chrisautorDas verbotene Spiel

Emma

Als Emma Schöntal an diesem sonnigen Morgen das Haus verließ, um bei dem Bäcker zwei Straßen weiter wie gewohnt eines dieser leckeren Schokocroissants zu kaufen, ahnte sie noch nicht, welche Wendung dieser Tag für sie nehmen würde. Trotz der Sonne war dieser Aprilmorgen noch frisch, auch wenn der Wetterbericht für heute über 20 Grad angesagt hatte. Der Gang zum Bäcker war zu ihrem täglichen Ritual geworden, seit sie hier in einem der Vororte von München lebt. Direkt in der Stadt zu wohnen, wäre mit ihrem bescheidenen Gehalt als Verkäuferin bei einer Boutique auf einer edlen Flaniermeile nicht möglich gewesen. Die Kundinnen, die sie täglich bediente, waren hingegen wohlhabend.

Während sie oft mit einer guten Freundin ins Geschäft kamen und sich von Emma ein Glas Sekt oder oft auch zwei oder drei einschenken ließen, ahnten sie nicht, wie sehr sie diese Frauen um ihre Freiheit beneidete. Die Freiheit, die sie verloren hatte. Sie kannte dieses Gefühl nur noch aus Erinnerungen. Das war in ihrem alten Leben. Es gab eines „davor“ und eines „danach“.

Emma hatte langes, blondes Haar und ihre Augen waren strahlend grün. Männer fanden sie sehr attraktiv, dass hatte sich nicht geändert. „Emma“ – der Name gefiel ihr irgendwie, auch wenn es nicht ihr richtiger Name war. Die ersten 47 Jahre ihres Lebens hieß sie Anne – Anne Berg. Das war „davor“. Ihr neues Leben begann vor drei Jahren.

Voller Vorfreude auf den ersten Kaffee dieses Tages sperrte sie nur wenig später die Wohnungstüre zu ihrem kleinen Zwei Zimmer Apartment auf. Die Tüte des Bäckers roch noch nachdem Croissant. Sofort bemerkte sie einen kühlen Windzug. Nanu, hatte sie vergessen das Fenster zu schließen? Kurz blieb sie in der Türe stehen und überlegte. Emma sah sich nervös um. Erneut spürte sie einen kühlen Luftzug aus der Wohnung. Hatte sie vielleicht vergessen das Fenster zu schließen bevor sie gegangen war? Erste Zweifel stiegen in ihr auf. War da ein Geräusch? Sie lauschte kurz, konnte aber nichts hören.

In letzter Zeit war sie vergesslich geworden. Sie verlegte Dinge oder bildete sich ein, dass die Fernbedienung, die sie gestern auf dem Fernseher abgelegt hatte, plötzlich auf dem Küchentisch lag. „Langsam wirst du alt“, sagte Emma zu sich selbst.

Da knallte auch schon die Tür hinter ihr. Ein weiterer Luftzug hatte die Eingangstüre ins Schloss fallen lassen. Kurz erschrak sie sich dadurch, legte dann aber ihre Wohnungsschlüssel auf dem Küchentisch ab und stelle die Tüte des Bäckers daneben. Als nächstes befreite sie sich aus ihrem hellgrauen Mantel. Die weisen Turnschuhe, die sie trug, waren eigentlich bequem. Die Füße taten ihr trotzdem weh, denn sie litt unter einem Hallux, also einer schmerzhaften Verkrümmung der Fußzehen, die oft durch das langjährige Tragen von High Heels oder zu engen Schuhen entsteht. Auch das war eine Erinnerung an ihr altes Leben.

Anne – Das war für sie eine entfernte Bekannte, von der sie sich seit Jahren getrennt hatte. Eine Erinnerung die immer mehr verblasste und das war gut so. Anne war eine Trinkerin und sie hatte ein dunkles Geheimnis. Emma und sie hatten nicht viel gemeinsam.

