Lea SophieHoney

Ich fuhr von der Autobahn ab. Die Häuser rauschten an mir vorbei. Lichter aus den Fenstern der Gebäude strahlten in mein Gesicht, doch ich konnte meinen Blick nicht von der Straße wenden. Ich fuhr immer weiter und weiter. Ich konnte nicht stoppen. Eine Stimme flüsterte:

„Du hast James nicht verdient, er ist viel zu gut für dich. Verschwinde von hier, oder jeder erfährt von deinem kleinen Geheimnis, Honey. Fahr nach Hause und genieß die letzte ruhige Nacht mit ihm. Morgen wartet die große Enthüllung auf uns.“
Ich hatte keine andere Wahl, ich hatte nur diese eine Möglichkeit. Mein Herz raste. Ich zitterte am ganzen Körper und konnte nicht mehr richtig atmen. Tränen liefen mir über das Gesicht. Die Stimme wurde immer lauter und die Straßen verschwommen vor meinen Augen. Ich gab immer mehr Gas.

„Du verursachst so viel Schaden durch dein Verhalten. Du machst alles falsch, du bist nicht so perfekt wie du es vorspielst! Ich habe dich durchschaut.“

Ich konnte nicht mehr, ich schrie der Stimme entgegen:
„NEIN NEIN NEIN! Ich habe versucht meine Liebsten zu schützen! Ich bin kein Unmensch, ich weiß doch nur nicht weiter!“

„Halt an! Fahr nicht so schnell!“ schrie sie mir ins Ohr, doch es war zu spät.

Vor mir war ein Tunnel. Ich schaute mich um, ob weitere Autos in der Nähe waren. Leere, niemand auf den Straßen. Ich wollte nicht noch mehr Leute in das Unglück mitreißen. Wenn ich ihn nicht haben kann, dann keiner dachte ich in dem Moment, als ich das Lenkrad nach rechts zog und wir beide gegen die Mauer des Tunnels prallten.

 

Rückblick

Samstag. Ich ging einkaufen. Bananen, Kartoffeln, Joghurt und Salat standen auf dem Einkaufszettel, doch natürlich landete das Dreifache in meinen Einkaufskorb. Ach, ich konnte dem Schokoladenkuchen nicht widerstehen. Und auch der neue Erdbeerjoghurt hat mich einfach angelächelt. Wie immer reihten sich die Schlangen vor den Kassen im Supermarkt und ich ärgerte mich, warum ich ausgerechnet immer samstags um 12 Uhr einkaufen ging. Da ist es doch natürlich am vollsten in den Geschäften. Aber gut, nun war es zu spät und ich musste hier durch. Anderthalb Stunden später kam ich endlich nach Hause und packte meine Errungenschaften aus. James kam die Treppe herunter und lächelte mich an. „Na Honey, war es voll?“

Ich schmunzelte und antwortete: „Dreimal darfst du raten? Bitte verbiete mir das nächste Mal samstags mittags einkaufen zu gehen, ok? Bewahre mich vor diesem Unglück.“
Er kam auf mich zu, küsste mich auf die Stirn und sagte. „Wird notiert! Nicht samstags 12 Uhr einkaufen! Aye aye Madam!“

James ist mein Verlobter und ich liebe ihn über alles. Wir lernten uns nach der Schule kennen und waren seitdem unzertrennlich. Es war wie eine Liebesgeschichte aus dem Bilderbuch: Ich saß in der Bahn, hörte Musik und war so vertieft in meine Gedanken, dass ich meine Bahnstation fast verpasst hätte. Kurz bevor die Türen sich wieder schlossen sprang ich auf und rannte zur Tür. Geschafft! Doch draußen fiel mir auf, dass sich mein Rucksack noch in der Bahn befand. Ich schimpfte vor mich hin, während die Bahn vor meinen Augen wegfuhr. Ich rief bei der Bahn an und fragte nach Fundsachen. Zu meinem Unglück – oder Glück –wurde jedoch nichts gefunden. Ich hatte schon fast die Hoffnung meinen Rucksack wiederzubekommen aufgegeben, und wollte die nächsten Tage zum Rathaus und meine Unterlagen neu beantragen, als mir jemand auf Facebook eine Nachricht schrieb:

„Hallo Anna, ich bin James aus der Bahn am Mittwoch und habe deinen Rucksack gefunden. Ich hoffe du bist die richtige Person, die ich angeschrieben habe. Bitte melde dich! Liebe Grüße!“

Ich war so froh über diese Nachricht, dass ich direkt antwortete:

„Hallo James! Ich danke dir von ganzem Herzen! Können wir uns treffen, damit ich meinen Rucksack abholen kann?“

Noch am selben Tag hatten wir uns in Bonn mitten auf dem Marktplatz getroffen. Anfangs hatte ich natürlich ein komisches Gefühl mich mit einem Fremden zu treffen, doch an einem öffentlichen Platz sollte mir wohl nichts passieren. Ein junger Mann mit rotem Rucksack stand neben der Beethovenfigur und schaute sich nervös umher. Ich erkannte mein Gepäck sofort und ging auf ihn zu. Zuerst war es komisch, doch ich lud ihn auf ein Eis zum Dank ein. Von da an trafen wir uns immer öfter, bis wir letztendlich zusammenkamen. Später fanden wir sogar heraus, dass er ein paar meiner Freunde kannte, doch wir hatten uns selbst noch nie zuvor gesehen. Er war mein erster Freund und wird auch mein letzter sein. Letztes Jahr machte er mir zu unserem 8. Jahrestag einen Antrag und wir wollen so schnell wie möglich heiraten. Dieses Jahr wird es endlich soweit sein: Eine große Hochzeit mit vielen Gästen auf dem Petersberg. Ich freue mich schon sehr und bin total aufgeregt.

