Sabrina90Die schnittwunden

 

Die Schnittwunden

 

Es wurde Frühjahr. Im ganzen Land begannen die Blumen und Bäume zu blühen und es duftete nach Frühling.

 

Katharina liebte den Frühling mehr als alles andere. Immer wenn sie von der Arbeit nach Hause ging, lief sie einen kleinen Umweg, um durch den wunderschönen wildbewachsenen Park zu gehen.

 

Fast jeden Abend kamen ihr dieselben Personen entgegen. Der ältere Herr mit seinem kleinen Hund, das Pärchen an der großen alten Eiche, welches immer mit einer Leinwand und Pinsel ausgestattet war und das junge Mädchen, welches Katharina zwar  sehr durchgeknallt vorkam, aber trotzdem immer sehr freundlich zu ihr war.

 

Doch heute Abend sah Katharina einen Mann den, sie noch nie zuvor im Park bemerkt hatte. War er schon mal hier?

 

Oder war er neu im Ort?

 

Er war ein groß gewachsener Mann mit dunklen Haaren und einem langen beigen Mantel.

 

Sie achtete besonders auf ihn, denn irgendwie verhielt er sich seltsam. Er beobachtete alle und es schien, als mache er sich Notizen über die Leute, die sich in seinem näheren Umkreis aufhielten.

 

Grade wollte Katharina in noch etwas genauer unter die Lupe nehmen, doch dann er war wie vom Erdboden verschluckt.

 

 ,,Komisch´´, dachte sie leicht irritiert, jedoch überlegte sie nicht weiter was sie gesehen hatte, denn sie wollte ihren stressigen Arbeitstag einfach hinter sich lassen.

 

Deshalb setzte sie sich auf eine Parkbank, nahm ihr Buch aus ihrer Tasche und las ein bisschen, damit sie sich in eine andere Welt flüchten konnte.

 

Katharina merkte, dass es ihr langsam kühl wurde. Als sie auf ihr Handy sah, war sie erschrocken, dass es schon fast 20 Uhr war. Sie packte ihr Buch in die Tasche, zog sich ihre Jacke an und auf den Weg nach Hause. Sie überlegte kurz und ging schließlich an der Baumreihe entlang, an der sie den unbekannten Mann zuletzt hatte stehen sehen.  Als sie an einer großen Trauerweide stand, sah Katharina ein Handy auf dem Boden liegen. Sie war sich sicher, das es diesem Fremden gehörte. Jemand anderen hatte sie an diesem Abend dort nicht entlang laufen sehen.

 

Zögernd hob sie es auf und schaute sich vorsichtig um.

 

,, Soll ich es mitnehmen oder liegen lassen? “ sprach sie zu sich selbst. Doch außer ihr war  niemand anders noch im Park unterwegs.

 

Also beschloss sie , das Handy an sich zu nehmen und es spätestens morgen bei der Polizei abzugeben.

 

Endlich kam sie Zuhause an und freute sich auf das Essen welches sie noch vom Vortag übrig hatte. Trotzdem konnte sie nicht aufhören an den Mann und an das Handy zu denken, welches sie gefunden hatte.

 

Katharina war von Natur aus neugierig und konnte nicht mehr an sich halten. Sie musste einfach sehen, ob sie etwas von diesem mysteriösen, aber dennoch sehr attraktiven, jungen Mann in Erfahrung bringen konnte.

 

Sie zog das Handy aus der Tasche und öffnete den Bildschirm.

 

Tatsächlich, es gehörte dem unbekannten Schönling aus dem Park. Doch jetzt kam das Schwierige.

 

Ein Handy von einer Person zu entsperren, die man nur einmal gesehen hatte. Wie sollte Katharina den PIN rausbekommen?

 

Sie versuchte ihr Glück.

 

Und es klappte. Zu ihrem Erstaunen war das Handy nicht mit einem PIN, Fingerabdruck oder mit Gesichtserkennung gesichert.

 

Es war gar nicht gesichert!