Sie ging nun durch den Raum und suchte nachdem offenen Fenster. Zu ihrer Überraschung stand die Balkontüre offen. Sie stockte. Konnte es sein, dass sie nun schon so vergesslich wurde, dass sie vergaß die Wohnzimmertür zu schließen? Sie dachte laut nach: „Habe ich die gar nicht geschlossen bevor ich gegangen bin?“. Emma versuchte sich zu erinnern. Doch da war nichts. „Ich weiß es nicht mehr“, brummelte sie vor sich hin als sie durch den Raum ging und schloss das Fenster. In dem Moment blitze etwas auf. Irgendetwas hatte sich in dem Glas des Fensters reflektiert. Nochmal blickte sie sich im Raum um. Auf dem Wohnzimmertisch lag ein Gegenstand. Nervös näherte Emma sich. Was war das?

Ihr Herz fing an schneller zu schlagen. Sie blickte auf das Display eines Smartphones. Es sah ähnlich aus wie ihr eigenes, doch war dieses hier ein anderes Modell. Wie war das nur dahin gekommen? In dem Moment leuchtete es auf. In den letzten Jahren hatte ihre Sehkraft nachgelassen und sie benötigte eine Brille, um etwas erkennen zu können. Schnell griff sie in ihre Handtasche und setzte sie auf. Das Handy leuchtete noch immer. Emma beugte sich neugierig über das Smartphone. Sie konnte nicht glauben was sie dort sah und war wie erstarrt. Das Bild auf dem Display zeigte den Mann, den Anne getötet hatte.

 

Klara

Alfredo Monte war ein italienischer Geschäftsmann, der bereits seit vielen Jahren in Hamburg lebte. Klara lernte ihn nicht wie üblich über eine ihrer Dating Apps für Seitensprünge kennen. Alfredo und sie sahen sich in einem italienischen Lokal an der Alster zum ersten Mal. Es war Sommer und sie trug ein knallrotes Kleid und einen dazu passenden Lippenstift. Sie fühlte sich großartig, weil sie kurz zuvor einen wirklich lukrativen Coup landen konnte, indem sie zwei befreundete Geschäftsmänner gegeneinander ausgespielt hatte und mehrere Tausend Euro erpressen konnte, damit ihr kleines Dreiecksverhältnis nicht direkt als Videoaufnahme bei deren Ehefrauen landete. Klara finanzierte sich so ihr Leben. Sie war nicht an den Männern interessiert aber bei Alfredo war das anders. Sein Charme und sein weltmännisches Auftreten machten es ihr schwer, keine ernsthaften Gefühle zu entwickeln. Dennoch wollte sie einen Weg finden, an ihm ihr Meisterstück zu üben.

In bester Laune sprach Alfredo sie damals in diesem Lokal an. Ihr viel sofort die teure Uhr und der Anzug auf. Höflich gab sie zu verstehen, dass sie kein Interesse habe. Ihr Plan ging auf, denn das spornte ihn nur noch mehr an. Warum nicht, dachte sie sich? Er war attraktiv und sie hatte gute Laune. Er wusste nicht, auf wen er sich da einließ.

Klara litt unter Multipler Sklerose. Zumindest lies sie das ihre Bekanntschaften glauben. Das war praktisch, denn so konnte die Anzeichen für die Krankheit immer dann einfließen lassen, wenn die Männer ihr zu nahekamen oder Fragen stellten und zu ihrem anfänglichen erstaunen, funktionierte das wunderbar! Kaum war Klara die verletzliche hilfesuchende Frau, schon eilten die Männer herbei, um sie zu retten. Es versteht sich von selbst, dass die einzige Rettung für sie oft darin bestand, die ausstehenden Zahlungen für sie zu begleichen. Sie mochte verheiratete Männer. Sie waren eine leichte Beute. Wollten sie nicht freiwillig bezahlen, zog Klara die heimlich gemachte Videoaufnahme als Trumpf aus dem Ärmel und schon floss das Geld. Alfredo hingegen war alleinstehend. Sie musste also kreativer werden. Das Spielen mit unterschiedlichen Identitäten machte ihr schon immer Spaß.

Nach einigen Treffen waren Alfredo und sie wieder einmal zum Essen verabredet. Für Klara stand fest, heute sollte es soweit sein. Ihre Fassade begann immer mehr bröckeln. Aus Angst davor noch mehr Gefühle zu entwickeln und dann vielleicht doch Skrupel zu haben, entschied sie sich das Ganze zu einem schnellen Ende zu bringen.