„Honey, hast du Lust heute Abend auf ein romantisches Kinodate?“

Ich überlegte kurz, ob ich für meine Arbeit alles fertig gemacht hatte.
„Gerne, aber ich muss noch kurz ein Dokument fertig erstellen und dann bestelle ich uns schnell noch etwas zu essen, dann können wir los.“
„Perfekt! Das passt gut, ich wollte sowieso noch kurz joggen gehen.“
Ich arbeite als Beraterin bei einer großen Wirtschaftsfirma und momentan steht ein großes Projekt an, da haben wir viel zu tun. Doch ich liebe meine Arbeit und vor allem mein Team! Schnell setzte ich mich an den Laptop und fertigte die Präsentation an.

Am Abend bestellten wir essen und aßen genüsslich bei Kerzenschein bevor wir in die Nachtvorstellung ins Kino fuhren. Auf dem Weg erzählte mir James von seinem Fußball Spiel letztes Wochenende. Ich war zwar dabei und feuerte ihn an, doch er ist immer noch so stolz auf den Sieg mit seiner Mannschaft, dass er mir nochmal alles ganz genau erzählen musste. Ich liebe seine Euphorie und seinen Ehrgeiz! Seine Augen strahlten immer so, wenn er von seinen Leidenschaften spricht, da wird mir ganz warm ums Herz ihn so glücklich zu sehen. Wir schauten uns „Das Schicksal ist ein mieser Verräter.“ an. Ich musste weinen, der Film ist so schön traurig. James nahm mich in den Arm. Hand in Hand verließen wir das Kino und fuhren nach Hause. Abends redeten wir noch über den Film, bis wir schließlich einschliefen.

 

Sonntag. Wir schliefen aus, Energie für die nächste Woche tanken. Um 11 Uhr wachte ich auf und ging in die Küche, Frühstück vorbereiten. James schlief noch. Ich fuhr zum Bäcker und brachte ihm das Essen ans Bett. Ich weckte ihn mit einem Kuss auf. Gemeinsam aßen wir im Bett und machten uns dann fertig für den Tag. Heute stand die Planung unserer Hochzeit an und am Nachmittag wollten uns unsere Freunde Alice und Porter besuchen. Alice kannte James schon seit Jahren. Sie gingen schon gemeinsam zur Grundschule. Porter lernte sie dann in ihrem Studium der Architektur kennen. Beide Männer spielen auch zusammen im selben Fußballteam, wo ich dann Alice kennengelernte. Wir beide sitzen immer auf der Zuschauerbank in der ersten Reihe, genießen die Sonne bei den Spielen und feuern unsere Männer an. Ich kann wunderbar mit ihr reden, sie ist eine tolle Freundin.

James und ich setzten uns gemeinsam aufs Sofa im Wohnzimmer und blätterten Hochzeitszeitungen durch. Wir suchten beide nach Anzug und Kleid für die standesamtliche und kirchliche Hochzeit.

„Es gibt einfach viel zu viel Auswahl, ich finde alles schön! Ich weiß nicht welchen Stil ich nehmen soll, ob Prinzessin oder Meerjungfrau-Schnitt. Lieber elegant oder doch mit mehr Glitzer?“
„Ach Honey, du siehst in allem bestimmt toll aus!“

„Das musst du jetzt auch sagen als mein zukünftiger Ehemann.“ schmunzelte ich auf seine Antwort hin. Ich freue mich schon auf seinen Blick, wenn ich zum Altar schreite. Das wird bestimmt sehr emotional.

Wir verbrachten den ganzen Tag mit Hochzeitszeitschriften bis es am Nachmittag an unserer Tür klingelte und Alice und Porter ankamen. Sie brachten einen selbstgebackenen Kuchen mit, den wir gemeinsam aßen. Ich war ein bisschen nervös, weil heute ein ganz besonderer Tag für mich war. Ich wollte Alice fragen, ob sie eine meiner Brautjungfern sein möchte. Das bedeutet mir viel und ich möchte es nur besonderen Personen anvertrauen. Sie ist die perfekte Person, sie kann gut organisieren und die Ruhe in stressigen Situationen bewahren. Vor allem aber kann sie mich beruhigen. Ich werde sehr aufgeregt sein und da brauche ich eine entspannte Person wie Alice an meiner Seite, die mich wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholt. Um sie zu fragen, habe ich ein Armband mit dem Schriftzug „Brautjungfer“ gebastelt.

Wir unterhielten uns über den Job, Fußball und alle möglichen anderen Themen. James und Porter gingen dann nach einiger Zeit nach draußen, weil James sich neue Felgen für unser Auto gekauft hat und Porter stolz präsentieren wollte. Alice und ich blieben drinnen, Autos sind zwar nützlich, um von A nach B zu kommen, mit der Technik und allem Drum und Dran kannte ich mich allerdings nicht aus – und genauso ging es Alice. Nun, da wir beide endlich alleine waren, war der ideale Moment gekommen, ich werde sie fragen. Während sie auf die Toilette ging, holte ich aus der Schublade unter der Küchenzeile die Schmuckschachtel heraus und versteckte sie hinter meinem Rücken. Als Alice zurück kam fragte ich: „Du, ich muss dich was fragen, dass liegt mir schon die ganze Zeit auf dem Herzen…“

„Oh je ist irgendwas passiert?“
„Nein alles gut, es ist was hoffentlich positives.“
Ich überreichte ihr die Schachtel, sie schaute erst sie und dann mich an.

