Jay-B.Mein wahres Gesicht

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Mein wahres Gesicht

Von Jay Bélier

 

Manchmal, wenn ich die kleine Seitenstraße entlang lief, hatte ich das beklemmende Gefühl schon einmal hier gewesen zu sein. Tausende Gedanken schossen mir durch den Kopf, doch ein dichter Schleier der Ungewissheit legte sich um all die Bilder, so dass alles was in meiner Vergangenheit lag, wie Nebel verpuffte. Wer war ich? Wer würde ich sein? Wie war mein früheres Ich? Ich wusste es nicht. Ich musste mir eine neue Identität erschaffen, noch einmal ganz von vorne anfangen. Etwas, das sich viele Menschen wünschten. Jeder würde gerne seine Fehler ungeschehen machen. Ich jedoch sehnte mich danach, meine Erinnerungen wieder zu finden. Ich musste erfahren, wer ich einst war. Gab es denn niemanden, der mich vermisste? War ich alleine oder hatte meine Familie, einfach genug von mir? Quälende Fragen, auf die ich eine Antwort suchte, jedoch verlor ich mit den Jahren die Hoffnung, je zu erfahren, wer ich einst war.

 ***

„Chris, sag nicht du jagst schon wieder Tagträumen hinterher?“

Ich zuckte zusammen, als die Worte meines Freundes mein Gehör fanden. Mein Blick wandte sich nach oben.

„Aaron…, verzeih ich war in Gedanken versunken.“

Ich musterte meinen Kumpel genauestens. Wie immer trug er rote Karohemden. Eine Tatsache, die mich innerlich schmunzeln ließ, denn die Farbe Rot stand ihm leider nicht im Geringsten. Doch egal wie oft ich versuchte, ihm zu erläutern, dass sein Outfit nicht harmonieren würde, es war ihm gleich. Für ihn zählte nur eines, dass es bequem war.

„Sag, was hat dich so sehr abgelenkt, dass du mich nicht einmal mitbekommen hast?“, fragte er und reichte mir einen Pappbecher mit heißen Kaffee. Dankend nahm ich das Getränk entgegen und starrte in die Ferne.

„Seit ich mein Gedächtnis verloren habe, ist die Welt um mich herum so fremd. Ich sehne mich nach etwas, auch wenn ich nicht weiß, um was es sich handelt. Immer wenn ich glaube, dass sich eine Erinnerung durch meine Gedanken zieht, ist sie so schnell verblasst, dass ich sie nicht einmal schaffe zu greifen. Es ist zum verrückt werden. Ich spüre doch, wie meine Vergangenheit mich einholen will und doch liegt ein dichter Schleier über meinem eigentlichen Ich“, seufzte ich leise vor mich hin, stellte den Becher neben mir auf die Bank und bettete mein Kinn auf meine Hände.

„Wer zum Teufel bin ich?“

„Ich weiß genau wer du bist!“

Aaron beugte sich mit dem Oberkörper über mich. Sein schwarzes lockiges Haar umspielte sein Antlitz. Er schenkte mir ein sanftes, warmes Lächeln, während seine himmelblauen Augen die meinen zu taxieren schienen. Mit ruhiger Stimme fuhr er fort.

„Du bist der liebste und freundlichste Mensch den ich kenne. Vom Wesen her bist du einmalig und stets gütig. Ich verstehe nicht, wieso du dir so viele Sorgen darüber machst wer du einst warst. Sei einfach der, der du jetzt bist und bleib dir selbst treu. Ah Mist, verdammter… Jetzt komme ich doch schon wieder zu spät. Chris, wir sehen uns heute Abend, ja?“

Kaum hatte er die letzten Worte erschrocken ausgerufen, rannte er über die Straße, ohne auch nur nach links oder rechts zu sehen.

`Aaron ist echt lebensmüde. Dabei arbeitet er doch gleich dort drüben! Also man kann es wirklich übertreiben, was die Pünktlichkeit angeht. Aber seine Worte waren irgendwie herzlich und aufmunternd. Doch stimmen sie auch? Mich frisst alleine der Gedanke daran auf, dass es vielleicht irgendwo jemanden gibt der mich vermisst, aber hätte sich die Person nicht auf den Zeugenaufruf gemeldet, den die Polizei gestartet hat? Irgendetwas sagt mir, dass ich etwas wichtiges vergessen habe, nur was?` 

Als ich meinen Blick durch die Gegend schweifen ließ, entdeckte ich eine Frau mit langem, blondem Haar, die immer wieder in meine Richtung blickte. Irgendwie verhielt sie sich merkwürdig. Ihr Handy hielt sie in der rechten Hand, auf Höhe ihrer Brust.

`Zum Telefonieren hält man ein Handy gewöhnlicher weise ans Ohr und wenn sie ein In-Ear-Kopfhörer nutzen würde, dann wäre ihr Handy in der Tasche. Nanu? War das gerade ein Blitz?`

Ein weiteres Mal schnellte ein grelles Licht in meine Richtung. Jetzt war ich mir sicher, dass diese Frau mich nicht nur beobachtete.