Beim Abendessen erzählte sie aufgeregt von der bahnbrechenden Entdeckung eines befreundeten Arztes. Er habe eine zukunftsweisende Technologie entwickelt, die es Menschen mit ihrer Krankheit ermöglichen sollte, mittels eines neuartigen Medikaments schnell wieder zu genesen. Da sie das Medikament als Betroffene und Probandin getestet hat, konnte sie die Wirksamkeit bestätigen. Über die letzten Wochen hatte sie entsprechende Situationen immer wieder mit eingebaut. Das alles war streng geheim, schließlich wartete ein Milliarden-markt, wenn sie es schaffen würden, dieses Präparat vor allen anderen auf den Markt zu bringen. Das einzige was jetzt noch zum Erfolg fehlte, war ihr Anteil der Einlage zur Gründung des Unternehmens und zur Anmeldung eines weltweiten Patents.

Die Summe die sie dafür benötigte sein 150.000 Euro. „Klara du weißt ich liebe dich, aber das ist eine Menge Geld“, antwortete er. „Lass uns doch nach Hause fahren und in Ruhe über alles sprechen. Ich bin gerne bereit dir zu helfen, wenn das für dich so wichtig ist“.

Klara konnte ihr Glück kaum fassen. Den ganzen Abend über war sie schon nervös auf ihrem Stuhl hin- und her gerutscht. Zum einen wusste sie nicht, ob sie zu weit ging in dem sie so viel Geld verlangte – Alfredo war offensichtlich sehr wohlhabend, aber das bedeutete nicht das er sein Geld zum Fenster hinausschmeißen würde. Zum anderen merkte sie immer mehr wieviel Gefühle sie schon entwickelt hatte. Um ihr Gewissen zu überlisten, hatte sie an diesem Abend noch mehr getrunken als üblich.

Leider hatte sich ihre anfängliche Nervosität bei den Dates und das Überspielen mit Alkohol schleichend zu einer Alkoholsucht entwickelt, die es immer schwerer war zu verstecken. Sie wollte sich das nicht eingestehen aber ohne Alkohol viel es ihr mittlerweile schwer, aus dem Haus zu gehen. Anfangs waren es nur ein paar Gläser, um sich Mut anzutrinken. Auch sie war nicht ohne Gewissen. Mittlerweile war es Gewohnheit, aber heute war ein besonderer Tag. Nie zuvor hatte sie so viel Geld von einem Mann gefordert. Deshalb war es umso wichtiger, dass sie sich trotz der drei Flaschen Wein, die sie fast im Alleingang geleert hatte, im Griff hatte. Sie sagte also: „Gerne Liebling. Lass uns bezahlen und nach Hause fahren.“

Als sie sein großes Haus betraten, hatte sie ein ungutes Gefühl. Aufgrund des vielen Weins hatte sie mehr als nur einen kleinen Schwips. Mist, wie konnte ihr das ausgerechnet an einem so wichtigen Abend passieren wie heute! Alfredo stützte sie und nahm sie liebevoll in dem Arm: „Alles ok bei dir Liebling? Ich glaube das war vielleicht ein bisschen viel Wein heute?“. „Schooon okay. Alles in Ordnung“. Oh Gott, hatte sie gerade gelallt? Sie musste sich zusammenreißen! „Alfredo, du weißt ich liiiiiebe dich … aber damit wir unsere Zukunft gemeinsam genießen könne“ … reiß dich zusammen! „brauche ich das Geld, um meine Krankheit … heilen zu lassen“. Bei den letzten Worten tippte sie ihm auf die Brust. So sehr Klara sich auch bemühte, sie war einfach zu betrunken, um noch richtig sprechen zu können.

Sie standen nun im Wohnzimmer. Alfredo zog ihr die High Heels aus. „Liebling wollen wir vielleicht doch morgen erst sprechen?“, fragte er und nahm sie in den Arm. Er schien bedrückt.
„Nein ist schon ok. Lass uns sprechen“, sagte sie nun fehlerfrei und unter größter Anstrengung. Er befreite sich aus ihrer Umarmung.