„Ich habe doch gar nicht Geburtstag“ verblüfft hielt sie das Geschenk in der Hand.

„Nun mach schon auf du wirst es gleich verstehen!“

Vorsichtig öffnete Sie die Schachtel und fing an zu lachen. Ihr liefen Tränen über die Wangen. Freudentränen.

„Ja ich will“, sagte sie und wir beide brachen in ein vor Glück überschwängliches Kichern aus. Mir fiel ein Stein vom Herzen, nun kann die Planung für die Hochzeit weitergehen.

Wir redeten noch einige Zeit über die Hochzeit, bis Porter und James zurück nach drinnen kamen und sich unser befreundetes Pärchen langsam auf den Weg nach Hause machte.

Am Abend erzählte ich James aufgeregt über die positive Reaktion von Alice und James freute sich für mich.

„Na dann stehen die Brautjungfern ja schon mal fest, deine Arbeitskollegin und deine beste Freundin aus der Heimat hatten doch auch zugesagt, oder?“
„Ja genau! Ach, jetzt bin ich echt glücklich. Wieder ein Schritt näher an unserer Hochzeit.“

Den Abend verbrachten wir beide auf dem Sofa und schauten uns einen Film an, bis wir uns todmüde und mit letzter Kraft nach oben ins Bett schleppten.

 

Montag. Ich schaute aus dem Fenster. Es war noch dunkel draußen. 06:30. Ich stieg aus dem Bett und ging ins Bad, um mich fertig zu machen für den Tag. Duschen, Haare glätten, Schminken, Tabletten nehmen und schnell noch anziehen. Fertig. Ich nahm meine Tasche, küsste James, der gerade aufgestanden war, flüchtig zum Abschied und verließ das Haus.

Auf dem Weg zum Auto sah ich die Nachbarin in ihrem Garten die Pflanzen gießen. Sie schaute auf, winkte mir freundlich zu und rief gleichzeitig: „Morgen! Der Postbote hat letzte Woche ein Paket für dich bei mir abgegeben, ich bringe es heute Abend kurz vorbei.“

„Morgen Mia. Danke, dass passt super!“, rief ich zurück bevor ich ins Auto stieg und zur Arbeit fuhr.

Auf der Arbeit passierte nichts Besonderes. Ich arbeitete weiter an meinem Projekt und führte die neuen Arbeitskollegen im Unternehmen herum. Man spürte ihre Nervosität und Aufregung. Vor genau zwei Jahren war ich an ihrer Position und nun bin ich hier der alte Hase. Ich musste schmunzeln.

Am Ende des Arbeitstages fuhr ich zu Dr. Landgraff zu meiner nächsten Sitzung. Ich bin seit einem Jahr in Therapie und mir geht es schon viel besser wodurch ich kontrollierter mit meiner momentanen Situation umgehen kann.

„Guten Abend Anna! Wie geht es dir?“

Wir duzten uns mittlerweile, so oft wie ich schon bei ihm war und ihm mein Herz ausgeschüttet hatte. Es waren immer ups and downs aber momentan ging es mir sehr gut und ich konnte wieder nach vorne schauen. Durch ihn konnte ich meine Ängste und negativen Gedanken fast vollständig bewältigen.

Ich erzählte ihm von unseren neusten Hochzeitsideen und meiner Arbeit. Wir redeten eine Stunde lang, bis die Sitzung um war. Danach fühlte ich mich wie befreit, es tat immer gut mit jemandem über alles zu reden, ohne dass man Angst haben musste die Informationen könnten in falsche Hände geraten.

James wusste nicht, dass ich zur Therapie ging und ich wollte ihm damit auch keine Sorgen machen. Genauso wenig wissen Alice oder andere mir nahstehende Personen von meinem psychischen Zustand. Ich behalte das lieber für mich, ich möchte andere nicht mit meinen Problemen belasten und Dr. Landgraff ist ja für mich da.

Als ich nach Hause kam, standen Rosen auf dem Tisch und es roch lecker nach Pasta. James hatte gekocht. Wie romantisch! Ich ging in die Küche und begrüßte ihn mit meinem Kuss.

„Ich habe für uns gekocht. Chefkoch James zu Ihren Diensten.“

Ich lachte und küsste ihn erneut: „Danke, ich ziehe mich kurz um, dann können wir essen.“

Ich sprang die Treppen hoch und warf mir gemütliche Kleidung über, packte schnell die Tasche für morgen und ging wieder runter zu James. Dann klingelte es an der Tür. Bestimmt die Nachbarin, dachte ich während ich mich auf dem Weg zur Haustür machte und diese öffnete.

„Hallo Anna, entschuldige dass ich jetzt noch störe, aber ich hatte gesehen, dass eure beiden Autos vor der Tür standen und ihr somit zu Hause seid. Hier euer Paket.“

„Vielen Dank!“, sagte ich während ich das Paket entgegennahm.

