannenzweigen bedeckt hatte, hatte er daneben welke Blätter und Erde verteilt, damit es aussah, als wäre eine Rotte Wildschweine durchgezogen, nicht als hätte jemand einen menschlichen Körper hinuntergeschleift.

Fünf lange Jahre lebte er nun schon mit der Gewissheit, einen Menschen getötet und verscharrt zu haben. Die Panikattacken, die ihn am Anfang fast täglich aus dem Schlaf geschreckt hatten, wurden seltener und gerade hatte er angefangen, wieder ein bisschen zu leben, nachdem er zuvor alle Kontakte abgebrochen und in eine neue Stadt gezogen war. Mit seiner Freundin hatte er damals per SMS Schluss gemacht, damit er sie nicht mehr hatte sehen müssen und bei der Arbeit hatte er sich zuerst krank gemeldet und dann aus gesundheitlichen Gründen gekündigt. 

Da wohnte er sogar bereits unter anderem Namen in Kaiserslautern, einem Provinznest, das gerne eine Metropole sein wollte. Wie also hatte man ihn hier finden können? Er hatte sich schließlich eine komplett neue Identität zusammengebastelt. Sich in die Systeme der Behörden einzuhacken war babyeinfach gewesen. Wozu hatte er denn Informatik studiert? Gut, sein Talent als Hacker hatte er vorher schon ab und zu für kleinere Tricksereien genutzt, aber das war eigentlich immer nur zu dem Zweck passiert, sich zu beweisen, dass er die Systeme manipulieren konnte, wenn ihm danach war. Um sich eine neue Identität zu verschaffen, war gar kein sehr großer Aufwand nötig gewesen. Wie unbedarft Deutschland darauf vertraute, dass schon niemand versuchen werde, sich ins System zu hacken, machte ihn auch heute noch sprachlos.

Ob einer seiner Jagdkollegen hinter ihm hergefahren war, an diesem Schicksalstag und ihn beobachtet hatte? Aber er war ganz sicher, dass kein Auto vorbeigefahren war. Oder hatte der Alkohol ihm einen Streich gespielt? Er hatte schon immer gerne einen getrunken und in letzter Zeit trank er mehr denn je. Dass das keine Lösung für sein Problem war, wusste er, aber er hielt das Leben anders nur schwer aus. Es ergab alles keinen Sinn. Er war schließlich vor fünf Jahren und zehn Tagen offiziell gestorben. Sogar um eine passende Todesanzeige hatte er sich gekümmert. Darin stand, dass es eine Seebestattung geben werde, damit keiner auf die Idee kommen konnte auf seine Beerdigung gehen zu wollen.

>> Bekenne deine Schuld…<< Was genau wollte der? Sollte er jetzt zur Polizei gehen und sich selbst anzeigen? Dann würde er den Rest seines erbärmlichen Lebens im Knast sitzen müssen. Das war für ihn keine Option. Oder sollte er ein Schweigegeld bezahlen? Das würde ihn unter Umständen hart treffen, aber eine gewisse Summe könnte er schon auftreiben. Für heute hatte er genug. Er schaltete das Handy aus, ging ins Badezimmer und fiel dann ins Bett. Morgen würde er sich etwas einfallen lassen.   

Mitten in der Nacht wachte er schweißgebadet auf. Plötzlich hatte er ein Gesicht zu dem Mann, den er in jener Nacht überfahren hatte. Wieso ihm sein Gedächtnis ausgerechnet jetzt ein Gesicht lieferte, wo es doch in seinen Erinnerungen vorher nur einen dumpfen Schatten gab, so sehr er sich auch bemüht hatte, konnte er sich nicht erklären. Vielleicht spielte ihm aber auch sein Gehirn nur einen Streich.

Allerdings machte es Sinn, dass es einer seiner Jagdkollegen gewesen war, denn wer sollte sonst um diese Zeit auf der dunklen Landstraße herumgelaufen sein, und warum. Armins Todesanzeige hatte er logischerweise nicht lesen können, denn er war ja Hals über Kopf in ein anderes Bundesland gezogen. Oder vielleicht hatte man ihn jetzt erst gefunden.