`Warum macht sie Fotos von mir? Kennt sie mich vielleicht? Ich muss es  wissen!`

Ich stand von der kleinen Parkbank auf, nahm meinen Kaffeebecher und setzte mich in Bewegung. Kaum ging ich auf sie zu, drehte sie sich weg und schritt eilig davon. So schnell mich meine Füße tragen konnten, lief ich die Straße entlang und folgte der jungen Frau. Immer wieder verlor ich sie aus den Augen. Nur ab und an erkannte ich mal ihr zu einem Dutt zusammengebundenes Haar oder aber ihren Minirock, der von Nieten zusammengehalten wurde. Mir war bewusst, dass ich sie nicht aus den Augen verlieren durfte, denn sie war vielleicht diejenige, auf die ich so lange gewartet hatte. Ich folgte ihr in eine weitere Gasse. Doch als ich mich hier genau umsah, bemerkte ich dass ich hier noch nie gewesen war.

`Hier sieht es ja aus… Die arme Frau. Nicht das ich sie hier hingetrieben habe und sie sich jetzt verläuft?`

Ich sorgte mich um die Dame, der ich so unbedacht gefolgt war. Was wäre wenn sie sich aus Angst einfach hier her zurückgezogen hatte? Noch nie zuvor war ich jemanden wie ein Irrer gefolgt und mir wurde in diesem Augenblick bewusst, dass ich auf andere wie ein wahnsinniger Stalker gewirkt haben musste. Ein plötzlicher Knall ließ mich erschrocken zusammenfahren. Ich sah mich um, doch weit und breit war niemand zu sehen. Ich rannte in die Richtung aus der das laute Geräusch gekommen war und machte mich darauf gefasst, dass es vermutlich einen Auffahrunfall gegeben haben musste, doch was ich dann zu sehen bekam, ließ mir das Blut in den Adern gefrieren.

„Oh mein Gott! Das ist doch nicht möglich!“, entfuhr es meinen bebenden Lippen. Die Frau die ich noch kurz zuvor verfolgt hatte, hing an den Händen aufgespießt an einem Zaun aus Holz. In ihrer Brust klaffte eine gewaltige Wunde, die ihr helles Oberteil mit Blut tränkte. Ihre Augen waren vor Schock weit aufgerissen. Blut perlte über ihre Lippen. Ihr blondes Haar, das eben noch ordentlich zusammengesteckt war, fiel nun locker gelöst über ihre Schultern. Von der Eleganz die sie zuvor noch ausstrahlte war nichts mehr vorhanden. Erst bei einem weiteren Blick sah ich, dass die Frau scheinbar missbraucht worden war, denn unter dem leicht schiefen Rock erkannte ich, dass etwas zwischen ihren Beinen steckte.

`Sie ist tot? Aber wie kann das sein? Ich hab sie doch keine fünf Minuten aus den Augen gelassen. Vielleicht sollte ich Hilfe holen? Andererseits, wer weiß wie die Bullen auf mich reagieren. Immerhin sieht hier alles nach einem schief gelaufenen Sexualdelikt aus und ich bin nun mal ein Mann, und auch noch am Tatort. Ich sollte abhauen und zwar so schnell wie möglich. Hier kann ich eh nichts mehr tun…`

Mein Blick wanderte nervös hin und her und blieb dann auf dem Handy haften, welches auf dem Boden, neben den Füßen der Toten, lag. Mir war bewusst, dass es ein Fehler war, das Gerät aufzuheben, doch ich tat es. Zu groß war meine Neugier, also wischte ich über das Display und sah plötzlich auf dem Bildschirm ein Foto von mir.

„Also doch! Sie hat mich wirklich Fotografiert“, überkam es irritiert meine Lippen. Entsetzt starrte ich das Gerät an, öffnete die Galerie, um zu sehen, ob da noch mehr war. Ich musste wissen, was das Opfer verbarg. Doch als ich weitere Bilder durchsah, stockte mir vor Entsetzen der Atem.

„Aber das bin ja ich und nach dem Zeitstempel zu urteilen, ist das genau vor vier Jahren gewesen. Was mache ich denn da? Oh mein Gott!“

Je weiter ich wischte, umso mehr Bilder sprangen auf, die mir nach und nach einen Mord zeigten, den ich ausgeführt haben musste. Bei weiterem sichten des Materials entdeckte ich einen jungen Mann, der ziemlich schlaksig wirkte.  Er hielt mich in seinen Armen und berührte mich unsittlich. Irritiert blätterte ich die Dateien immer weiter durch und fand sogar ein kleines Video.

`Soll ich das wirklich abspielen? All das, was ich bisher gesehen habe, zeigt mir ein vollkommen anderes Leben, als dass wie ich es jetzt führe. Ich bin kein Mörder. Das muss eine Verwechslung sein.`

Noch in Gedanken versunken, rutschte mein Zeigefinger auf den Pfeil und gab plötzlich das Video wieder. Ich hörte sinnliches stöhnen. Scham stieg in mir auf, als ich zusah, wie dieser Hänfling meinen Körper erkundete. Ich schluckte schwer, als ich mit ansehen musste, wie mein Körper auf die sanften Berührungen reagierte und die Hitze in meine Lenden stieg. Ich schaffte es nicht, das Video zu stoppen und starrte fassungslos den gesamten Akt an.

„Spencer, ich liebe dich!“, hörte ich meine Stimme flüstern, nachdem der Akt beendet war. Ich erhob mich vom Boden, schob das Handy in meine Hosentasche und spürte, wie sich der Stoff meiner Hose straff an meinen Schritt anlegte. Als ich nach unten blickte, fühlte ich wie meine Wangen kribbelten und eine unglaubliche Hitzewelle durch meinen Körper kroch. Mir war bewusst, dass ich gerade feuerrot anlief, doch ich hatte es auch nicht alle Tage, dass das Video eines homosexuellen Aktes meinen Körper so in Wallung versetzte, dass es sich äußerlich zeigte.