„Ach ich hätte noch eine Bitte, ich habe so Kopfschmerzen aber meine Tabletten sind leer, hättest du vielleicht eine für mich damit ich heute Abend gut einschlafen kann?“

Ich überlegte kurz, und bat sie reinzukommen. Gemeinsam gingen wir ins Bad und ich reichte ihr eine Tablette und ein Glas Wasser. Während sie die Medikation nahm, brachte ich das Paket schnell ins Schlafzimmer und verstaute es im Kleiderschrank. James braucht nicht zu sehen, dass ich neue Medikamente bestellt hatte, ging mir durch den Kopf als ich nach einem idealen Versteck suchte. Doch bevor ich es weglegte fiel mir etwas am Paket auf. Es schien, als ob es bereits geöffnet wurde. Ach, das war bestimmt der Zoll zur Kontrolle das es keine illegalen Medikamente sind. Ich machte mir darum nicht länger Gedanken, denn auch Mia kam ins Zimmer herein.

„Vielen Dank nochmal, das rettet meinen Abend!“

Gemeinsam gingen wir die Treppe herunter und verabschiedeten uns. Kurze Zeit später rief auch James zum Essen. Es schmeckte köstlich und wir aßen und redeten den ganzen Abend lang. Es war wundervoll. Diese Momente zeigten mir wie glücklich ich mich schätzen konnte ihn an meiner Seite zu haben. Ich liebe ihn so sehr. Wir kuschelten noch den ganzen Abend und gingen dann schließlich ins Bett.

Ich schminkte mich ab und wollte gerade meine Tabletten nehmen, als mir plötzlich ein Gegenstand in meinem Badschrank ins Auge sprang, der in einem Badezimmer normalerweise nichts zu suchen hat. Mein Handy. Und vor allem warum liegt es im Schrank? Naja, manchmal ist man eben in Gedanken und vergisst Gegenstände an ungewöhnlichen Orten. Ich nahm das Handy aus dem Schrank und legte es in meine Tasche für morgen. Ich ging schlafen, James lag schon im Bett.

„Ich liebe dich Schatz“ flüsterte ich ihm ins Ohr.

„Ich dich auch Honey!“.

Es stürmte draußen, wodurch ich schlecht schlafen konnte. Die Bäume vor unserem Fenster schlugen mit ihren Blättern gegen die Scheiben und komische Schatten fielen in unser Schlafzimmer. Ich kuschelte mich näher an James.

 

Dienstag. Um 06:30 Uhr stand ich übermüdet auf, zog mich an, schminkte mich, nahm meine Tabletten und ging zur Arbeit. Auf der Arbeit packte ich wie immer meinen Laptop aus der Tasche und da fiel es mir auf: Zwei Handys. Warum sind zwei Handys in meiner Tasche? Habe ich ausversehen James Handy eingepackt? Ich legte beide Handys nebeneinander. Sie waren komplett identisch, gleiches Modell und Farbe. Ich schaltete beide ein, dasselbe Hintergrundbild war zu sehen. James und ich am Strand, wie wir uns anlachten. Es entstand letztes Jahr bei unserem Urlaub auf den Bahamas. Wundervolle Zeit. Ich bemerkte, dass eines der beiden Handys keinen Code besaß, während das andere sich durch meinen Fingerabdruck öffnen ließ. Ich wusste nun welches Handy meines war, aber was hat es mit dem anderen Gerät auf sich? Ich war verwirrt. Und so richtig wusste ich nicht wie ich mit der Situation umgehen sollte. Ich schaute mir das Handy noch eine Weile an. Außer dem Hintergrundbild waren keine Fotos und auch keine Kontakte abgespeichert, außer einer Nummer namens „Honey“. Das Kontaktbild war ein weiteres Foto von mir und James. Wir küssten uns. Mir wurde ganz schlecht. Sofort rief ich Dr. Landgraff an und bat um einen Termin. Die Sprechstundenhelferin wusste sofort, wenn ich so kurzfristig anrufe, dass ich wirklich Hilfe brauchte. Sie bat mich um 19Uhr in die Praxis zu kommen. 19Uhr wiederholte ich in meinem Kopf. Das sind noch 10 Stunden, die ich aushalten musste. Vor allem musste ich aber mit dem Projekt weiterkommen, doch meine Gedanken waren gerade überall aber nicht bei der Arbeit. Ich konnte nicht mehr klar denken. Was hat es mit dem Handy auf sich? Ich steigerte mich immer mehr in die Situation hinein und wurde panisch. Schnell lief ich auf die Toilette und nahm einen kühlen Schluck Wasser aus der Leitung. Ich hatte bei Dr. Landgraff gelernt mit solchen Situationen umzugehen. Ich musste einfach tief ein und ausatmen. Es war wichtig Ruhe zu bewahren, weil alles schon seinen Grund haben wird. Ich musste mich einfach nur beruhigen, dann würde alles wieder gut werden. Plötzlich ging die Tür hinter mir auf und eine Kollegin kam herein. Verwundert schaute sie mich an: „Ist alles okay bei dir? Du siehst so blass aus.“

„Ja alles gut, ich fühle mich nur nicht besonders wohl heute. Aber das geht auch gleich schon wieder weg. Danke dir.“

Ich verließ das Bad und ging wieder in mein Büro. Ich schloss die Augen und atmete noch ein paar Mal tief ein und aus bis ich das Gefühl hatte mich langsam wieder beruhigt zu haben. Panik macht die Situation nur schlimmer, ich muss mich konzentrieren und klar denken.

Ich legte das fremde Handy in meine Handtasche und schaltete meinen Laptop an. Ich musste jetzt arbeiten, nachdenken wird mich nicht weiterbringen.