 

Katharina war erstaunt. Wer ist denn in der heutigen Zeit so unvorsichtig und sichert sein Handy nicht ab? Sie konnte es nicht fassen und schüttelte den Kopf.

 

Nun gab es für sie kein Halten mehr. Sie tat, was wohl jeder als erstes machen würde. Sie öffnete die Galerie und ihr blieb der Mund offen stehen.

 

Sie bekam die Gänsehaut ihres Lebens. Ein ganzer Ordner mit über einhundert Bilder von ihr. Das konnte doch nicht war sein!

 

Katharina traute ihren Augen nicht. War das wirklich sie? Mit Erlebnissen aus ihrem Leben, Familienfotos von sich und ihren Eltern auf Geburtstags und Hochzeitsfeiern? Fotos von ihr und ihrem Ex Christoph im Urlaub?

 

Was war das?  Was hatte sie da gefunden? Und vor allem, wer war der Mann, der all das von ihr wusste?

 

Sie bekam eine tierische Angst und schaute aus dem Fenster auf die Hauptstraße herunter. War ihr der Mann vielleicht gefolgt? Hatte er das Handy extra dort positioniert und wollte dass sie das alles sieht? War er ein Stalker?

 

Tausende Fragen schossen ihr durch den Kopf. Was sollte sie jetzt machen? Wenn sie zur Polizei ginge, was würden die dann machen? Helfen? Oder würden sie es im Sande verlaufen lassen?

 

Katharina hatte kein großes Vertrauen in die Polizei, da sie schon einmal in jüngeren Jahren Probleme hatte. Damals  wurde sie von den örtlichen Behörden sehr enttäuscht.

 

Zuerst machte sie sich eine Flasche Rotwein auf und beschloss, sich alle Fotos noch einmal in Ruhe und mit einer großen Gewissheit anzusehen.

 

Als erstes waren da die Fotos von ihr und ihrem Ex im Bali Urlaub.

 

Christoph hatte ihr diesen Urlaub zu ihrem 30igsten Geburtstag geschenkt.

 

Katharina war 3 Jahre mit ihm zusammen bevor sie von ihrer einst besten Freundin erfuhr das er sie betrog und zwar mit ihr!

 

Katharina und Maren waren früher unzertrennlich! Sie kannten sich schon aus dem Kindergarten. Nie hätte die Freundschaft der beiden Mädchen etwas ändern können. Bis zu jenem Tag, als Maren ihrer Freundin beichtete, dass sie während der gesamten Beziehung zu Christoph, eine Affäre mit dem Freund ihrer besten Freundin hatte.

 

Katharina war am Boden zerstört und alles was sie über Freundschaft zu wissen, dachte, brach in einen Scherbenhaufen zusammen, den man nie wieder reparieren konnte.

 

Und dieses Arschloch von Freund hatte sie dann nach der Beichte, mitsamt seinem gesamten Hausstand aus der Wohnung geworfen, in der sie beide bis dahin gelebt hatten.

 

Sie hatte diese ganze Scheiße mit Christoph und Maren schon fast komplett verdrängt, bis dieses Handy und diese Fotos aufgetaucht waren.

 

Und dann waren da ja noch die Fotos von ihr und ihren Eltern auf der Hochzeitsfeier ihrer Schwester.

 

Katharina erinnerte sich an die schöne Zeit mit ihrer Familie zurück, als sie noch eine Familie waren. Auch das hatte sie verbockt.

 

Auf den Fotos von der Hochzeit war sie zu sehen mit ihrer Mutter und ihrem Vater. Arm in Arm, als wäre nie etwas gewesen. Aber sie konnte damals nicht anders und musste das Geheimnis, das sie mit sich trug, einfach irgendwann ihren Eltern und ihrer Schwester beichten.

 

Das, was sie getan hat, als sie grade einmal 8 Jahre alt war. Es sollte ihr ganzes Leben verändern. Und das hatte es auch.

 

Ihre Familie hatte es ihr nie verziehen und ihre Schwester Marlene war so sauer, dass Katharina dieses Geheimnis ausgerechnet bei ihrem Hochzeit ausplaudern  musste.