`Was hat das denn nun schon wieder zu bedeuten? Heißt das, dass ich schwul war? War dieser Spencer mein Geliebter oder nur eine schnelle Nummer zwischendurch? Und was hat die Tote mit all dem zu tun? Wieso hat sie Bilder von mir und wie kommt dieses Video in ihren Besitz? Ich muss herausfinden, wer ich bin und wer diese Frau war, die ich laut diesen Fotos ermordete? Was habe ich nur getan?`

 Noch einmal sah ich mich prüfend um. Ich durfte keine Spuren hinterlassen, denn eines war klar, all das hier machte mich mehr als nur verdächtig und diese Fotos auf dem Handy der Frau, zeigten nur noch deutlicher, was für ein Monster ich sein musste.

***

Auch Stunden nachdem ich den Tatort verlassen hatte, hatte ich das Gefühl beobachtet zu werden. Dabei hatte ich mich schon in den dunkelsten Gassen der Stadt versteckt, denn die Panik saß mir tief im Nacken. Was wenn man den Mord mit mir in Verbindung bringen würde? Konnte ich überhaupt noch nach Hause oder warteten dort bereits die Cops auf mich?

„Verdammt! Ich muss Heim. Abhauen ohne Kohle und Pass geht nicht. Außerdem wartet Aaron auf mich. Andererseits sollte ich ihn da raus halten. Nicht das er mich noch verpfeift“, brabbelte ich vor mich hin. Ich war mir unsicher, ob ich jemanden hatte, den ich Vertrauen konnte oder nicht. Ich schlich mich durch eine kleine Nebenstraße, blieb hinter einer Tonne stehen und lugte vorsichtig um die Ecke. Ich beobachtete den Verkehr, die ankommenden und abfahrenden Autos, selbst mein Blick in Richtung der Feuertreppe war scharf, denn ich kannte aus vielen Krimiserien, wie Polizisten vorgingen. Doch nichts. Ich richtete mich auf und wollte gerade weitergehen, als mich plötzlich etwas von Hinten an der Schulter berührte. Ich schrie erschrocken auf und fuhr blitzschnell herum. Aus Angst hatte ich meine Augen zusammen gekniffen, denn ich wollte nicht sehen, wie eine Mündung auf meinen Kopf gerichtet war.

`Die sind aber schnell. Na toll und was jetzt?`

„Ich ergebe mich. Hören sie ich war es nicht! Das will mir jemand in die Schuhe schieben!“

„Ey Mann, was quatschst du denn da für einen Blödsinn?“

Als ich die Stimme meines Freundes erkannte, schlug ich meine Lider auf und zwang mir ein Lächeln auf.

„Ach nichts. Ich wollte dich nur auf den Arm nehmen!“

„Dafür bin ich doch etwas zu schwer, Kleiner!“

Ja, Aaron hatte gut reden. Er war groß und kräftig gebaut. Manchmal beneidete ich diesen Adonis für seinen Körperbau. Andererseits war er einfach eine wahre Augenweide. Ich erinnerte mich an das Video. Mein Herz pochte wie wild gegen meinen Brustkorb. Es machte beinahe den Anschein, als würde es heraus springen wollen.

`Was soll das denn auf einmal. Wieso reagiert mein Körper plötzlich auf Aaron? Das liegt bestimmt an dem, was ich sah. Ja, er ist ein Mann und sieht noch dazu toll aus. Aber der gibt sich sicher nicht mit einem wie mir ab. Verdammt nochmal, könnte dieses verrückte Kopfkino endlich aufhören?`

„Wow…, du glühst ja richtig! Sag mal, kann es sein, dass du Fieber bekommen hast?“

Voller Sorge sah mir Aaron in die Augen. Mit der rechten Hand schob er den Ärmel seines Hemdes nach oben und legte kurz darauf seinen Unterarm an meine Stirn.

„Also Fieber hast du keines. Du solltest vielleicht wirklich mal wieder zu deinem Arzt. Erst wirst du leichenblass, dann bist du schreckhafter als sonst und nun läufst du knallrot an. Du siehst aus, wie eine überreife Tomate!“

„Oh je, solange ich noch keine Dellen habe und  zu faulen beginne, ist doch alles in Ordnung. Du machst dir viel zu viele Sorgen. Das ist nichts. Ich hab heute einfach nur zu wenig gegessen!“

„Du weißt schon, dass du ein schlechter Lügner bist, Chris? Zum einen werden deine Ohren immer rot, wenn du schwindelst, zum anderen hat mich heute eine Email erreicht, die mir etwas über dich verraten hat, mit der Drohung, dass ich mich von dir fern halten soll, da ich sonst meine eigenen Gedärme fressen werde!“

Geschockt starrte ich Aaron an. Was hatte all das zu bedeuten und warum wurde jetzt auch noch mein einziger Freund mit in diese Angelegenheit hineingezogen?

„Aber…“, stammelte ich und zuckte zusammen, als mein Gegenüber seine Hand auf meine Schulter legte. Er lächelte sanft und meinte mit ruhiger Stimme.