Ein Blick auf seinen Wecker zeigte ihm, dass er erst vor zwei Stunden zu Bett gegangen war. Er sollte sich also noch einmal umdrehen und versuchen noch ein wenig zu schlafen. Aber da er nun wusste, wen er umgefahren hatte, kreisten seine Gedanken unaufhörlich um Armin und diese Nacht. Irgendwann nickte er doch kurz ein und träumte dann von einem Handy, das unaufhörlich klingelte. Wieder schrak er aus dem Schlaf. Er musste herausfinden, wem das Handy gehörte, das man ihm hatte zukommen lassen. Aber das sollte kein größeres Problem darstellen, schließlich war er Profi!

26.03.2020

Es war an der Zeit eine neue SMS zu versenden. >> Rate mal wem das Handy gehört! << Dann noch eine: >> Bekenne Deine Schuld! << Armin hatte vor Aufregung feuchte Hände, als er voller Genugtuung die SMS versendete. Bald würde er seinem Peiniger gegenüberstehen. Er hatte nur für den Tag gelebt, an dem er den Schuldigen überführen könnte. Viele Monate hatte er keine Ahnung gehabt, wo er anfangen sollte zu suchen, aber das Foto einer bekannten IT- Firma in einer Zeitschrift hatte ihm den Weg gewiesen. Zwar stand ein komplett anderer Name in der Bildunterschrift, aber er war sich sicher, er hatte den Richtigen gefunden. Einfach so, aus purem Zufall. Es war im Wartezimmer bei einer seiner zahlreichen Nachuntersuchungen gewesen, als er über seinen ehemaligen Jagdkollegen stolperte. In seiner Aufregung hatte sein Herz angefangen zu rasen und er hatte Mühe gehabt den Ausführungen des Arztes zu folgen, der ihn behandelt hatte.

Armin hatte das Foto abfotografiert und in der Zeit danach immer wieder auf seinem Smartphone angesehen. Er wusste, wer ihm das angetan hatte, nun wusste er auch, wo er ihn finden konnte. Der Rest war einfach gewesen, denn er hatte sich nur vor dem Eingang der Firma platzieren und warten müssen, bis Michael Herbert alias Herbert Brendel das Haus verließ. Armin war ihm in gebührendem Abstand gefolgt und hatte ihn in den letzten Wochen fast dauerhaft beschattet. Seine Frau Gudrun war schon total beunruhigt gewesen, weil er oft bis nachts unterwegs gewesen war. Sie hatte keine Ahnung, was ihn umtrieb.

Er hatte mit niemandem darüber gesprochen, dass er sehr wohl wusste, wer ihm die langen Krankenhausaufenthalte beschert hatte. Nur die Aussicht auf Rache hatte ihn diese unzähligen Operationen und die damit verbundenen Schmerzen aushalten lassen und ihm die Kraft gegeben sich zurück ins Leben zu kämpfen. Beim Laufen hatte er immer noch Schmerzen in seinem linken Bein, aber er konnte schon längere Strecken gehen, was laut Ärzten ein Wunder war, nach diesen schweren Verletzungen.

Er fieberte dem Tag des Zusammentreffens mit Michael Herbert entgegen, als hinge sein Leben davon ab. Demnächst würde er die Falle zuschnappen lassen, freute er sich. Zuhause gab er sich optimistisch und versuchte einen lebensfrohen Eindruck zu machen um Gudrun nicht zu beunruhigen, aber wenn er ehrlich war, lebte er nur noch für seine Rache. Deshalb unternahm er immer öfter, immer längere Ausflüge, damit Gudrun, die ihn zu gut kannte, als dass es ihr nicht auffallen würde, wenn er Theater spielte, keinen Verdacht schöpfte.

Bei seinen Fluchten hatte er stets seinen Hund Benni dabei, den er sich vor über einem Jahr gekauft hatte. Er hatte seinem Retter damals viel Geld für seinen Alex angeboten, aber der hatte, statt sein Angebot anzunehmen vorgeschlagen sich einen eigenen Hund zuzulegen, wenn er wieder gesund sei, und diesen dann zum Rettungshund auszubilden.

Sie waren nun im zweiten Jahr der Ausbildung und Benni machte, genau wie Armin, große Fortschritte. Gudrun beklagte zwar schon länger, dass Armin mehr Zeit mit dem Hund verbrächte als mit ihr, aber insgeheim war sie froh, dass Benni ihm neuen Lebensmut gab und ihn bei seinen Touren begleitete, das wusste er. Außerdem schien sie sich über die Zeit, die sie für sich alleine hatte, auch zu freuen.