 

Marlene hatte sie danach vom Saal geschmissen und ihre Mutter hatte nur einen Satz heraus gebracht:,, Ich will, dass du verschwindest und dich nie wieder blicken lässt. Wir haben ab sofort nur noch eine Tochter! “

 

All das kam in Katharina nun wieder hoch. Die Zeit mit ihrem Exfreund, die schöne Zeit mit ihrer Familie. Alles was hier zu sehen war, war ihr Leben.

 

Ihr ehemaliges Leben.

 

Als sie sich die Galerie weiter ansah, fiel  Katharina auf das es nur Fotos aus ihrem alten Leben gab. Nichts Neues, kein Foto von ihren neuen Freunden oder ihren Nachbarn, mit denen sie sich von Anfang an gut verstand.

 

Wusste der fremde Mann von ihrer schlimmen Vergangenheit? Wusste er was sie getan hatte?

 

Ihr wurde übel. Wem konnte sie sich jetzt anvertrauen? Wenn sie zur Polizei gehen würde, würde diese das Verfahren und die Ermittlungen wieder aufnehmen.

 

Damals verliefen die Ermittlungen im Sande weil die Kriminalpolizei keine Spuren vom Täter sicherstellen konnte. Außerdem hätte sie doch niemand in Visier genommen. Sie war doch noch ein kleines Kind. Und es tat ihr bis heute so unendlich Leid was damals passiert war.

 

Wenn es nach Katharina gegangen wäre, hätte sie sich, als sie es ihren Eltern gebeichtet hatte, auch am liebsten der Polizei gestellt. Doch was hätte die schon machen können? Die Tat war doch bereits über 20 Jahre her.

 

Katharina beschloss nun, nachdem die Gedanken in alle Himmelsrichtungen geflogen waren, im Handy weiter nach Indizien zu suchen und hoffte darauf, etwas über den Eigentümer des Telefons heraus zu finden.

 

Aber das Ganze wurde immer seltsamer. Auf dem Telefon befand sich…

 

… nichts.

 

Es war leer. Komplett leer.

 

Keine Whats app Chatverläufe, keine E-Mails, keine Termine und keine weiteren Galerieordner.

 

Einfach nichts, das Handy war komplett leer.

 

Das war doch komisch, dachte Katharina. Wenn dieser Typ irgendwas von mir weiß oder wissen will, hätte er dann nicht vielleicht auch Notizen oder Termine auf dem Handy, um mir nachzuspionieren?

 

Es war nun mittlerweile nach 23 Uhr und sie wollte langsam ins Bett. Katharina musste morgen wieder früh raus, um etwas früher anzufangen. Ihre Chefin hatte sie gefragt ob, sie die letzten Akten noch weg sortieren könnte, aber sie hatte sich dazu entschlossen, das auf morgen früh zu verschieben, da es heute der erste warme Tag werden sollte.

 

Hätte sie die Akten noch an diesem Abend weg sortiert, hätte sie das Handy nicht gefunden.

 

Oder hätte der Mann es an einem anderen Tag nochmal versucht?

 

Über diesen Fragen schlief Katharina dann schließlich irgendwann ein und als am nächsten Morgen der Wecker klingelte, dachte sie für einen kurzen Moment, sie hätte einfach nur einen schlechten Traum gehabt.

 

Doch als sie in die Küche ging, um den Kaffee anzustellen, sah sie im Wohnzimmer auf dem Tisch das Handy liegen. Es war kein schlechter Traum.

 

Nach einer eiskalten Dusche ging sie dann mit ihrem Kaffee in der Hand in Richtung Büro und dachte über alles nach was ihr gestern nach Feierabend wiederfahren war.

 

Wenigstens konnte sie sich auf der Arbeit etwas ablenken. Ihre Chefin rief sie ein paar Mal herein und gab ihr Aufgaben, die sie schnell erledigt hatte. In der Mittagspause ging sie mit ihrem Kollegen Ben unten an der Ecke chinesisch Essen.