„Anne … so heißt du doch, oder? Ich weiß wer du bist.“
Hatte sie sich eben verhört? Verwirrt blickte sie Alfredo an.
„Hast du mich wirklich für so dumm gehalten? Anfangs dachte ich nur es ist etwas Lockeres zwischen uns, aber als ich merkte, dass es ernst wird, musste ich einige Nachforschungen anstellen. Wie du weißt, bin ich sehr vermögend und ich muss wissen, ob du es ernst mit mir meinst. Ich hätte das gerne morgen mit dir besprochen, aber eigentlich ist es auch egal. Wir können es auch jetzt machen. Ich habe einen Privatdetektiv engagiert und er herausgefunden, wer du wirklich bist. Ich wollte es zuerst nicht glauben, aber dann habe ich die Fotos und Urkunden als Beweis erhalten. Ich will verstehen, warum du mich belogen hast. Ich liebe dich, aber ich kann dir offensichtlich nicht vertrauen.“

Klara wurde blass. Sie wusste nicht wie sie reagieren sollte und fühlte sich ertappt und fiel in eine Schockstarre. Was sollte sie jetzt nur tun? Hatte er bereits die Polizei informiert? Würde jeden Moment ein Kriminalbeamte vor ihnen stehen und sie festnehmen? Sie konnte nicht klar denken. Sie war völlig betrunken. Wieviel wusste Alfredo wirklich?

Alfredo stand nun einen Schritt von ihr entfernt. „Du wirst das Geld von mir natürlich nicht bekommen. Ich weiß, dass du davon gelebt hast, andere Männer zu erpressen. Aber diese Geschichte von dir? Deine Krankheit so auszunutzen ist nicht schön. Gibt es denn den Arzt und dieses Medikament überhaupt oder bin ich nur ein weiteres Opfer für dich?“ Er sah sie an, enttäuscht und mit einem flehenden Blick. „Was von alledem was ich über dich weiß, stimmt überhaupt?“

Eine Träne kullerte ihre Wange hinab. Keiner der Männer vor ihm hatte ihr etwas bedeutet und doch war er nur einer von ihnen. Sie war selbst verwirrt über die Gefühle, die sie für ihn entwickelt hatte. Auf einmal fühlte sie sich wie in einem Käfig gefangen. Eingesperrt wie ein Tier. Sie wollte nur noch weg.

„Ich will mit dir zusammen sein. Hörst du? Aber nicht so. Ich will das du reinen Tisch machst. Du musst dich der Polizei stellen. Ich muss wissen das du deinen Fehler einsiehst und mich nicht ein Leben lang fragen müssen, ob du eines Tages das Gleiche mit mir machst.“ Eine weitere Träne lief seine Wange herab. „Ich kann dir auch einen guten Anwalt besorgen“.

Klara stand wie angewurzelt im Raum.

„Sag doch etwas! Du stehst hier nur und starrst mich an“, sagte Alfredo nun wütend.

„Ich gehe“, kam es tränenerstickt aus ihrem Mund.

„Nein du gehst jetzt nicht! Wir klären das jetzt“. Er stürmte auf sie zu und packte sie am Arm. Völlig panisch, dass ihr Spiel nun zu einem Ende kommen würde, befreite sie sich durch einen kräftigen Stoß. Er geriet dadurch ins Taumeln, stolperte über die Kante des Teppichs und flog rückwärts mit dem Kopf gegen den Kaminsims.

Auf einmal war alles ruhig. Sie starrte ihn an. „Alfredo?“. Seine Augen waren geschlossen. Er lehnte an der Wand und antwortete nicht. Ganz vorsichtig näherte Klara sich, doch er bewegte sich nicht mehr.

Erschrocken wich sie zurück. Sie begann zu schluchzen und zu wimmern. Klara wusste das in diesem Moment auch sie gestorben war. Sie war wieder Anne und ihre Zeit in Hamburg war vorbei.

 

Carlotta

Carlotta Brunelli hatte dunkles, glattes Haar und trug gerne Kleider von Designern aus aller Welt. Als Kind wuchs sie zusammen mit ihrer Großmutter, den Eltern und ihrem Bruder in der Nähe von Meran auf. Als ihre Großmutter starb, entschieden sich ihre Eltern dafür, nach Venedig umzuziehen und dort das erste eigene Restaurant zu eröffnen. Schnell wurde daraus eine ganze Franchise-Kette. Es war eine großartige Zeit. Sie lernte zu dieser Zeit ihren Mann Guiseppe Brunelli kennen. Er stammte ebenfalls aus einer vermögenden Familie, die Schmuck herstellte.