„Ich glaube nicht, dass du diesen Mord wirklich begangen hast, aber das Video scheint mir echt zu sein. Das erklärt auch, wieso du Claudia nie hinterher gaffst, so wie es die anderen machen. Ich meine dieser viel zu kurze Rock und die gewaltigen Möpse, da fahren doch fast alle Kerle drauf ab!“

Ich blickte verschüchtert auf und rieb mir den Hinterkopf.

„Naja, kann ja nicht jeder auf so etwas stehen. Du magst sowas doch auch nicht an einer Frau!“, stellte ich fest und wandte den Blick zur Seite.

„Du Triefnase… was denkst du wohl, warum ich keinen Weibern nachschaue? Ich steh nicht auf sie. Ich liebe Kerle. Versteh das jetzt nicht falsch, aber irgendwie fand ich es wirklich reizend, dich so in diesem Video zu sehen!“

Mir klappte das Kinn hinunter. Ich hatte ja mit vielem gerechnet, aber nicht damit, dass dieser Hüne schwul ist.

„Klapp`s Brett an, bevor Fliegen in deiner Gusche  landen.“

Er schenkte mir ein freches Lächeln und gab mir einen Klaps auf den Hintern.

„Lass uns jetzt erst einmal herausfinden, wer du bist und wer glaubt, dass er dich so unter Druck setzen kann.“

„Hör mal, die Bilder von denen du sprichst und das Video das du gesehen hast, habe ich von einem Handy, das neben einer toten Frau lag. Mir wurde keine Email gesendet. Ich habe diese Person verfolgt, weil ich das ungute Gefühl hatte, dass sie mich beobachten würde. Ich verlor sie aus den Augen und als ich sie wiederfand, war sie tot.“

Mit großen Augen starrte mich Aaron an. Er schüttelte den Kopf, knallte mir seine Hand auf den Mund und sah sich um, als sei er binnen Sekunden paranoid geworden.

„Sprich leiser oder willst du gleich ein Megafone. Ich kann dich auch gleich zur Wache bringen, wenn du das Ganze so laut rumposaunst.“

Ich sah mich in der Gasse um und hörte etwas rascheln. Ja, Aaron hatte Recht. Wenn ich das alles überstehen wollte, sollte ich über das was geschehen war, meine Klappe halten. Ich zuckte zusammen, als Aaron meine Hand packte und mich einfach mit sich zog. Er rannte mit mir über die Straße, hastete zu dem Gebäude, in dem sich meine kleine Wohnung befand und meinte:

„Pack nur das Nötigste. Du kommst mit zu mir!“

„Aber…“

„Nichts aber. Du steckst bis zum Hals in der Scheiße. Ganz ehrlich, du brauchst jemanden der klare Gedanken fassen kann und dich im Notfall beschützt. Alleine kommst du aus dem Mist nicht mehr heraus!“

Er hatte Recht. Ich hatte wirklich Probleme, denen ich alleine nicht gewachsen war. Dankbar nickte ich meinem Gegenüber entgegen und öffnete die Haustür.

„Ich warte hier. Beeil dich!“

Sofort rannte ich ins Haus, schlitterte über die Fließen des schmalen Flures und stoppte mit einem geräuschvollen Knall an meiner Tür.

„Aua…“, seufzte ich und rieb mir den Oberarm, der mit vollen Schwung gegen den Holzrahmen gestoßen war. Aus dem Augenwinkel heraus, erkannte ich einen weißen Umschlag der auf meiner Matte lag. Ich bückte mich nach unten, riss die Klebespur zügig auf und zog den Inhalt hervor.

„Was? …“

Ich betrachtete die Fotos, die Aaron zeigten, wie er sich eine Waffe in ein Holster steckte. Dabei war eine Notiz mit der Aufschrift `Sicher, das er nicht der ist, der dich töten will? Also ich würde ihm nicht trauen. Hau ab!`

Fassungslos starrte ich das Foto an. Konnte es sein, dass ich mich so sehr in meinem Freund irrte? War er der Mann der mich verfolgte? Hatte er den Mord an der Frau begangen? Zumindest würde das erklären, wie er mich in der Gasse aufspüren konnte, obwohl das nicht der übliche Heimweg von mir war. Zusätzlich erklärte es, dass er nichts hinterfragte, als ich den Mord erwähnte. Niemand würde einem einfach so helfen, wenn es um eine Leiche ging.

`Wer auch immer mir diese Nachricht zukommen lassen hat, er scheint mich schützen zu wollen. Aber wieso? Wie kann, innerhalb eines Tages, mein gesamtes Leben so zerstört werden und warum?`

Ich schloss meine Wohnungstür auf, huschte in meinen Flur und durchsuchte die Schubladen. Ich brauchte nicht viel. Wichtig waren nur Geld und Pass. Alles andere wäre auf der Flucht hinderlich. Ich lief in die kleine Küche, in der ich kaum Platz hatte, um mich auch nur zu wenden, nahm ein Glas und hielt es unter den Wasserhahn. Automatisch füllte sich das Gefäß mit dem kühlen Nass. Meine Kehle war durch das Gehetze durch die Stadt schon vollkommen ausgetrocknet. Ich setzte das Glas an und leerte die Erfrischung in einem Zug.