27.03.2020

>> Hallo Markus, kann ich dich um einen Gefallen bitten? <<

>> Was gibt es denn Gudrun? Denkst du nicht, wir sollten etwas vorsichtiger sein? <<

>> Armin benimmt sich in letzter Zeit so merkwürdig. Da ist irgendwas im Busch. Denkst du er weiß was? << Sie atmete tief durch.

 >> Keine Ahnung! <<  

>> Er wirkt wie besessen. Kannst du ihm vielleicht mal nachfahren?  <<

>>Ich glaube nicht, dass du dir Sorgen machen brauchst, Gudrun. Er hat doch seinen Benni dabei, was soll ihm mit dem an seiner Seite schon passieren? <<

>> Kannst du nicht trotzdem mal …? Bitte! Ich habe so ein blödes Bauchgefühl! <<

>> Also gut. Zum Glück habe ich gerade Urlaub. Schick mir eine Nachricht, wenn er morgen loszieht, dann spiele ich Sherlock Homes! <<, versuchte er zu scherzen.

Markus hatte sich daraufhin den Wagen seiner Freundin geliehen und war ihm nachgefahren, um zu sehen, wo sein Freund hinwollte. Es war zufällig der Tag gewesen, an dem Armin zur IT- Firma gefahren war. Natürlich hatte Markus in gebührendem Abstand geparkt gehabt, allerdings hatte er sich nicht erklären können, was Armin da wollte und warum er nicht ausgestiegen war. Dann aber, als ein Mann das Gebäude verließ, dessen schlurfender Gang ihm plötzlich sehr bekannt vorkam, verstand er, was Armin umtrieb.

Der Mann, der ein so merkwürdiges Gangbild hatte, dass seine Jagdkollegen sich darüber lustig gemacht hatten, dass er lief wie ein angeschossenes Reh, war doch schon lange tot. Möglicherweise ein Zwillingsbruder, von dem niemand etwas gewusst hatte?

Markus nahm sich vor, ein bisschen zu recherchieren. Gudrun erzählte er, dass Armin mit Benni trainiert hätte, um sie nicht noch mehr zu beunruhigen.

27.03.2020 spätabends

Herbert Brendel hatte Angst. Angst davor, nach so vielen Jahren noch aufzufliegen. Dabei war er doch so gründlich gewesen. Michael Herbert hatte eine ordnungsgemäße Sterbeurkunde im Standesamt-Archiv und Herbert Brendel sogar eine Geburtsurkunde. Niemand konnte ihm etwas beweisen. Oder doch? Er schlief schlecht in letzter Zeit. Diese ständigen SMS, die nicht zurückverfolgt werden konnten, weil sie über tausend ausländische IP- Adressen geschickt wurden, machten ihn ganz kirre. Wie sollte er denn seine Schuld bekennen, wenn er nicht wusste, an wen er ein Schuldbekenntnis schicken sollte? Nicht, dass er ernsthaft mit dem Gedanken gespielt hätte es zu tun.

Was, wenn er das blöde Handy einfach ins Klo schmiss? Hätte er dann sein ruhiges Leben zurück? Wahrscheinlich nicht, aber es wäre einen Versuch wert, fand er. Nun, er würde erst noch eine Nacht drüber schlafen und die Entscheidung auf morgen vertagen, denn er war sehr müde und erschöpft.  Er ging früh zu Bett und fiel in einen tiefen Schlaf. Mitten in der Nacht wachte er schweißgebadet auf. Er war von einem Handy geweckt worden, das im merkwürdigsten Teil seines Traums geklingelt hatte. Suchend tastete er auf dem Nachttisch nach dem echten Handy. Nichts! Aber an Schlaf war nun nicht mehr zu denken.

Er fuhr stattdessen den Computer hoch und versuchte erneut etwas über den Besitzer des Handys herauszufinden, als er eine SMS bekam: >> Treffen morgen einundzwanzig dreißig am Tatort. Bekenne deine Schuld! << Nun war es also soweit. Herbert überlegte. Was wäre, wenn er einfach nicht hinfuhr? Ob das Psychotheater dann so weiter ging? Das hielt er nicht aus, dann lieber ein Ende mit Schrecken.