Die Ehe mit Guiseppe war zu Beginn der Traum von allem, was sie sich je vorgestellt hatte. Carlotta arbeitete als Managerin in einer der vielen Schmuckmanufakturen, die seine Familie besaß. Mit dem Geld, das sie verdiente, konnte sie sich jeden Wunsch erfüllen. Nur ihren größten Wunsch, ein Kind mit ihrem geliebten Guiseppe, konnte sie sich nicht erfüllen. Sie hatten alles versucht, waren bei verschiedenen Ärzten, doch nichts davon war von Erfolg gekrönt. Der Druck der Familie, die einen Nachfolger für das traditionsreiche Unternehmen suchte, wurde immer größer. Ihr einst so geliebter Mann verbrachte immer mehr Zeit in der Firma und auf Geschäftsreisen statt bei ihr zu Hause. Die Unzufriedenheit wuchs dadurch auf beiden Seiten immer mehr. Eines Abends, als Guiseppe wieder einmal von einer der vielen Reisen zurückkam, empfing Carlotta ihn bereits mit verschränkten Armen in der Haustür: „Guiseppe, wo warst du so lange?“

„Du weißt doch wo ich war. Ich komme aus Deutschland. Ich war dort, um die neue Filiale zu eröffnen. Schließlich warst du es, die mich gedrängt hat, die Filialen dort auszubauen und deinen Bruder als Geschäftsführer ein zusetzen. Jetzt beschwer dich nicht, dass ich so viel unterwegs bin“ entgegnete er genervt und streifte sich Schuhe und Mantel ab. „Ich bin müde von der langen Fahrt und möchte einfach nur ins Bett. Bitte lass uns nicht gleich wieder streiten. Das kann doch auch bis morgen warten?“

Abwertend sah sie ihn an, wie er das gemeinsame Wohnzimmer betrat und sich auf die neue rote pastellfarbene Couch fallen ließ. „Du solltest mich besser kennen. Denkst du nicht, ich weiß, dass die Filialeröffnung bereits vorgestern war? Du warst fast eine Woche weg. Ich bin nicht blöd. Selbst wenn es etwas länger gedauert hätte, du hättest spätestens gestern hier sein müssen“. Ihre Stimme überschlug sich dabei.

„Kontrollierst du mich jetzt etwa? Ich hatte noch Gespräche mit wichtigen Geschäftspartnern. Du kannst deinen Bruder fragen, wenn du mir nicht glaubst!“, antwortete er nun auch zunehmend gereizt mit einer wegwerfenden Geste.

„Das HABE ich bereits!“, platze es aus ihr heraus „Und stell dir vor er hat mir gesagt, dass du bereits vor zwei Tagen abgereist bist. Wo warst du in der Zwischenzeit?“. Sie zitterte vor Wut.

„Weißt du was, ich höre mir diesen Schwachsinn nicht länger an. Ich gehe jetzt zu Bett“, sagte er und stand auf, um in Richtung Schlafzimmer zu gehen.

Doch sie war noch nicht mit ihm fertig. Sie schrie so laut sie konnte „Ich weiß das du mich betrogen hast! Glaub mir ich bin nicht so dumm wie du denkst!“. Sie knallte ihm einen Umschlag vor die Füße.

Langsam bückte er sich und öffnete diesen. So sehr er es gerne abstreiten wollte, so eindeutig waren doch die Bilder, die er sah.

„Wir haben keinen Ehevertrag geschlossen und ich war bereits bei einem Anwalt. Ich habe mich erkundigt und ich mir stehen 9 Millionen Euro zu!“, keifte Carlotta ihn an.

