KyouSchwesterherz

Ich wache mit rasendem Herzen auf. Mein Bett ist komplett nass, weil ich wieder mal so extrem geschwitzt habe. Bei meinen Träumen auch kein Wunder. Und mein Therapeut meinte, dass wenn man vor dem Schlafen gehen an etwas positives denkt, die Träume auch gut seien. Fehlanzeige. Ich bin wohl eine Ausnahme. Ich frag mich sowieso was ich bin. 19 Jahre alt und habe noch nichts geschafft, außer den Schulabschluss. Nach der Zehnten bin ich in eine Psychiatrie gekommen, weil ich mir das Leben nehmen wollte. Das ist jetzt ein Jahr schon her, oder doch schon 2? Ich kann nicht mal sagen welches Jahr ist geschweige denn welcher Tag oder Monat. Seit jenem Tag weiß ich nur, dass wir Februar haben. In meinem Kopf ist es nur Februar. Es ist als würde ich nichts wissen außer diesem Monat. Ich fühle mich wie eine leere Hülle. Ich lebe eigentlich nicht mehr. Das ist nicht einmal gelogen. Ich sollte im Februar sterben.

Ich war in der zehnten Klasse des städtischen Gymnasiums. Es gab die Zeugnisse. Da ich die Schulsprecherin war musste ich eine Stunde früher als die anderen in der Schule sein. Noch dazu war ich die AG-Leitung des Organisationsclubs. Die Schule hatte diesen Club eingeführt damit sich die Schüler besser im Schulleben einbringen können. Es sei ja wie Ihr Berufsleben und jeder hat einen Job den er erledigen muss. Aber keiner konnte mir sagen warum ich gleich zwei hatte. Als wäre die Arbeit als Schulsprecherin nicht schon schwer genug. Auf jeden Fall war ich um Fünf Uhr früh schon in der Schule, weil ich so viele Aufgaben hatte. Ich musste unseren Schulsaal schmücken und die Zeugnisse begutachten, ob auch alles stimmt und bei den Neulingen musste ich sogar noch unterschreiben. Eine Aufgabe, die so unlogisch war, weil ich diese Leute nicht einmal kannte.

Es war um sechs Uhr als ich mit dem Großteil meiner Aufgaben fertig war. Mein Sportlehrer war der erste der ankam. Dieser Mann. Wenn ich mich jetzt so an ihn erinnere hasse ich ihn aber damals kannte ich sein wahres Gesicht nicht.

Ich war dabei im Saal die Girlanden aufzuhängen als dieser Mann zu mir kam. Mein Herz raste wie verrückt. Er war ein neuer Lehrer und kam am Anfang des Schuljahres. Er war mir nie ganz geheuer und dennoch fühlte ich mich so unheimlich wohl in seiner Nähe. Ich stand auf einer Leiter um die Girlande an der Decke zu befestigen. Da ich die Musik so laut hatte bekam ich es gar nicht mit wie er den Saal betrat. Ich stieg die Leiter herunter, drehte mich um und hatte auf einmal mein Kleid an meinem Körper. Er hielt es an mir um zu sehen ob es mir steht. Der einzige Kommentar, dass er mir ließ war sein Grinsen. Ich stand wie angewurzelt da. Hinter mir die Leiter und mein Kleid in der Hand. Er grinste mich an und verschwand. Ich war wie erstarrt. Mein Herz pumpte und in meinem Kopf blieb nur ein Satz zurück. „Er grinste mich an!“. Im selben Moment bekam ich Angst. Ich war verwirrt und meine innerliche Freude schlug in eine starke Angst um. Ich war mit diesem Mann alleine in diesen Schloss artigem Gebäude.

Es war um sieben Uhr als ich komplett fertig war mit allem. Auch meine Nerven lagen blank. Es ist in der ganzen Zeit, die wir alleine in diesem riesen Gebäude waren nichts mehr passiert. Ich war verwirrt und wusste ehrlich gesagt nicht wie ich damit umgehen sollte. Ich würde nachher auf der Bühne neben ihm stehen. Er würde mich anstarren, wie ich dort oben alleine in meinem Kleid stehe. Ich weiß nicht ob ich dem gerade gewachsen bin, nach der Sache.

 Dabei war dies nur der Anfang einer grausamen Geschichte.