Armin rieb sich die Hände. Endlich war er am Ziel. Morgen um diese Zeit hätte er Genugtuung.

>> Schatz? Was machst du denn mitten in der Nacht, kannst du wieder mal nicht schlafen? <<, kam eine verschlafene Stimme aus dem Schlafzimmer.

>> Alles in Ordnung Gudrun. Ich war nur kurz im Bad und habe in der Küche noch einen Schluck Wasser getrunken. Schlaf weiter! <<

>> Ok. << Als Armin wenig später wieder in sein Bett kroch, rückte Gudrun zu ihm herüber und kuschelte sich in seine Armbeuge. >> Ich hatte schon Angst, du hättest wieder einen deiner Alpträume. <<, murmelte sie und gab ihm einen Kuss. Dann übermannte sie die Müdigkeit und sie schlief ein, während Armin hellwach in seinem Bett lag. Er malte sich aus, wie er seinen Peiniger richten würde. Hoffentlich würde der nicht wieder kneifen, sondern endlich Verantwortung übernehmen, sonst würde sein schöner Plan nicht aufgehen.

28.03.2020

Armin fuhr erst gegen Nachmittag los, weil Markus vorher spontan aufgetaucht war. Sie hatten zusammen mit Gudrun den gefüllten Kranz verputzt und über Bennys Fortschritte lamentiert. Aber das war in Ordnung gewesen, denn so fiel es nicht auf, wenn er so spät nochmal losfuhr. Benny hatte schließlich noch nicht genug Auslauf gehabt heute. Zuerst hatte Gudrun von ihm gefordert, dass er mit ihr zum Baumarkt fuhr um Pflanzerde zu kaufen, aber dann hatte sich Markus angeboten sie mitzunehmen, weil er sowieso noch irgendwelche Schrauben brauchte.

Armin fuhr dann auf direktem Weg zu dem kleinen Parkplatz, der ganz in der Nähe des Treffpunkts lag. Dort lief er mit Benny eine große Runde. Dann setzte er sich wieder in sein Auto und wartete auf seinen Einsatz. Er war jetzt ganz ruhig. Heute würde er endlich seinen Frieden finden. Kurz vor halb fuhr er auf die Landstraße und parkte oberhalb der Grube auf dem schmalen Seitenstreifen und machte die Scheinwerfer aus. Er stand so zwar zur Hälfte auf der Straße, aber um diese Zeit kam hier nie jemand lang.

Pünktlich um halb fuhr ein Auto an. Wenigstens dieses Mal zog der Feigling nicht den Schwanz ein. Der Wagen hielt direkt gegenüber von Armin und ließ das Seitenfenster herunter.

>> Was wollen sie von mir? Geld? Oder was soll das Spielchen? <<, schallte es zornig herüber. Armin konnte sein Gegenüber kaum erkennen, weil es so dunkel war. Es war ein Fehler gewesen das Treffen auf den Abend zu verlegen, denn er wollte ihn leiden sehen. Armin stieg aus und lief hinüber. Benny jaulte laut, denn er wollte mit. Armin trat neben die Seitentür und forderte seinen Gegner auf auszusteigen, wenn er kein Feigling sein wollte.

Herbert Brendel öffnete die Tür seines Wagens und stieg aus. Verblüfft starrte er sein Gegenüber an.

>> Du? Ich denke du bist tot Armin! <<

>> So wie du, Michael? Oder soll ich Herbert zu dir sagen? Du hast dein Werk leider nicht vollendet! <<

>> Es tut mir so leid! Ich wusste ja nicht… <<

>> Was wusstest du nicht? Dass du einen Freund umgefahren und ihn dann verscharrt hast, obwohl er nicht mal tot war? <<

>> Aber du hattest keinen Puls, Armin. Sonst hätte ich doch den Krankenwagen gerufen! <<

>> Du warst doch so besoffen, dass du das gar nicht wissen konntest. Und mich einfach so verscharren und hoffen, dass mich niemand findet… Macht man das mit jemandem, den man Freund nennt?  <<

Die beiden Männer standen sich gegenüber wie Stier und Torero. Nur standen sie nicht in einer Arena, sondern inzwischen mitten auf einer verlassenen Landstraße und brüllten sich an.