Entsetzt schaute er sie an. Was war nur aus ihnen geworden? Die Frau, die er einst so liebte, empfand scheinbar nur noch Hass für ihn. Er raste nun auch vor Wut. Sie wusste ganz genau das die Summe ihn in den Ruin treiben würde. Er müsste Geschäfte verkaufen, alle Grundstücke, die sie besaßen und zudem noch Kredite für die Firma aufnehmen. In der derzeitigen Situation, wo sie zusätzliches Kapital für die Expansion benötigen würden, wäre das das Aus! Nicht nur für ihn, sondern auch für die 435 Angestellten, die sie mittlerweile auf der ganzen Welt hatten. Das wusste sie und sie wusste auch das war das einzige, mit dem sie ihn wirklich treffen konnte. Voller Wut schrie er sie an „Carlotta du spinnst, wenn du denkst ich gebe dir einfach so die Hälfte von allem! Nur wegen einem unbedeutsamen Ausrutscher. Ich kenne diese Frau kaum! Denk doch mal an unsere Angestellten. Was ist nur aus dir geworden? Du widerst mich an!“, sagte er und wandte sich erneut zum Gehen. Dann hörte er es.

Ein vertrautes Klicken. Er kannte es bereits seit seiner Jugend als sein Vater ihn das erste Mal mit auf den Schießstand genommen hatte. Carlotta stand vor ihm und hatte plötzlich eine Pistole in der Hand, die er nur allzu gut kannte. Es war seine eigene Waffe! Sie richtete sie auf ihn.

Tränenüberströmt schrie sie ihn an „Ich hasse dich! Ich habe einen Vertrag vorbereitet. Unterschreib!“. Er konnte nicht glauben was er hörte. Guiseppe wusste, dass er nun schnell handeln musste. Sie konnte mit dieser Waffe nicht umgehen. Aber wie sollte er an die Pistole kommen? Er machte einen Schritt nach vorn. „Keinen Schritt weiter oder ich erschieße dich du Schwein!“, schrie sie und wich zur Seite.

„Carlotta wir beide wissen das du das nicht wirklich willst. Gib mir die Waffe.“

Was sollte er nur tun? Früher hatte er dieses Temperament geliebt, doch jetzt war es ihre Leidenschaft, die sie beide in Gefahr brachte. Er war nur einen Schritt von ihr entfernt. Guiseppe war sich sicher. Sie wird nicht auf mich schießen. Mit einem Satz nach vorne Sprang er auf sie versuchte ihr die Waffe zu entreißen. Ein Schuss löste sich und dann wurde alles schwarz.

Anne

Erschrocken starrte Emma noch immer auf das Handy. Was sollte sie jetzt nur tun? Schließlich nahm sie das Smartphone in die Hand. Das Telefon war nicht durch einen Code gesichert und so konnte sie mit einem Wisch entsperren.

Mit zitternden Fingern öffnete sie die Galerie des Handys. Was sie dort sah konnte sie nicht glauben. Das Smartphone war voll mit Bildern von Alfredo. Es befanden sich aber auch einige Bilder einer sehr attraktiven Frau darauf und … von ihr!

Wer hatte es dort hingelegt? Sollte sie es finden? Wieder einmal starb eine Persönlichkeit in ihr. Emma war tot. Das wusste sie. Anne übernahm nun wieder die Führung. Wie aus dem nichts tauchte plötzlich die Gestalt in der Wohnzimmertüre auf, die sie wenige Sekunden zu vor auf den Bildern gesehen hatte.

Erschrocken blickte Emma sie an. „Wer sind Sie und was wollen Sie von mir?“, fragte sie verängstigt die Frau, die nun das Zimmer betrat.

„Ich bin Carlotta und das Smartphone auf dem Tisch ist von mir. Ich wollte es mir eben wieder nehmen, doch dann kamst du mir dazwischen.“

Annes Mund öffnete und schloss sich, ohne dass sie einen Ton von sich gab.

„Ich war eine Zeitlang in Untersuchungshaft. Es gab einen Unfall mit meinem Ehemann, den er leider nicht überlebt hat“, sagte Carlotta und zog nun eine Pistole aus der Handtasche hervor.

Ungläubig starrte Anne sie an. Wer war diese Frau? Alfredo hatte nie eine Frau erwähnt und wie konnte sie ihn erschießen, wenn er doch schon längst tot war? „Ich wusste nicht das Alfredo verheiratet war. Ich wollte ihn auch nicht töten. Sie müssen mir glauben. Das war ein Unfall!“ stieß sie hervor.