Der Tag zog sich und wollte nicht vorbeigehen. Ständig kamen Arbeitskollegen auf mich zu und fragten mich inhaltliche Informationen über das Projekt. Ich stand jedoch neben mir und konnte keine klaren Antworten geben. Normalerweise bin ich immer total froh, wenn ich Kollegen helfen konnte. Jedoch war das heute nicht der Fall. Ich brauchte allgemein auch länger für Aufgaben und ertappte mich selbst dabei ständig an das Handy zu denken.

Dann war es endlich 18:30 Uhr und ich konnte mich auf den Weg zur Praxis machen. So schnell wie ich meine Tasche packte und aus dem Unternehmen stürmte, war ich noch nie. Es wurde langsam dunkel draußen und die Straßenlampen gingen an. Am Auto angekommen, schmiss ich meine Tasche auf den Beifahrersitz und fuhr davon. Auf das Autofahren konnte ich mich nicht konzentrieren, ich starrte zwar auf die Straße, aber meine Gedanken waren ganz woanders.

Ich fuhr und fuhr. Mein Weg führte auf einer Landstraße mit einer Baumallee entlang. Durch den Sturm in der Nacht lagen viele Äste auf der Straße und ich schaltete mein Fernlicht an, um besser sehen zu können. Doch dann lag da ein ziemlich großer Ast, an dem ich nicht vorbeifahren konnte. Ich blieb stehen. Was soll ich denn jetzt machen? Umdrehen bringt nichts ich wüsste keinen anderen Weg, um zu Dr. Landgraff zu kommen. Also stieg ich aus dem Auto und versuchte den Ast aus dem Weg zu räumen. Er war schwer, doch ich schaffte es ihn so zur Seite zu schieben, dass Autos vorbeifahren konnten. Warum passiert sowas ausgerechnet jetzt? Ich muss schnell zu meinem Termin. Ich habe das Gefühl ich werde noch verrückt. Ich stieg zurück ins Auto, das ich offengelassen hatte und fuhr weiter.

Auf einmal piepte es aus meiner Tasche, ich erschrak. Gott sei Dank war kein Fahrer hinter mir, denn ich bremste abrupt von 60 auf 30km/h ab. Ich kramte während des Autofahrens in meiner Tasche und fand mein Handy zuerst. Ich drückte auf den Home Button aber nur die Nachricht von James von vor einer Stunde war zu sehen: „Ich freue mich auf dich heute Abend!“. Es musste das andere Handy gewesen sein, das geklingelt hat. Mir wurde ganz schlecht. Was hat das nur alles zu bedeuten? Ich suchte es in meiner Tasche, doch konnte es vorerst nicht finden. Ich fuhr wie eine Betrunkene in leichten Schlangenlinien weiter. Ich wollte nicht stoppen, um keine Zeit zu verlieren. Nach einer gefühlten Ewigkeit fand ich es endlich. Ich traute mich kaum auf den Home Button zu drücken. Wo bin ich hier hineingeraten, ich meine es kann kein Zufall sein das ein Handy, das genauso aussieht wie meins in meinem Bad liegt neben meinen Tabletten. Und vor allem, dass es meinen Hintergrund hat.

Ich nahm allen Mut zusammen und schaute auf den Bildschirm. „Honey“ hatte eine Nachricht geschrieben.

„Hallo Honey, schön, dass wir zwei endlich Klartext reden können, ich habe so lange darauf gewartet.“

Ich fing an zu zittern, Tränen stiegen mir in die Augen und ich hörte Schreie. Meine Schreie. Ich hatte Angst, wahnsinnige Angst. Ich hyperventilierte und bekam kaum Luft. Ich hielt mitten auf der Straße an. Ich konnte nicht mehr weiterfahren. Ich will das nicht mehr, was habe ich getan?

Erneut piepte es. Ich wollte das Handy aus dem Fenster werfen und drüberfahren. Doch irgendwas in mir sagte, dass das Handy vielleicht auch die Lösung für die Situation sein könnte. Daher schaute ich erneut auf den Bildschirm, ich konnte die Nachricht kaum lesen so verschwommen waren meine Augen durch die Tränen.

„Honey was ist denn nur los? Fahr sofort weiter sonst wirst du es bereuen.“

Instinktiv ließ ich den Wagen an. Diese Person, die mir schreibt, muss mich beobachten. Aber warum bereuen? Was sollte das Ganze hier?

Dennoch fuhr ich langsam los, ich hatte Angst, dass Schlimmeres passieren könnte, wenn ich es nicht tat. Ich war leer. Mir liefen weiterhin Tränen über die Wange während ich versuchte gerade zu lenken. Ich fuhr 50 in einer 100 Zone. Aber ich konnte nicht schneller, schon bei der Geschwindigkeit wurde mir ganz schlecht. Ich war noch 15 Minuten von Dr. Landgraff entfernt, sollte ich weiterhin dahinfahren? Wo sollte ich hin?

Erneut piepte es und als ob die Person meine Gedanken lesen könnte, schrieb sie mir: „Fahr nicht zu Dr. Landgraff, Honey. Er wird dir nicht helfen. Wir sind heute nur zu zweit Baby.“

Zu zweit? Ich fuhr weiter geradeaus, kein Ziel vor Augen nur den Befehlen folgend, die mir die Person schrieb. Es fühlte sich nach einer ausweglosen Situation an. Aber warum bleibe ich nicht einfach stehen und steige aus? Warum werfe ich das Handy nicht einfach weg und rufe die Polizei?