„Jetzt aber nichts wie weg!“

Ich steckte den Geldbeutel ein, lief ins Wohnzimmer und schlich mich auf den Balkon. Ich musste wissen, wo Aaron stand, denn in einer körperlichen Auseinandersetzung wäre ich ihm haushoch unterlegen. Es blieb mir nichts anderes übrig, als mich davon zu schleichen, doch das war mir nur möglich, wenn er sich noch am Hauseingang befand. Als ich bemerkte, dass er dabei war zu telefonieren und sich noch dort befand, wo er zurück geblieben war, entschied ich mich die Feuertreppe zu nehmen, um ihm zu entkommen.

***

Mittlerweile war die Nacht hereingebrochen. Der Mond stand hoch am Firmament und ließ einige der alten Bäume, die hier in der Allee standen, seltsame Schatten werfen. Jede Person, die an mir vorbei lief, jagte mir Angst ein. Schon ein seltsamer Blick genügte und ich ergriff die Flucht. Ich wusste nicht, wie viele Menschen in diesem Komplott mit drin steckten, wer Freund oder Feind war, mir war bewusst dass ich niemanden trauen konnte. Niemanden, außer mir selbst. Ich musste irgendwie herausfinden, was ich einst getan hatte. Ob die Bilder der Wahrheit entsprangen, oder ob sie gefälscht wurden. Ein weiteres Mal starrte mich ein Passant seltsam an, nahm sein Handy und wählte plötzlich eine Nummer. Sofort sprang ich auf und rannte fluchtartig, durch die enge Gasse, stieß einige Mülltonnen um und hastete humpelnd in ein Abrissgebäude um mich dort vor den Blicken anderer zu verstecken. Mein Atem überschlug sich, während es sich anfühlte, als würde sich meine Kehle zuschnüren. Mir war bewusst, dass ich nirgends mehr sicher sein würde, wenn ich nicht endlich aufklären konnte, was wirklich geschehen war.

„Wenn ich einen Mord begangen hätte, dann müssten doch irgendwelche Hinweise existieren. Ich muss mir die Bilder nochmal ansehen!“

Ich kramte das Handy aus meiner Tasche und starrte mir noch einmal jedes einzelne Foto an, dass den vermeintlichen Mord dokumentierte, doch egal wie lange ich die Hintergründe auch betrachtete, ich hatte nicht die geringste Ahnung, wo der Tatort gewesen war. Innerlich fluchte ich, denn durch das genaue Betrachten den Toten, wurde mir erst richtig bewusst, welch grauenhaftes Martyrium sie ertragen haben musste, bevor sie ihr Leben verlor.

„Oh mein Gott! Sie ist ja wörtlich vom Bauchnabel bis zur Nasenspitze aufgeschlitzt worden. Die arme Frau. Wer macht denn so etwas Grausames?“

„DU!“

Ich zuckte zusammen, als ich eine tiefe kratzige Stimme vernahm und wandte mich um. Ich sah einen schwarzen Anzug, angelegtes dunkles Haar und braune scheue Augen. Für einen Moment schluckte ich, denn ich erkannte diesen Fremden wieder.

„Sie sind der Mann aus dem Video?!“, stellte ich erschrocken fest und erinnerte mich an die Szenen des Filmes den ich gesehen hatte.

„Also irgendwie enttäuschst du mich! Mal ganz ehrlich, dass mit dem Gedächtnisverlust ist doch nur eine Masche, damit du nicht zu uns stehen musst und damit du dich nicht an deine Abmachung halten musst.“

Verunsichert sah ich den schlaksigen Kerl an und schob meine Hände in die Hosentaschen. Er wirkte für mich nicht bedrohlich. Mit ruhiger Stimme hackte ich nach.

„Was für eine Abmachung? Ich kenne sie nicht, aber sie scheinen mich zu kennen! Und das Wichtigste, wie kommen sie auf die absurde Idee, dass ich diese Frau getötet habe? Ich würde nie jemanden ein Leid zufügen!“

„Die Vereinbarung war, das ich dein Weib kille und du meines, damit wir zusammen sein können und vor allem vögeln können wann und wie wir wollen und nicht nur nach Terminkalender, aber nein, du killst meine Frau und deine war nicht daheim… Alter mein Erbe, du als mein Alibi… alles war futsch… Klar man konnte mir nie was nachweisen, aber du hast mein Leben ruiniert und dann den Schwanz eingezogen.“

Mit jedem Wort wurde er lauter, bis er mich am Ende vollkommen anbrüllte. Er packte mich an der Schulter, riss mich zu sich nach oben und presste mich an die Wand. Sofort wanderte seine Hand an meinem Schritt. Er rieb immer wieder über den Stoff meiner Hose und grinste, als er bemerkte, wie mein Atem schwerer wurde.

„Wusste ich es doch! Du empfindest nach wie vor noch was für mich. Auch wenn du angeblich nichts weißt, dein Körper erinnert sich.“

Zügig öffnete er meine Hose, schob seine Hand in meine Boxershort und packte grob meinen Phallus. Ich stöhnte leise auf, spürte wie eine innerliche Hitze meinen Körper durchflutete und grub meine Fingerspitzen in seine Schulter.

„Hör auf!“

„Wieso zierst du dich so? Du warst sonst nie so zimperlich!“, fragte der Mann, der aus meiner Vergangenheit kam, um mich zu finden. Ich legte meine Hände an seine Schultern und stieß ihn kraftvoll von mir weg.