Jetzt war auch Carlotta verwirrt. „Du glaubst, Alfredo war mein Mann? Ich muss dich enttäuschen. Ihn habe ich Gott sei Dank rechtzeitig gefunden. Es war ein Zufall, dass ich ihn an dem Abend überraschen wollte. Ich wurde einen Tag zuvor aus der Haft entlassen. Er weiß allerdings nicht das ich dich gefunden habe.“

„Ich verstehe nicht. Wenn Alfredo ihr Bruder ist, wer ist dann ihr Mann?“

Carlotta herrschte Anne nun an „Guiseppe Brunelli! Sagt dir das was?“

Anne überlegte. „Welcher Guiseppe?“ fragend blickte sie auf Carlotta.

„Du bist echt durchtriebener als ich dachte. Guiseppe war eines deiner Opfer. Hast du das etwa vergessen? Du hast immerhin fast 25.000 Euro von ihm kassiert!“

Anne wurde bleich im Gesicht. Sie wusste nun wen Anne meinte.

„Ja da staunst du was? Du hast ihn über diese widerliche Dating-App kennengelernt. Ich hätte es niemals herausgefunden, wenn du nicht so blöd gewesen wärst, ihn zu erpressen! Jede Gelbewegung, die er vorgenommen hat, hat der kleine Spießer in einem Buch notiert. Ich konnte genau nachvollziehen an wen die Zahlung ging, obwohl du nicht deinen richtigen Namen verwendet hast. Der verliebte Trottel hatte sogar ein Foto von dir dazu gelegt. Ich war geschockt, als ich herausfand, dass die gleiche Frau, die nur wenig später meinen Bruder fast umgebracht hat, auch die Affäre meines Mannes war. Widerlich! Seit drei Jahren versuche ich nun schon dich zu finden, aber du hattest dich gut versteckt.“

Anne wusste nicht was sie sagen sollte. Noch immer richtete Carlotta die Waffe auf sie. Sie wusste nicht das die beiden Männer sich kannten, woher auch? Es war ein Zufall gewesen, dass Alfredo und sie sich kennenlernten.

Für Anne gab es nur noch eine Möglichkeit diese Situation unbeschadet zu überstehen. Es war riskant und sie war sich nicht sicher, ob es funktionieren würde, aber es war die einzige Möglichkeit das hier zu überleben.

„Ich brauche jetzt einen Schluck“, sagte Anne. Sie stand auf und ging zu dem Wohnzimmer Schrank auf dem zwei Gläser und eine Flasche Gin standen.

Carlotta verfolgte sie mit der Waffe und blieb neben ihr stehen. „Ich dachte du hast inzwischen aufgehört zu trinken aber wie ich sehe bist du noch die gleiche Säuferin wie damals.“

Anne drehte sich mit dem Rücken zu ihr und befüllte beide Gläser. Sie reichte eines Carlotta die sie verwirrt ansah. „Na gut, nur einen Schluck! Du zuerst“, sagte sie zu Anne und wartete bis diese ihr Glas geleert hatte.

Carlotta nahm ebenfalls einen Schluck aus ihrem Glas und sah Anne verwirrt an. „Das ist ja Apfelsaft?“

„Nach allem was du über mich weißt, hast du mich immer noch unterschätzt“, sagte Anne.

„Ich …“ setzte Carlotta an, verdrehte dann aber die Augen und brach vor Anne zusammen.

„Ich habe meine Alkoholsucht überlistet, indem ich Apfelsaft in Gin-Flaschen abgefüllt habe. In deinem Glas war allerdings nicht nur Apfelsaft. Du hättest mir nicht erlauben sollen, dir den Rücken zuzudrehen. Schlaf gut, Carlotta. Wenn du aufwachst, werde ich nicht mehr hier sein. Endlich fühle ich mich wieder frei, jetzt wo ich weiß, dass ich keine Mörderin bin“

Anne nahm ihr Smartphone und legte es auf den Tisch. Carlotta hatte ihr zwar nicht verraten wie sie sie gefunden hatte, doch sie hatte verstanden. Das einzige was aus ihrem alten Leben übrig war, war ihr Telefon. Diesen Fehler würde sie nicht noch einmal machen.

5 thoughts on “Das verbotene Spiel

  1. Da ist dir eine gute Geschichte gelungen.
    Ich habe sie gerne gelesen.
    Zuweilen war sie etwas verwirrend. Man musste ein paar Stellen nochmal lesen, um alles zu verstehen.