DIE POLIZEI. Das war meine Rettung. Schnell suchte ich mein Handy auf dem Beifahrersitz. Gerade als ich mein Handy gefunden hatte und die Nummer wählen wollte hörte ich eine Hupe. Ich schaute in den Rückspiegel, um zu sehen ob ein Auto kam, doch ich konnte es nicht sehen. Dafür etwas anderes. Nein dafür jemand anderes. Ich schrie noch viel lauter und nahm die Beine vom Gas. Während das andere Auto hupend an mir vorbeifuhr, verlor ich den Verstand. Auf dem Rücksitz saß eine Person. Ich konnte sie nicht erkennen, denn sie trug eine schwarze Maske. Über den Augen und dem Mund waren Kreuze die Neon Rot aufleuchteten. Es schien fast, als ob mich die Maske anlächeln würde. Ich hörte nicht auf zu schreien. Die Person griff nach vorne und schloss den Wagen von innen ab. Natürlich konnte ich noch raus, aber was würde passieren, wenn ich es versuchen würde? Wie ist diese Person in mein Auto gekommen? Was will sie? Sie muss eingestiegen sein, als ich den Ast von der Straße entfernte. Warum bin ich auch so blöd und lasse den Wagen offenstehen?!

Das Handy piepte und eine neue Nachricht erschien: „Überraschung, du bist nicht alleine, Honey. Ich bin für dich da, mach dir keine Sorgen. Fahr einfach weiter! Ich muss mit dir reden.“
Ich tat was die Person mir befahl. Ich überlegte, ob das alles hier einfach ein schlechter Traum war. Vielleicht wache ich ja gleich auf und liege wieder neben James im Bett. Langsam fuhr ich den Wagen wieder an und wir fuhren immer weiter in den Wald hinein. Ich wusste nicht mehr wo ich mich befand oder wie ich mich weiter verhalten sollte.

 

19Uhr15 normalerweise säße ich jetzt bei Dr. Landgraff. Ich wischte mir die Tränen weg und schaute nochmal in den Rückspiegel, um mich zu versichern, dass diese Person hinter mir real war. Sie schaute mich mit ihrer Maske durchdringend an. Sie trug einen Pullover in schwarz, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Während ich zwischen Straße und Rückspiegel immer hin und herschaute, war es draußen stockdunkel geworden.

Die Person hielt in der einen Hand ein Handy und in der anderen Hand blitzte mich ein silberner Gegenstand an. Ich versuchte genauer hinzuschauen und erkannte es: Ein Messer. Diese verrückte Person will mich umbringen, ich fahre gerade in mein eigenes Grab! Ich fing an zu wimmern, mehr brachte ich nicht mehr raus, ich hatte meine Kraft verloren.

Eine neue Nachricht brachte mich aus meinen Gedanken.

„So jetzt wo wir uns beide kennenglernt haben, möchte ich ein Fragespiel mit dir spielen. Wenn du nicht antwortest weißt du was passieren wird.“ Ich schaute in den Rückspiegel und sah wie die Person hinter mir das Messer zwischen den Zeigefingern drehte. Ein erneutes piepen.

„Erste Frage: Wie geht es dir, Honey?“

Ironische Frage in dieser Situation, dachte ich. Ich blickte weiterhin auf die Straße und antwortete: „Ich habe verdammte Angst, was tust du mit mir? Wenn es um Geld geht kannst du es gerne haben, aber bitte lass mich die Jahre, die ich noch habe leben. Ich möchte nicht sterben.“ Den letzten Satz flüsterte ich nur noch.

Ich schaute in den Rückspiegel und sah die Person tippen. Sie trug Handschuhe und das Tippen dauerte daher länger.

Ich schrie die Person an: „Rede doch mit mir! Warum kommunizierst du mit mir über das Handy. Was ist mit deiner Stimme los?“

Ich war selbst erstaunt wo diese Kraft in mir her kam. Es piepte.

„Honey, sei nicht so vorlaut ich bin die Stärkere von uns beiden. Aber nun zurück zum Spiel. Wir wissen beide du bist nicht diese perfekte Frau, die du vorgibst zu sein. Erzähl mir mehr von deiner Therapie und deiner Krankheit.“

Mir blieb die Luft weg. Woher konnte diese Person von meinem Gesundheitszustand wissen?! Niemand wusste davon. Ich bog links ab, auf dem Straßenschild stand A3 Richtung Frankfurt. Ich fuhr immer weiter von meinem Haus, meinem Dorf und meiner Sicherheit davon. Wir befanden uns nun auf der Autobahn, ich fuhr ganz rechts 100km/h. Es war mir schon zu schnell, aber es ging nicht anders. Es waren nicht mehr viele Autos auf der Straße um diese Uhrzeit.

Moment mal, ich muss die Stimme der Person kennen, da sie sonst mit mir reden würde. Es muss jemand bekanntes sein. Ich muss die Person zum Reden bringen, ich brauche mehr Informationen, um aus dieser Situation herauszukommen. Mein Überlebenswille hatte eingesetzt. Ich spürte wie ich neue Kraft entwickelte. Ich wollte nicht aufgeben und bis jetzt atmete ich noch. Es ist nicht das erste Mal, das ich dem Tod ins Auge sah.

„Woher weißt du von meiner Krankheit?“, fragte ich die unbekannte Person.

Nach einigen Sekunden erhielt ich auch direkt die Antwort:
„Honey, ich stelle die Fragen. Nun erzähl mir alles.“

Bei der Geschwindigkeit war es für mich schwieriger die Nachrichten in einem durchzulesen. Zwischen Nachricht und Straße schaute ich immer hin und her.