Der Tag verging schnell. Um halb acht begann die Zeugnisvergabe und gegen dreizehn Uhr war es denn auch schon vorbei. Ich fragte mich für was ich den ganzen Saal geschmückt hatte. Richtig gesehen wurde es doch eh nicht. Es kam keiner zu mir und bedankte sich für diese Arbeit. Nicht einmal die Lehrer. Nach der ganzen „Feier“ musste ich das alles wieder abmachen. Als die meisten Schüler weg waren fing ich an. Ich machte die Musik wieder laut und stellte mich auf die Leiter um Die ganzen Girlanden ab zumachen. Ich musste alles was ich anbrachte wieder abmachen. Da fragte ich mich noch mehr wofür ich das alles machte. Aber irgendwie machte es ja doch Spaß. Es wurde schon dunkel als ich mit allem fertig war. Ich musste ja noch die ganzen Deko-Kisten  ins Lager tragen und den Saal fegen und wischen, weil einige mit ihrem Trinken kleckerten. Eine Qual diesen riesen Raum zu säubern und dann noch ganz allein. Ich verließ das Schulgelände um siebzehn Uhr. Einige Lehrer waren noch da weshalb ich diesmal nicht das Tor verschließen musste. Auf dem Weg nach Hause entschied ich mich durch den Park zu gehen, was wohl ein Fehler war, wie ich jetzt weiß. Es war zwar schon recht dunkel aber es war angenehm von der Temperatur her. Unsere „Winter“ sind ja keine Winter mehr sondern eher kältere Frühlinge. Ich lief den kleinen Weg entlang. rechts und links von mir waren große Wiesen mit vereinzelten Bäumen, die wohl im Sommer Schatten spenden sollen. Es war sehr übersichtlich. Ich war die einzige im Park gerade. Dachte ich erst bis ich diesen Mann auf der Bank sitzen sah. Ich ging an ihm vorbei und mich überkam ein kleiner Schauer, so als hätte mein Körper bereits gewusst was passieren würde. Ich lief weiter und plötzlich wurde ich festgehalten. Man hielt mir ein Messer an die Kehle und ich hörte wie man mir die Frage „Wo hast du das Handy?“ ins Ohr flüsterte. Ich konnte nichts sagen. Welches Handy meinte der Typ bloß. Ich selber hatte nicht mal eins. Jedenfalls diesen Tag nicht. Mein Handy war nämlich in der Reparatur gewesen und mein Ersatzhandy benutzte ich nicht einmal. Er drückte mir sein Messer leicht gegen meinen Hals. Wieder flüsterte er mir etwas in mein Ohr und diesmal bekam ich mehr Angst als ich schon hatte. „Ich will dir nicht wehtun, liebes.“. „Liebes“ so nannte mich nur eine einzige Person auf Erden. Ich fing heftig an zu weinen. Es war, als würde meine Welt zusammen brechen. Warum? Warum er? Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und fragte, was er für ein Handy meinte und das ich momentan gar keins besitze, was er doch wissen müsste. Immerhin war er der Grund weshalb meins kaputt ging. An das was darauf passierte kann ich mich nicht erinnern. Ich wachte in einem Lagerraum auf. Der Raum kam mir bekannt vor und doch wusste ich nicht wo ich mich befand. Ich lag auf einem großen Bett, meine Hände am Gitter des Bettes gefesselt. Ich hatte nur meinen BH an und bekam Angst. Ich rief nach ihm. Ich schrie so laut ich konnte doch er reagierte nicht. Erst nach langer Zeit kam er ins Zimmer. Nach genau zwei Stunden und achtzehn Minuten. Sicher wurde ich mir als ich auf die riesen Uhr über der Tür schaute. Diese Zeitspanne würde ich mein Leben nicht mehr vergessen. Er ließ mich immer exakt zwei Stunden und achtzehn Minuten warten, auch schon vor diesem Vorfall ließ er mich genau zwei Stunden und achtzehn Minuten warten. Aber daran erkannte ich, dass er es wirklich war. Mein Sportlehrer. Er kam in den Raum rein und ich find an zu weinen und fragte nur, warum er es macht. Was er möchte. Er würde doch so oder so alles von mir bekommen was er möchte. Und wenn ich meinen Abschluss gemacht habe wollten wir zusammen die Schule verlassen. Ich verstand das alles nicht. Er stand vor dem Bett und schaute mich an. Ich konnte nicht aufhören zu weinen. Er streichelte mir über mein Gesicht, beugte sich mit seinem Gesicht über meines und fragte wieder nach dem Handy. Ich wusste immer noch nicht was er meinte, was er wohl an meinem Gesichtsausdruck erkannte. „Du musst es doch haben. Ich hab dich doch damit weglaufen sehen.“ schrie er. Er meinte, dass er mich für meine Lügen bestrafen müsste und schlug mit einer Peitsche auf mich ein. Ich wurde wieder bewusstlos. Als ich wach wurde war es um zehn Uhr. Ob am Morgen oder am Abend kann ich nicht sagen. Ich habe nur ein kleines Fenster aber es so weit oben, dass ich nicht wirklich heraus schauen kann.