 

Ben erzählte ihr, dass er erst seit einem Jahr in dem Ort lebt, sich aber bereits sehr wohl fühlt.

 

Wie Katharina auch hatte er eine schmerzliche Trennung hinter sich gebracht. Aber es machte den Anschein als würde es ihm nicht so schlecht gehen wie er es immer sagte.

 

Ben merkte, dass Katharina irgendetwas berückte und hielt nicht lange damit hinterm Berg.

 

, Hi Kathi, was ist denn heute los mit dir? Hat die Chefin wieder mal gemeckert oder welche Laus ist dir über die Leber gelaufen? ´´, fragte er sichtlich interessiert.

 

,, Ach nichts. Ich habe, glaube ich, einfach nur schlecht geschlafen. Aber sonst ist alles gut! ´´

 

Katharina konnte sich aber einfach nicht konzentrieren. Immer wieder musste sie über das Handy und den fremden Mann nachdenken.

 

Und sie überlegte, was sie vielleicht übersehen haben könnte.

 

Also beschloss sie nach der Mittagspause zu ihrer Chefin zu gehen und sie zu bitten, für heute Feierabend machen zu dürfen.

 

Ihre Chefin war eigentlich ganz ok. Wenn man außer Acht lassen würde, dass sie die strengste, aber dafür die beste Rechtsanwältin in der ganzen Stadt war.

 

Und Katharina hatte Glück. Ihre Chefin ließ sie nach Hause gehen. Auch sie hatte heute Morgen schon bemerkt, dass mit ihrer Vollzeit Angestellten irgendetwas nicht stimmte, hatte sie aber nicht drauf angesprochen.

 

Katharina ging nach Hause und lief durch den Park, um noch einmal alles genau unter die Lupe zu nehmen.

 

Hatte sie vielleicht doch ein Detail übersehen? Sie ging zu der alten Trauerweide und suchte alles akribisch ab. Da Katharina sonst um diese Zeit selten bis gar nicht im Park war, beobachtete sie die Leute hier und grade heute besonders mit großer Sorgfalt. Irgendetwas Auffälliges musste sie doch finden. Es konnte doch nicht sein, das dieser Typ sich nur einmal hier hat blicken lassen und dann nicht mehr wieder gekommen war, um nach seinem Handy zu suchen.

 

Sie ging um die Trauerweide herum und sah sich in der ganzen Umgebung um.

 

Aber was war das? Sie hörte ein leises Knacken hinter sich.

 

Plötzlich wurde sie fest gehalten und sie spürte etwas Feuchtes auf Mund und Nase. Da war er!

 

Katharina versuchte sich mit aller Macht zu wehren. Sie trat und schlug um sich. Aber so sehr sie sich auch versuchte zu wehren, sie hatte keine Kraft mehr. Sie dachte, dass doch an diesem schönen, hellen Tag irgendjemand ihre Schreie hören musste.

 

Oder schrie sie vielleicht gar nicht? War das nur eine Einbildung ihre Sinne?

 

Plötzlich wurde ihr schwarz vor Augen und sie hatte den Kampf gegen den großen Unbekannten verloren.

 

Sie verlor ihr Bewusstsein.

 

Als Katharina endlich wieder zu sich kam, war sie mit Kabelbindern an einen Stuhl gefesselt. Ihr war übel und die Kabelbinder schnitten ihr sehr stark in ihre Arm und Fußgelenke. Zudem war ihr Mund auch noch mit Klebeband zu geklebt. Es roch muffig in dem Raum und Licht drang nur durch einen kleinen Spalt unter der Tür.

 

Wo war der Mistkerl? Was wollte er nur von ihr?

 

Katharina hatte viel Zeit über alles nach zu denken. Würde sie jemand vermissen? Ihr fielen nur vier Personen ein.

 

Ihre beiden Nachbarn, Katharinas Chefin und Ben, ihr Arbeitskollege. Da sie aber ja heute früher nach Hause gehen wollte würde es den beiden frühestens morgen früh auffallen. Ihre Nachbarn traf sie nur ein oder zwei Mal in der Woche. Jetzt dachte Katharina daran wie spät es wohl war? Wie lange war sie bewusstlos gewesen? War es schon Abend oder noch Nachmittag? Da die Uhren letzte Woche umgestellt wurden und es länger hell war, hatte sie einfach keine Orientierung mehr.