Deshalb hörten sie auch den Land Rover nicht, der mit hoher Geschwindigkeit auf sie zufuhr.

Dong dong!

Gudrun war sicher, dass sie ganze Arbeit geleistet hatte. Sie hatte beide voll erwischt. Nun war sie frei! Nun würde sie an sich denken. Nur an sich! Mit der Lebensversicherung von Armin würde sie sich ein gutes Leben gönnen. Das hatte sie sich verdient! Beschwingt fuhr sie durch die Nacht.

5 thoughts on “Das Grab an der Böschung

  1. Hey 😀

    eine sehr gelungene Geschichte die du hier geschrieben hast.
    Durch die vielen Namen ist es zu beginn etwas verwirrend, aber das legt sich im Laufe des Geschehens. Die Art wie du schreibst ist gut zu lesen und man kann der Handlung sehr gut folgen.
    Es ist erstaunlich, dass dieses Werk, dass du erschaffen hast, noch nicht kommentiert wurde … mein Like bekommst du auf jeden Fall 😉

    Ganz liebe Grüße
    Sarah

    Ich würde mich wirklich sehr freuen, auch deine Meinung zu meiner Geschichte zu lesen 😉
    https://wirschreibenzuhause.de/geschichten/unschuldskind

    1. Hallo Sarah,
      sorry, dass ich jetzt erst antworte, aber ich hatte Probleme mich einloggen zu können, weil ich es auch mit dem Ersatzpasswort nicht hinbekommen habe. Technik ist leider nicht so meine Kernkompetenz… Nun habe ich den Zettel mit dem ersten Passwort wiedergefunden! Nun also endlich vielen Dank, dass Du meine Geschichte gelesen und kommentiert hast. Witzig ist, dass es mir bei Deiner Geschichte ähnlich ging( war zuerst nicht sicher, ob Melanie und Mell ein und dieselbe Person sind). Die Idee zu “Unschuldskind” finde ich sehr gut und spannend geschrieben. Bleib also weiter dran und schreibe. Liebe Grüße Gabi

  2. Hallo,
    Eine sehr coole Geschichte, auch wenn ich mit den Namen und Abfolgen total verwirrt war. Ich glaube aber, das lag auch daran, weil ich die Jahreszahl überlesen hatte als es von März 2015 zu 2020 wechselt. Da muss unbedingt “5 Jahre später” stehen, damit das deutlicher heraus kommt.
    Der Satz über Kaiserslautern…. Provinznest, das eine Großstadt sein will… Da musste ich echt lachen.
    Und auch grad wegen den Namen habe ich mich gefühlt, wie bei einem richtigen Dorf-Krimi. Irgendwie hatte das zum Teil etwas Ulkiges… Das fand ich aber irgendwie gut und könnte mir echt gut vorstellen, wie die Menschen in einer Verfilmung aussehen.

    Alles in allem hat deine Geschichte Potenzial, auch wenn man ein paar Dinge verbessern könnte. Mein Herz bekommst du.

    Alles Liebe für dich,
    Jenny /madame_papilio

    Ich freue mich natürlich, wenn du auch meine Geschichte lesen magst. https://wirschreibenzuhause.de/geschichten/nur-ein-kleiner-schluessel

    1. Hallo Jenny,
      sorry, dass es etwas gedauert hat, bis ich mich melde. Danke für Deine Anregungen. Sicher hätte meine Geschichte noch einiges an Überarbeitung nötig gehabt, aber ich habe mich stattdessen lieber wieder auf mein “Hauptprojekt” konzentriert, das ich zusammen mit meiner Schwester zuvor begonnen hatte. Eigentlich lese ich sogar nur selten Krimis, weil mir die oft zu gruselig sind. Deine Geschichte habe ich gelesen und weil Du sehr gut beschrieben hast, was gerade passiert, habe ich mich gefühlt, als würde ich nebendranstehen. Mir ist es eiskalt den Rücken runtergelaufen. Also Ziel erreicht, weiter so!

      1. Danke dir, das freut mich, wenn ich dich mit meiner Geschichte einfangen konnte 🙂

        Ich denke, jede Geschichte könnte man verbessern, aber ich wollte wir einfach ehrlich mein Gefühl mitteilen. Was du daraus machst, ist ja dann deine Sache. Und ein Hauptprojekt klingt ja super! Viel Erfolg damit.

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