„Ganz einfach. Ich kenne sie nicht und wer sagt mir, dass all das was sie sagen wahr ist? Zudem bin ich sicher nicht gewillt mit einem mir Fremden einfach so ein Schäferstündchen zu erleben. Also nehmen sie gefälligst ihre Pfoten weg.“

„Ach komm schon. Stell dich nicht an wie ein Mimöschen. Du warst noch nie ein Kind von Traurigkeit und hast auch nie etwas anbrennen lassen und jetzt willst du mir allen Ernstes sagen, dass das, was da gerade in meinen Händen lag, lügt?“

Ich bemerkte, wie er ungehemmt auf mich zukam. Seine Augen taxierten mich und hielten mich wie in einem Bann gefangen. Ich spürte wie sich seine Finger erneut um meine harten Tatsachen schlossen. Immer wieder fuhr er auf und ab. Innerlich wurde mir heiß. Ich lauschte dem Puls in meinem Ohr, der wild zu pochen schien.

„Und nun entspann dich. Ich nehme mir jetzt was ich will!“

Mit diesen Worten, zog mein Gegenüber den Stoff meiner Hose bis zu meinen Knöcheln hinab. Er blieb in der Hocke und betrachtete mich genau.

„Versteckst du den Stoff noch an der alten Stelle?“

„Was?“

Erst jetzt schaffte ich es wieder, einen klaren Gedanken zu fassen. Ich hob mein Knie und trat dem mir Fremden gegen sein Kinn, beugte mich fix nach unten und zog den Stoff meiner Hose wieder nach oben. Ich rannte einfach los. Mir war egal wohin. Hauptsache weg von diesem Mann.

„Du kannst den Pakt nicht brechen. Deine Vergangenheit wird dich einholen und glaube mir, du wirst darum betteln, dass ich dich wieder so richtig durchnehme und du weiter nicht nur mein Lover, sondern auch mein Kurier sein kannst. Dein Arsch gehört mir alleine!“

Seine wütenden Worte schallten durch die ganze Etage. Ich rannte immer weiter und versuchte meiner Vergangenheit zu entfliehen, doch egal wo ich auch hinrannte, es brachte nichts. Sein irres Lachen war überall zu hören.

`Was war ich nur für ein grauenhafter Mensch? Ich versteh das nicht? Wie konnte mir ein solcher Unfall passieren, dass ich alles vergaß und jetz,t nach all der Zeit, holt mich ein Leben ein, an das ich mich nicht im Geringsten erinnern kann.`

Ich versteckte mich hinter einem Betonpfeiler und äugte dahinter vor.

„Komm schon! Entweder du kommst freiwillig und machst gut was du verbockt hast, oder ich hab keine Verwendung mehr für dich! Ich bekomme an jeder Ecke ein williges Flittchen!“

Verwirrt sah ich zu Boden. Ich fragte mich, was das schon wieder zu bedeuten hatte. War er bereit mich zu töten, oder versuchte er mich so einzuschüchtern? Also wenn das sein Plan war, funktionierte es, denn ich hatte höllische Angst vor dem Kerl und davor zu was er noch fähig wäre.

Plötzlich hörte ich etwas Klacksen. Mir war schleierhaft was es war, doch es dauerte nicht lang, da hallte ein Schuss durch den Gang. Ich kauerte mich auf dem Boden zusammen, wippte panisch hin und her und biss mir auf die Unterlippe.

`Das ist ein Alptraum. Wo bin ich hier denn nur hineingeraten?`

Voller Angst sah ich wieder aus meinem Versteck hervor, als ich hörte, dass seine dumpfen Schritte verstummt waren. Dass dies ein Fehler war, bemerkte ich zu spät. Mein Gegner legte blitzschnell seine Hand an meinen Hals, riss mich zu sich nach oben und knallte mich mit voller Wucht gegen die Säule.

„Sag mal, willst du mich verarschen? Was zur Hölle ist aus dir geworden? Du warst mal einer der härtesten Kerle, hast Frauen und Kinder einfach als Bonus mit umgenietet und jetzt willst du mir sagen, dass du plötzlich Skrupel hast?“

„Ich weiß nicht wovon Sie sprechen!“, brüllte ich ihm entgegen, legte meine Hände um sein Handgelenk und versuchte mich aus seiner Umklammerung zu lösen, doch er war einfach zu stark.

„Ich sehe schon. Mit dir kann ich nichts mehr anfangen. Schade eigentlich!“

Kaum kamen diese Worte knurrend über seine Lippen, hob er seine rechte Hand in der sich die Waffe befand und richtete die Mündung auf mich.

„Warten Sie… Ich mache alles was sie wollen, nur bitte nehmen Sie die Waffe weg!“, bettelte ich und starrte ihn mit großen flehenden Augen an. Doch mein Kontrahent schüttelte nur mit dem Kopf.

„Nein, ich glaube nicht, dass ich dir noch vertrauen kann, oder was meinst du, Lou?“

„Never! Der Typ war ja nicht einmal in der Lage, meinen Körper zu betrachten, geschweige denn nachzusehen ob ich vielleicht noch Hilfe gebraucht hätte. Tja von meinem Ehemann hatte ich eigentlich was anderes erwartet, aber nicht dass er plötzlich so normal ist…“

Hinter einer kleinen Nische trat eine Frau hervor. Doch als ich sie genau betrachtete, stockte mir der Atem.