 

Katharina versuchte sich irgendwie zu orientieren, an irgendetwas. Aber sie konnte nicht viel erkennen in diesem kleinen Bunker, wie sie vermutete, fest zu sitzen.

 

 Es waren einfach nur 4 Wände der Stuhl auf dem sie gefesselt saß und die Eingangstür.

 

Sonst nichts. Plötzlich sprang die schwere Eisentür auf und Katharina zuckte vor Schreck, der ihr voll durch die Glieder schoss.

 

Da war er. In voller Größe stand das Arschloch vor ihr. Er riss ihr mit voller Wucht das Klebeband vom Mund und Katharina schrie ihn aus voller Seele an: ,,Was willst du von mir, Arschloch?!´´

 

,, Nana, sowas sagt man aber nicht. Ich hatte eigentlich erwartet, dass du mich mit offenen Armen empfängst wenn du mich wieder siehst! ´´

 

Katharina war erschrocken und zutiefst erschüttert. Der Typschien sie wirklich zu kennen. Oder tat er einfach nur so?

 

Er zog ein Messer aus der Tasche und ließ es vor Katharinas Gesicht baumeln. Sie zog ihren Kopf weg, hatte aber nur wenig Ausweichmöglichkeit durch ihre Fesseln.

 

Er legte das Messer zu Seite und zog plötzlich sein T-Shirt und seine Hose aus. Was ist denn nun in ihn gefahren? Wollte er sie etwa vergewaltigen? Panische  Angst stieg in Katharina auf.

 

 Er war sehr gut gebaut und wenn er Katharina nicht entführt und gefesselt hätte, wäre dieser Körper samt dem Kerl der daran hing genau Katharinas Traumtyp gewesen. Sie sah den Oberkörper an und erstarrte. Sein kompletter Körper war übersäht mit Schnittwunden. Von oben bis unten war sein Körper vernarbt.

 

´´ Na Kathi? Komme ich dir jetzt endlich bekannt vor? Ich werde dich bluten lassen. Genauso wie du mich hast bluten lassen. Für jede Schnittwunde, die meinen Körper ziert, werde ich dir an derselben Stelle eine Schnittwunde verpassen. Ich werde dir die Wunden allerdings nicht so zufügen wie du es bei mir gemacht hast. ´´

 

 ,, Was willst du verdammt nochmal von mir? Ich kenne dich nicht! ´´

 

Katharina musste wirklich ganz stark nachdenken. Aber da fiel es ihr plötzlich wie Schuppen von den Augen.

 

, OH GOTT….MARC´´ stieß Katharina heraus.

 

,,Genau. Kathi du hast mir mein Leben genommen. Du hast mir meine Familie genommen und jetzt werde ich dir dein Leben nehmen. Deine Eltern deine Schwester und dein dämlicher Ex sind ja Gott sei Dank schon aus deinem Leben gestrichen. Die interessieren sich nicht mehr für dich. Bei deiner Chefin habe ich schon angerufen, als dein neuer besorgter Freund. Und deine Nachbarn glauben, dass du mit  mir im Liebesurlaub bist. Das war das reinste Kinderspiel. ´´

 

Marc hatte wirklich an alles gedacht. Tausend Gedanken schossen ihr durch den Kopf.

 

,, Marc es tut mir unendlich leid was damals passiert ist. Aber wir waren Kinder und hatten keine Ahnung was wir machen. Ich meine du warst dabei. Wir waren im Grunde beide Schuld an dem was passiert war. ´´

 

Doch Marc hörte nicht auf das, was Katharina von sich gab. Er hob das Messer auf und schnitt ihr damit beide Oberschenkel auf. Katharina schrie vor Schmerzen. Das Blut schoss aus den Wunden. Sie konnte die Schnittwunden nicht einmal abdrücken, da sie immer noch am Stuhl gefesselt war.