„Wie du möchtest.“ Ich atmete tief durch.

„Meine Mutter starb vor einigen Jahren an Brustkrebs. Ich versank in einer Depression und habe die Welt nicht mehr verstanden.“

Mir kamen Bilder meiner Mutter in den Kopf, eine wunderschöne Frau war sie.

„Es war das Schlimmste für mich meine Mutter sterben zu sehen. Es hat mir den Boden unter den Füßen weggerissen.“

Für eine Minute war Stille im Auto. Gefühlt blieb die Zeit stehen. Dann piepte es erneut.

„Honey falls du jetzt denkst ich habe Mitleid mit dir kannst du das vergessen. Ich weiß, dass die Geschichte noch weiter geht, was hat es mit der Medizin auf sich?“
Ich schluckte nachdem ich die Nachricht las, ich bekam Gänsehaut, dass ich diese Person vermeintlich in mein Haus gelassen habe und Freund nannte.

„Ja du hast recht, zu all der Trauer und Frustration kam noch hinzu, dass ich selbst eine Verhärtung in meiner Brust fühlte. Ich traute mich nicht zum Arzt, zögerte es hinaus.“

Ich atmete tief durch, es fiel mir schwer darüber zu reden.

„Ich wusste, dass es nichts Gutes sein wird. Ich hatte es im Gefühl. Doch nachdem einige Zeit vergangen war, entschied ich mich dazu, wenigstens die Diagnose schwarz auf weiß zu haben und ging zum Arzt. Er machte bei mir einen Ultraschall und eine Mammografie-Untersuchung. Er stellte die Diagnose des metastasierten Brustkrebses fest. Ich wusste nicht mehr weiter, warum traf mich das Unglück direkt zweimal. Sofort war mir klar, dass ich mich nicht behandeln lassen wollte, ich wollte die Qual einer Chemotherapie oder einer Operation nicht durchmachen. Ich wollte mein Leben genießen bis es zu Ende ist.“

Vor meinem Auge spielten sich die Szenen beim Arzt ab. Es fühlte sich an, als ob ich es erneut durchleben müsste.

„Für mich war das ein Zeichen, ich wollte keine schmerzhafte Behandlung oder sonst was. Zudem wollte ich meiner Familie dieses Leid nicht erneut antun. Nicht zweimal diese schlimme Zeit. Also behielt ich all die Termine und Sprechstunden für mich. Es war nicht einfach, doch ich wollte das Bild der perfekten Frau, mit erfolgreichem Job, Ehemann und Leben aufrechterhalten. Ich weiß ich habe nicht mehr viele Jahre, aber ich möchte diese genießen bevor es vorbei ist.“

 

21Uhr. Wir fuhren eine Ewigkeit weiter bis endlich eine neue Nachricht kam. Doch dieses Mal auf meinem Handy. Ich blickte zu dem Beifahrersitz und sah, dass James mir geschrieben hatte „Wo bist du, ich mache mir Sorgen…“

Mein Herz schmerzte, ich wollte nach Hause zu ihm. Ihm alles erzählen.

„Wenn das hier eine Frage-Antwort Spielchen ist möchte ich dich auch was fragen. Warum machst du das mit mir?“

Ich schaute in den Rückspiegel und sah wie die Person aus dem Fenster schaute. Dabei rutschte ihre Kapuze ein bisschen zur Seite und eine blonde Haarsträhne kam zum Vorschein. Mir kamen sofort einige Namen von Bekannten mit blondem Haar in den Kopf. Während ich nachdachte, bemerkte die Person die Strähne und zog ihre Kapuze wieder tiefer ins Gesicht. Ich schaute schnell auf die Straße, damit sie meine Blicke nicht bemerkte.

Ich fragte mich, ob ich hier überhaupt lebend rauskommen würde. Warum will diese Person all die Informationen über mich. Eine blonde Frau aus meinem Freundeskreis will aus irgendeinen Grund Rache. Aber warum? Was habe ich getan? Oder was habe ich nicht getan? Was habe ich übersehen…

Auf einmal wurde es mir klar.

„ALICE! Du bist es!! Rede mit mir! Was willst du?“ Dieses blonde Haar konnte nur sie sein und auch wie sie schrieb. Das war ihr Stil.

Aber warum sollte sie sowas mit mir machen? Sie ist doch meine beste Freundin? Warum sollte sie mir was Böses antun?

Die Person hinter mir rückte auf den Mittelsitz, beugte sich zu mir und flüsterte mir ins Ohr:

„Bist du dir sicher?“

Ich hatte das Gefühl mich übergeben zu müssen und ich bekam Gänsehaut bei ihren Worten. War das Alice Stimme? Nein das kann nicht sein, dafür war sie zu dunkel. Alice hat eine viel sanftere Stimme. Aber wer dann? Wer könnte es sein? Die Stimme kam mir bekannt vor, doch mir wollte nicht einfallen wer diese Person ist.

Sie lachte künstlich, ihre Art lies mir einen Schauer über den Rücken laufen. Und auf einmal kam mir eine weitere Person in den Sinn, doch das konnte nicht sein. Ich kannte diese Person kaum. Meine Nachbarin Mia.

„Mia?“, fragte ich zögerlich. Und wieder fing die Person an zu lachen.