„Aber Sie sind doch tot?! Ich habe es doch gesehen! Das kann unmöglich sein!“

Vor mir stand die blonde Schönheit, die mich beobachtet hatte, jene Frau die ich in der Gasse tot aufgefunden hatte und nun war sie quiek lebendig hier und tischte mir auf das sie meine Ehefrau war? Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht.

„Sieh einer an. Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich je wiedersehen würde, Schatz! Ich meine, ich hatte dir den Schädel eingeschlagen, dich in unser Auto gesetzt und die Bremsen gelöst. Der LKW kam wie gerufen und hat alles weitere erledigt. Ich dachte echt ich wäre dich los!“

Fassungslos blickte ich in die eiskalten Augen der jungen Frau. Was hatte ich ihr getan, dass sie mich so sehr hasste?

„Ich versteh nicht ganz… Bevor ihr mich ermordet, würde ich gerne wissen, warum ihr so einen Groll gegen mich hegt?“, stammelte ich und sah mich suchend um. Ich musste doch eine Möglichkeit finden, wie ich meinem unausweichlichen Tod entkommen konnte.

„Tja, nachdem du meine Olle beseitigt hast, wollte ich dein Weib killen, doch sie war nicht da. Als ich sie gefunden hatte, warst du verschwunden. Du solltest mein Alibi sein. Du hast mich betrogen. So viel Kohle ist wegen dir verloren gegangen. Aus Wut über dein Fehlverhalten erzählte ich deiner Frau von dem Plan, wie du sie durch meine Hand loswerden wolltest, wodurch sie ihre Idee in die Tat umsetzte und dich ausschaltete. Du kannst dir vorstellen wie überrascht wir waren, als wir dein Bild in einem Zeugenaufruf gesehen haben, nicht wahr?“

„Das heißt sie sinnen auf Rache, weil ich ihnen das genommen habe, was sie offiziell auch wollten?“, stammelte ich fragend und entdeckte eine zweite Waffe bei Spencer, der mich nach wie vor mit festem Griff  gegen die Wand presste. Mir war bewusst, dass ich nur eine Möglichkeit hatte, diesem ganzen Spuk unbeschadet zu entkommen und diese Chance würde tödlich enden. Ich sah wie mein einstiger Lover die Sicherung der Waffe nach hinten klappte.

`Jetzt oder nie`, dachte ich bei mir, schob meine Hand unter sein Jackett und riss die Waffe aus dem Holster und drückte ab. Die Kugel bahnte sich ihren Weg durch den Stoff und traf die Frau, genau in den Brustkorb. So schnell wie möglich hob ich mein Knie an, trat Spencer in die Genitalien und spürte wie der Druck um meinen Hals nachließ. Ein Schuss löste sich und ein seltsames, brennendes Ziehen zog sich über meine Wange. Schon kurz darauf spürte ich, wie sich eine warme klebrige Spur, wie ein Film über meine blasse Haut legte. Ich fuhr mit meinen Fingerspitzen über die schmerzende Stelle und betrachtete meine Hand. Meine Finger waren blutverschmiert. Ein entsetzliches Pfeifen hallte in meinen Ohren. Immer wieder schüttelte ich den Kopf und blickte zu dem Mann, der zwischen meinem jetzigen und einstigen Leben stand.

`Er muss verschwinden!`

Ich war geschockt über meine Gedanken, andererseits konnte ich nur so mein gegenwärtiges Leben weiterführen. Um nichts in der Welt wollte ich das Leben als Chris aufgeben. Ich richtete die Mündung auf Spencer und sah wie er versuchte, nach hinten wegzukriechen.

„Das kommt mir irgendwie bekannt vor!“, brabbelte ich und sah plötzlich Fratzen von Menschen die ich noch nie zuvor gesehen hatte, doch eines hatten sie alle gemeinsam. Das letzte was sie sahen, war ich. Ich rieb mir mit der Hand über die Stirn. Ein entsetzlicher Schmerz füllte meinen Kopf aus.

„Du erinnerst dich, hab ich recht? Komm leg die Waffe weg. Wir starten noch einmal vollkommen neu durch!“

Spencer schien sich zu beruhigen, denn er wirkte plötzlich alles andere als ängstlich und das, obwohl ich noch immer meine Waffe auf ihn gerichtet hielt.

„Ja, ich erinnere mich, aber dieses Monster bin ich nicht mehr. Ich lebe ein schönes Leben und dem wird sich niemand in den Weg stellen.“

Ich entsicherte die Waffe, starrte Spencer mit einem kühlen Lächeln in die Augen und hörte wie die Kugel in die Trommel fiel.

„Es war eine wilde Zeit. Doch das ist vorbei. Fahr zur Hölle, Spencer!“

Mit diesen Worten verabschiedete ich mich von meinem einstigen Freund und drückte ab. Ein Knall hallte durch den Flur. Ich sah regungslos mit an, wie der Körper meines Kontrahenten auf den Boden fiel. Seine Muskeln krampften sich zusammen und er spukte schwallartig Blut. Plötzlich sprang die Tür auf.

„Chris… Chris… wo steckst du?“

Ich zuckte zusammen und wandte mich um, als ich die Stimme von Aaron hörte.

„Was machst du denn hier?“, überkam es meine Lippen und auch mein Freund schien genauso überrascht zu sein wie ich, denn er blieb mit einem Mal regungslos stehen. Sein Blick fiel auf die Leichen, deren Blut den Boden überzog.