 

Marc trat hinter sie, drückte sie etwas von der Stuhllehne weg und ritzte viele kleine Schnitte in ihren Rücken. Katharina schrie und fing an zu weinen und zu flehen.

 

,, Bitte Marc, hör auf!  Wir können das doch bestimmt irgendwie anders regeln. Ich gehe zur Polizei, ich mache was du willst, aber bitte hör auf mich zu verletzen. ´´ Es interessierte ihn nicht. Er machte weiter und jetzt ging es an ihre Oberarme. Immer mehr und immer tiefere Wunden klafften an ihren Körper. Das Blut spritze gefühlt aus all ihren Poren.

 

,, Nein! ´´ schrie Marc

 

,, Ich werde so lange weiter machen, bis du so entstellt bist wie ich es bin. ´´

 

Als Marc seine, ersten Aggressionen freien Lauf gelassen hatte, warf er das Messer in die Ecke und ging aus der Tür. Er ließ sie allein und Katharina fing bitterlich an zu weinen. Durch das ganze Adrenalin und den starken Blutverlust wurde sie bewusstlos und ihr Unterbewusstsein fing an in ihr zu wühlen.

 

In ihr kam alles wieder hoch.

 

Plötzlich sprang die Tür wieder auf und Katharina zuckte hoch. Marc hatte einiges an Verbandsmaterial dabei. Er deckte alle Wunden ab und schaute ihr dabei tief in die Augen.

 

Eigentlich hatten die beiden früher immer den Plan zu heiraten.

 

Die beiden kannten sich von klein auf an. Jeden Tag verbrachten die zwei zusammen. Noch bevor sie zusammen in den Kindergarten kamen, verbrachten sie ihre Zeit miteinander. Entweder waren sie bei Marcs Eltern zuhause oder bei Katharinas Eltern. Die beiden Familien waren lange und sehr gut befreundet.

 

Bis zu jenem verhängnisvollen Tag.

 

Als Marc endlich alle Wunden versorgt hatte, stand er wieder vor ihr. Aber komischerweise war er nicht mehr so wütend wie noch vor einer Weile. Er war erstaunlicherweise sehr ruhig.

 

Er hatte eine Menge Fotos in der Hand, die er ihr alle vor die Nase hielt. Es waren Fotos von seiner und ihrer Familie. Sie kannte alle.

 

Sie versuchte Marc abzulenken und es gelang ihr für ein paar Minuten sehr gut. Sie unterhielten sich über die guten alten Zeiten.

 

Doch dann kam die Wut in ihm wieder hoch. Er zückte das Messer und nahm sich nur Katharinas Unterschenkel und Unterarme vor. Er nahm keine Rücksicht auf ihre Schreie und ihr Flehen.

 

,, Du wirst das alles so lange durchmachen bis du so aussiehst wie ich. Und bis du mir alles gestanden hast!´´

 

,, Aber Marc, du weißt doch was WIR getan haben. Wir waren es BEIDE. ´´

 

,,NEIN!!! Du hast das alleine getan. Du wolltest an dem Abend im Keller übernachten und ein Lagerfeuer machen. ´´

 

Katharina war sich sicher, dass die beiden das ganze Drama, welches sich ereignet hatte, gemeinsam getan haben. Aber dann dachte sie nach, über das was passiert war und wie sich das schlimme Ereignis zu getragen hatte.

 

Die beiden haben früher am liebsten kleine Buden gebaut. Am liebsten im Keller von Marcs Familie, weil es dort am gemütlichsten war.

 

An jenem denkwürdigen Abend war Katharina besonders aufgedreht und meinte ein Lagerfeuer machen zu wollen. Da die beiden aber wussten, dass sie nicht mit Feuer spielen durften, nahmen die zwei Kinder die Gasflasche. Das wäre sicherer. Das hatten sie schon so oft bei ihren Eltern beim Grillen gesehen.

 

,, Da braucht man nur die Flasche auf zu drehen und dann kommt das Feuer da einfach irgendwann raus´´, meinte Katharina damals zu Marc.