„Na endlich hast du das Rätsel gelöst. Natürlich bin ich es.“

Diese Information musste ich erstmal verdauen. Warum sie? Was soll das ganze? Ich kenne Mia doch gar nicht.

Verunsichert fragte ich: „Warum du?“

„Du verstehst es nicht, oder? Bist du blind? James und ich sind füreinander geschaffen und du stehst nur im Weg, Honey. Ich bin eine viel bessere Partnerin für ihn als du, ich bin nicht krank und kann mit ihm noch mein ganzes langes Leben teilen. James liebt dich nicht.“

Haben James und sie jemals ein Wort gewechselt? Woher weiß sie von meiner Krankheit?

„Warum weißt du von meiner Krankheit, wie hast du das rausbekommen?“

Ich konnte mir einfach nicht erklären woher sie all die Informationen hatte. Wie konnte sie so gut über mein Leben Bescheid wissen?

„Da wir beide ja gerade so ehrlich zueinander sind erzähle ich es dir Honey. Ich beobachte dich schon seit längerem, dich und dein allzu tolles Leben. Ich wusste das du nicht so perfekt sein kannst wie du es immer vorspielst. Deine Besuche bei Dr. Landgraff und im Krankenhaus alles habe ich mitbekommen. Und auch deine ständigen Lieferungen, die ich für euch annahm. Die Medikamente. Ich weiß alles. Ich kenne dich.“

Eine mir unbekannte Person kennt mein ganzes Leben, alles was ich mache und tue weiß sie. Und ich habe sie noch nicht mal richtig bemerkt. Wie kann sowas nicht auffallen?

Das Paket. Ich dachte der Zoll hat es geöffnet, aber nein. Sie war es. Sie durchsuchte meine Lieferungen, mein Leben. Ich hatte einen Stalker, ohne es zu bemerken. Eher gesagt wir, James und ich.

Sie hat auch das Handy in mein Bad gelegt als sie mir vorspielte Kopfschmerzen zu haben. Es ergibt plötzlich alles einen Sinn.

„Du hast das Handy in mein Bad gelegt und du hast im Dunkeln bei der Allee gewartet bis ich komme. Du wusstest, dass ich in so einer Situation Dr. Landgraff aufsuchen würde. Du hast das alles geplant. Du Psychopathin! Warum wartest du nicht ab bis ich tot bin? Dann steht dir doch niemand mehr in Weg!“, schrie ich sie an. Es machte mich wütend. Ich bin die einzige Frau an James Seite. Niemand wird meinen Platz einnehmen. Sie machte mich so sauer das ich immer schneller fuhr. Wer ist diese Frau überhaupt? Warum wusste ich nur so wenig über sie? Warum ist sie mir nie aufgefallen?

„Du bist nicht die perfekte Frau, die du vorgibst zu sein. Ich bin das! Das du aufgetaucht bist, hat mein Leben zerstört. Wärst du nicht in der Bahn gewesen, dann hättet ihr euch niemals kennengelernt und ich wäre nun an seiner Seite. Jahre habe ich darunter gelitten, aber die Hochzeit geht zu weit. Jetzt ist es an der Zeit den Spieß umzukehren. Bald wirst du ganz alleine dastehen, wenn ich James erstmal von deiner Krankheit erzählt habe. Er wird damit nicht klarkommen und sich von dir trennen. Das weißt du genauso gut wie ich. Ich habe all deine Aussagen aufgenommen, Honey.“

Genau das ist meine Befürchtung. Ich hatte Angst James zu verlieren. Sie traf mich mit ihren Worten voll ins Herz. Er war schon vollkommen fertig als meine Mutter starb. Wochenlang zog er sich zurück, redete kaum ein Wort. Er litt, und das genauso schlimm wie ich. Kaum vorzustellen wie schlimm es ihn treffen würde, wüsste er, dass ich an derselben Krankheit sterben werde. Er könnte mit diesem Schmerz nicht umgehen, und davor wollte ich ihn bewahren. Ich wollte ihn schützen. Bis es dann soweit ist und ich von ihm gehen werde.

Ich fing wieder an zu weinen. Mia nahm die Maske ab, zog sich die Handschuhe aus und öffnete die Jacke.

„Puh, ganz schön heiß hier drinnen, oder nicht? Da nun jetzt raus ist wer ich bin und was mein Ziel ist, erzähle ich dir von meinem Angebot. Du trennst dich von James und verschwindest aus der Stadt, dann werde ich ihm nichts von deinem kleinen Geheimnis erzählen. Ich werde dann in dieser schlimmen Zeit für ihn da sein und deinen Platz einnehmen.“

Sie drückte mir das Messer an den Hals, sodass ein kleiner Blutstropfen meine Hauptschlagader hinabrann. Ich wusste, dass ich keine Wahl hatte. Ich musste dem Angebot zustimmen, ansonsten wäre die Fahrt für mich vorbei. Doch haben meine letzten Jahre ohne James überhaupt noch einen Sinn? Will ich ohne ihn Leben?

Blitzschnell traf ich eine Entscheidung. Ich riss das Lenkrad herum. Das letzte was ich vor dem Aufprall hörte war Mias entsetzter Schrei.

 

2 thoughts on “Honey

  1. Wow! Zu Beginn dachte ich noch „hoffentlich ist diese suiziale Person hier Totkrank.“ nur dann kann ich wenigstens teilweise nachvollziehen, warum man sich selbst das Leben nimmt. Du hast wirklich spannend und total fließend geschrieben. Das lesen hat wirklich Spaß gemacht! Dran bleiben!:)

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