„Was ist hier geschehen und wieso hast du eine Waffe in der Hand? Chris verdammt nochmal, warum bist du eigentlich abgehauen?“

In dem Moment fielen mir die Bilder wieder ein, die mir eine unbekannte Person geschickt hatte. Meine Erleichterung, wich dem Zorn und so richtete ich meine Waffe auf Aaron.

„Tja, lass mich mal überlegen. Ich bin abgehauen, weil ich erstens ein Foto bekam, auf denen zu sehen ist, wie du eine Waffe einsteckst und zweitens hab ich dich telefonieren sehen. Du gehörst zu denen. Gib es zu!“

Ich zitterte am ganzen Leib, denn ich war wütend darüber, dass ich nicht erkannt hatte, dass Aaron nur mit mir und meinen Gefühlen gespielt hatte. All die Jahre waren wir Freunde, doch das war eine Lüge.

„Was redest du denn da? Die Waffe steckte ich ein, nachdem ich diese Drohung erhalten habe. Es ist nur eine Schreckschusspistole, also fahr ein bisschen runter. Und der Anruf, dass war mein Bruder der Hilfe brauchte. Ich hab ihn abgewimmelt, mehr nicht!“

„Ach, und wie hast du mich hier gefunden? Na los, sag schon!“

Jetzt lachte Aaron herzhaft und machte einige Schritte auf mich zu.

„Ganz einfach. Als du plötzlich verschwunden warst, habe ich mir Sorgen gemacht und einen befreundeten Spezialisten angerufen, der dein Handy geortet hat. Ich bin also nur deiner Spur gefolgt. Ich beweise es dir…“

Als er plötzlich mit der Hand in seinen Mantel griff und ich etwas Dunkles sah, musste ich handeln. Es hieß er oder ich. Und ich hatte sicher nicht vor, dass zeitliche zu segnen. Ich lud meine Waffe durch und drückte ohne zu zögern ab. Als das Geschoss den kräftigen Körper von Aaron durchschlug, kamen nur noch röchelnde Laute aus seinem Mund hervor.

„Denkst du wirklich ich bin so blöd und lass mich von dir abknallen?“

Der Blick meines besten Freundes, war voller Panik. Sein Körper bebte unter den Schmerzen. Ich grinste ihn siegessicher  an, denn ich hatte meine Feinde alle besiegt. Ein plötzliches Surren riss meine Aufmerksamkeit auf sich. Ich blickte auf die Hand von Aaron und erschrak.

„Das ist einfach nicht möglich. Ich hab doch genau gesehen, dass du eine Waffe ziehen wolltest!“, haspelte ich und blickte fassungslos auf das Handy, das während seines letzten Atemzuges, auf den Boden fiel.  Ich hob es auf und blickte auf den Display.

„Unbekannte Nummer…“

Ich wischte nach oben und hielt mir das Handy ans Ohr.

„Tja, wie es scheint hast du dieses Mal gewonnen. Aber wie sagt man so schön, einmal Monster, immer Monster… Ach und eines noch. Der Kerl dessen Handy du gerade hast, war voll in dich verknallt und hat weder zu mir, noch zu den beiden anderen gehört. Er war unschuldig. Sein einziger Fehler, den er je begangen hat, war, sich in dich zu verlieben!“

Mit jenen Worten wurde das Gespräch beendet. Ich starrte fassungslos auf Aaron. Zu wissen, dass er mir nie etwas Böses wollte, dass er mich nur versuchte zu beschützen, ließ alle Dämme brechen. Ich sank zu Boden und bettete seinen blutüberströmten Oberkörper auf meine Schenkel. Ich presste mich an ihn und konnte nicht fassen, dass alles was ich mir aufgebaut hatte, zusammen mit einer wundervollen Zukunft, mit diesem wundervollen Mann, einfach verloren war. Ich hatte alles zerstört. Nur eines war gewiss… Meine Vergangenheit würde wieder zu meiner Zukunft werden und die Verantwortlichen müssten dafür bezahlen. Ich strich Aarons lockiges Haar zur Seite und blickte in seine starren himmelblauen Augen. Mir wurde schwer ums Herz. Immer mehr Tränen sammelten sich in meinen Augen und perlten über meine Wangen, bis sie auf seinen Lippen landeten. Verzweifelt hauchte ich ihm vereinzelte Küsse auf, doch es war zu spät. Er würde nie erfahren was ich empfand und wir würden niemals gemeinsam aufwachen. Sein Lachen war mit ihm verstummt. Ich hatte nur noch einen einzigen Wunsch und der war unerfüllbar.

„NEIIIIN!!! Komm zurück! Lass mich nicht allein!“

 

Ende

 

 

 

One thought on “Mein wahres Gesicht

  1. Lieber Unbekannter Autor,
    Schön, dass du dir für diese Geschichte Zeit genommen hast um sie uns hier zu präsentieren. Ebenfalls schön finde ich, wie du die homosexuelle Liebe zwischen Aaron & Chris beschrieben hast: so intim, so erotisch so wild. Das macht die Menschen damit auch nochmal vertraut – finde ich sehr gut! 🙂
    Das Ende kam sehr plötzlich und erhofft. Hättest du für meinen Geschmack ruhig noch etwas ausbauen können. 🙂
    Dran bleiben!

    Wenn du möchtest, lies doch mal meine Geschichte „was sich liebt das hackt sich“ würde mich riesig freuen!

    Herzlich – Lia 🌿

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