 

Marcs Eltern und sein kleiner Bruder schliefen schon längst. Seine Eltern hatten den beiden Kindern erlaubt, heute etwas länger auf zu bleiben. Aber als sie die Gasflasche aufgedreht hatten, passierte nichts. Nichts, außer das es irgendwann anfing komisch zu riechen.

 

Katharina erinnerte sich daran, dass sie damals vorgeschlagen hatte, vielleicht doch etwas Holz aus dem angrenzenden Wald zu holen.

 

Zuerst fand Marc die Idee, so spät nochmal raus zu gehen, gar nicht gut. Aber dann hatte sie ihn doch noch überzeugen können. Die beiden schlichen sich durch den Kellereingang nach draußen, bewaffnet mit ihren Taschenlampen und nur in Schlafanzug und Socken.

 

Was die beiden vergessen hatten war es, die Gasflasche wieder abzudrehen. Aber woher sollten die beiden das auch wissen?

 

Das Gas hatte begonnen sich langsam im Keller und im Erdgeschoss auszubreiten.

 

Als Marc und Katharina sich ein paar Stöcke gesucht hatten gingen sie zurück zum Haus. Marc sah dass oben im Schlafzimmer bereits Licht brannte.

 

Er rannte schnell zurück, wohingegen Katharina trödelte und noch nicht mal annähernd in der Nähe das Hauses war.

 

Die beiden Kinder und Marcs Eltern hatten immer ausgemacht, dass wenn sie hinunter in den Keller kamen, um mit ihnen etwas zu besprechen, mit einer Kerze herunter zu kommen. Und so passierte dann das Unglück.

 

Das ausgeströmte Gas und die Kerze in der Hand von Marcs Vater hatten eine Riesenexplosion zur Folge.

 

Der Keller, das Erdgeschoss und der erste Stock explodierten und aus den Fenstern flogen die Fensterscheiben in alle Himmelsrichtungen.

 

Marc stand genau vor dem Küchenfenster und die Glasscheiben und Splitter bohrten sich in seinen ganzen Körper. In seinem Oberkörper, in seine Arme und Beine und in sein Gesicht. Alles war voller Glasscherben.

 

Einen kurzen Moment hatte Marc ein dumpfes Gefühl auf den Ohren. Das dumpfe Gefühl wurde abgelöst durch ein unerträgliches Pfeifen.

 

Katharina beobachtet alles aus sicherer Entfernung und war entsetzt von dem, was sie da sah.

 

Sie rannte ihren Eltern entgegen, die von dem Knall aufgeschreckt wurden.

 

Sie erzählte ihren Eltern nur davon, dass sie und Marc draußen waren, als das Haus explodiert war. Als die Polizei und die Krankenwagen eintrafen war die Nacht hell erleuchtet.

 

Sie saß in Schockstarre, eingewickelt in einer Decke, draußen vor dem Haus ihrer Eltern. Viele Leute redeten auf sie ein. Aber sie konnte nichts sagen. Sie war fassungslos über das, was sie da grade gesehen hatte.

 

Nachdem das Feuer gelöscht war und alles wieder ruhig wurde, hörte Katharina ein Gespräch zwischen ihrer Mutter und einem Polizisten mit an, in dem es irgendwie darum ging, dass sie eine Familie für Marc finden müssten. Denn nach der gründlichen Untersuchungen des Hauses stellte die Polizei nur noch den Tod von Marcs Eltern und seinem kleinen Bruder fest.

 

Es war das Schlimmste, das sie je gehört hatte. War das wirklich die Wahrheit oder hatte sie sich das Ganze nur eingebildet?

 

War es jetzt wirklich so, dass Marc weg sollte und sie Schuld daran war, dass er jetzt keine Familie mehr hatte?

 

´´Ja, ja, ja verdammt! ´´, schrie Katharina Marc an.