    Ich finde, der Aufbau ist dir gelungen.
    Auch das Ende war interessant und überraschend.
    Hätte ich nicht erwartet.

    Lass deine Geschichten in Zukunft immer noch einmal gegenlesen. Da haben sich einige Flüchtigkeitsfehler eingeschlichen.
    Ein Fremdleser würde sie direkt sehen und korrigieren.

    Es ist nämlich leider sehr schwer, sich und seinen Text selbst objektiv zu bewerten und zu korrigieren.

    Dein Stil gefällt mir.
    Du schreibst nüchtern, kühl, sachlich.

    Versuch in Zukunft, deine Geschichten einfacher zu konstruieren. Du verlangst deinen Lesern manchmal zu viel ab.
    Oft sind weniger Infos besser.

    Ich wünsche dir und deiner Geschichte alles Gute.
    Und schreib weiter.
    Deine Fantasie ist toll ausgeprägt.
    Und mit der Zeit wächst auch deine Routine.
    Und deine Sicherheit.

    Liebe Grüße, Swen Artmann (Artsneurosia)

    Ich habe dir natürlich einen Like dagelassen.

    Vielleicht hast du ja Lust und Zeit, meine Geschichte auch zu lesen.
    Würde mich freuen.
    Sie heißt: “Die silberne Katze”.

    Danke und machs gut.

    1. Lieber Swen,

      ich danke dir vielmals für deine Kritik und das Lob. Es ist tatsächlich die erste Kurzgeschichte gewesen, die ich je verfasst habe. Ich habe viel daraus gelernt u.a. nicht mehrere Geschichten in einer Kurzgeschichte zu verpacken, da es sonst zu verwirrend für die Leser*innen wird. Es freut mich sehr, dass dir meine Geschichte gefallen hat. Ich werde deine Geschichte auch zeitnah lesen.

      Ich habe mich sehr über den Kommentar gefreut!

      Chris

  2. Lieber Chris

    Mir hat die Idee und auch deine Geschichte sehr gut gefallen. Das Ende war wunderbar überraschend. Ich fand es auch toll, dass deine Figuren doch schon etwas älter waren und du hast das gut umgesetzt. Mir sind zwar ein paar kleinere “Fehler” aufgefallen
    (verwechselt Namen zum Beispiel) was mich persönlich im Lesefluss aber nicht sehr gestört hat. Ein kleiner Tipp, falls du noch keine hast – Testleser. Die finden, solche Kleinigkeiten, über die der Autor oft nicht drüber stolpert, weil er ja seine Geschichte kennt. Dein Schreibstil hat mir gut gefallen und auch die Art wie du Anne ausgearbeitet hast. Obwohl man sie zwischenzeitlich nicht sehr mag, fiebert man gen Ende mit ihr mit. Ich lass dir in jedem Fall ein Like da! LG Lisa

    1. Hallo Lisa,

      auch dir vielen Dank für deinen Kommentar. Ich freue mich so sehr, dass allen das Ende gut gefällt. Ich habe lange an der Geschichte gefeilt und immer wieder umgeschrieben. Es war die erste Geschichte die ich überhaupt geschrieben habe und ich freue mich wirklich riesig, dass andere Menschen diese lesen und natürlich über jeden “Like”. Ich habe soviel aus diesem Projekt mitgenommen und gelernt.

      Guter Hinweis mit den Testlesern! Ich wünsch dir einen schönen Tag.

      Viele Grüße

      Chris

      1. Hallo Chris,
        Das mit dem herumfeilen und umschreiben kenn ich 😉 Gerade das Ende ist bei mir auch immer eine harte Nuss. Da dauert es schon etwas bis man auch nur halbwegs zufrieden ist…

        Wow, ich hätte nie gedacht, dass es deine aller erste Geschichte war! Hut ab dafür! Da kannst du stolz auf dich sein!
        Ja das Projekt war richtig toll. So viele Tipps und Motivationen zum Schreiben. Und auch jetzt ist es spitze die anderen Geschichten zu lesen. Und dann auch auf Geschichten anderer Mitschreiben wie dich zu treffen.
        Nun ja ich beginne zu schwafeln… In jedem Fall noch mal kurz – großes Kompliment an deine erste Geschichte!!! LG Lisa

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