 

,, Ja, ich war beziehungsweise, ich bin Schuld an dem was passiert ist. Und was willst du jetzt mit mir machen? Willst du mich umbringen? Dann mache es doch einfach. Schneide mir die Kehle auf und bring es einfach zu ende. Das ist doch das was du willst. ´´

 

,,Nein, Katharina. Ich werde dich doch nicht einfach umbringen. Das wäre zu einfach. Dann würdest du ja viel zu glimpflich davonkommen. ´´

 

Marc hatte Katharina jetzt genau da wo er sie haben wollte. Sie hatte alles gestanden, sie war verzweifelt und musste weinen. Kein lautes, verzweifeltest Weinen.

 

Nur ein leises schluchzen.

 

Was macht er jetzt mit mir, dachte sie? Sie hatte Angst was jetzt passieren würde. Musste sie jetzt mit ihrem Leben abschließen? Lief jetzt ihr Leben im Schnelldurchlauf an ihr vorbei? Doch bevor sie darüber nachdenken konnte, schmerzte es wieder in ihrem Oberschenkel. Dann in ihren Armen und dann im Bauch.

 

Der ganze Boden war Rot von dem vielen Blut, welches sie bereits verloren hatte. Wieder und wieder schossen ihr Schmerzen durch den Rücken.

 

Sie konnte das so nicht mehr lange aushalten, das wusste sie. Und Hilfe konnte sie auch nicht rufen. Sie waren irgendwo im nirgendwo. Dort draußen würde sie niemand hören. Hatte sie es vielleicht auch tatsächlich nicht anders verdient? Aber dann dachte Katharina wieder darüber nach, dass sie noch ein Kind war. Ein Kind von 8 Jahren. Und schließlich hatte Marc auch seinen Teil dazu beigetragen. Aber er war es auch, der seine gesamte Familie verloren hatte.

 

Sie saß nur noch halb auf dem Stuhl, da sie keine Kraft mehr hatte sich grade zu halten. Sie spürte nur noch den brennenden Schmerz der tiefen Schnittwunden an ihrem gesamten Körper.

 

,, So. Ich werde dich jetzt mit den Verletzungen alleine lassen. So wie ich damals alleine gelassen wurde. Keine Familie mehr. Genauso ist es jetzt auch bei dir. Vielleicht findet dich jemand. Vielleicht aber auch nicht. Aber das ist mir egal. So wie ich dir damals egal war. ´´

 

Marc ließ das Messer fallen und ging aus dem Bunker und schlug die schwere Tür hinter sich zu.

 

Katharina und  schwelgte in Erinnerungen.

 

Ich war nur ein Kind…

 

Es tut mir leid…

 

Über diese Gedanken schlief Katharina, durch den hohen Blutverlust ein.

 

  

 

 

 

 

 

  

 

  

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

3 thoughts on “Die schnittwunden

  1. Hallo Sabrina, Deine Geschichte hat mir gut gefallen. Schon der Anhang hat mich neugierig gemacht und die Geschichte blieb auch weiter spannend und interessant.

    Deine Geschichte enthält sehr viele Absätze, einige weniger würden der äußeren Form Deiner Geschichte gut tun.

    Das Drama das sich in Deiner Geschichte abspielt hat mich sehr gefesselt und schockiert. Genauso wie das Ende.

    Mein ♥️ hast Du!

    Vielleicht magst Du ja auch meine Geschichte “Stumme Wunden” lesen, das würde mich sehr freuen. 🌻🖤

    Liebe Grüße, Sarah! 👋🌻 (Instagram: liondoll)

    Link zu meiner Geschichte: https://wirschreibenzuhause.de/geschichten/stumme-wunden?fbclid=IwAR1jjPqPu0JDYk0CBrpqjJYN78PYopCEU1VGdqzCvgp7O4jnGKQSFdS6m6w

    1. Hallo liebe Sarah.
      OH bin ja völlig begeistert das du mir ein Kommentar da gelassen hast😍
      Es ist tatsächlich meine aller erste selbst geschrieben Geschichte und ich habe einfach drauf los geschrieben.
      Danke für dein Lob.
      LG sabrina
      PS. Mein ❤️ hast du auch👍

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