Die Tür öffnet sich und er kam mit einem Tablett herein. Er setzte sich zu mir auf das Bett und stellte das Tablett auf den Tisch, den ich bis jetzt nicht mal wahrgenommen habe. Er streichelte mir wieder über das Gesicht, gab mir einen Kuss auf die Stirn und entschuldigte sich für das was passiert. Er machte mir die Fesseln ab und versorgte die entstandenen Wunden. Ich sah ihn an wie er meine Wunden behandelte. Ich konnte meine Gedanken gar nicht wirklich sortieren. Mir liefen wieder Tränen über mein Gesicht und ich fragte ihn wieder warum er mir das antut. Und wieder bekam ich nur als Antwort, dass ich das Handy haben soll. Ich fragte welcher Tag ist und er meinte, dass die Ferien mittlerweile fast vorbei wären und er mich nur deshalb frei ließ. Er habe über eine Mail-Adresse meinen Eltern geschrieben, dass ich in der Schule einen Freund kennen lernte und ich bei ihm die Ferien verbringen würde. Naja, ganz falsch war es ja nicht. Er schenkte mir neue Anziehsachen und nachdem ich mich umzog fuhr er mich nach Hause. Ich wusste immer noch nicht wo ich mich die ganze Zeit aufhielt. Ich konnte nichts erkennen, alles war verschwommen. Bevor ich zu Hause ausstieg sagte er mit strenger Stimme, dass nichts passiert sei. Alles nahm ab da seinen alltäglichen Lauf wieder an. Die Schule begann und wir taten so als wäre nichts passiert. Am ersten Schultag nach den Ferien machte ich meinen Schulschrank auf und fand ein Handy. Sofort stiegen mir die Tränen in die Augen, denn ich konnte es mit meinem Gesicht entsperren und fand unzählige Bilder von mir in diesem Raum. Irgendjemand muss Fotos gemacht haben aber wer? Es waren doch nur wir beide dort. Ich suchte nach Anhaltspunkten und stieß dabei auf eine Nachricht von einer Unbekannten Nummer. Sie war mit dem Namen „Liebste“ eingespeichert. Dort stand „Wenn du jemanden etwas davon erzählst sind diese Bilder im Netz. Redest du mit IHM bist du tot. Schreibst du IHM einen Brief wird er sterben. Gehst du zur Polizei gehörst du mir und euch wird es nie gegeben haben.“

Mir stockte der Atem. Was sollte ich nur tun? Ich konnte nicht mehr klar denken. Ich stellte das Handy auf Werkseinstellung zurück und schmiss es in die Mülltonne der Schule.

Den ganzen Tag überlegte ich wer es in meinen Schrank packte und die Fotos schoss. Nach der Schule kam mein Sportlehrer auf mich zu und meinte, dass wir uns unterhalten müssten an unserem Stammplatz. Wir trafen uns in einem kleinen Raum. Das Büro der Schülersprecher. Es war wie eine Besenkammer. Ich bekam nur ein Schreibtisch, einen Stuhl und ein Sofa damit ich mir meine Beine hochlegen kann falls ich wieder mal so lange arbeiten musste. Als ich eintraf war er schon da. Ich ging rein und schloss die Tür hinter mir. Ich legte meine Sachen ab und blieb stehen, denn ich sah das Messer in seiner Hand. Das gleich von jenem Tag. Mein Herz raste wie verrückt. Ich kann nur nicht sagen ob es vor Aufregung, Angst oder wegen seinem Blick war der mich förmlich auszog. Obwohl wir uns schon lange insgeheim als Paar bezeichneten sind wir nie weiter als küssen und ausziehen gegangen. Vielleicht lag es an unserem offiziellen Verhältnis, vielleicht aber auch an meiner Hemmung vor nackten Körpern. Er kam mit dem Messer in der Hand immer näher. Umso näher er mir kam umso heftiger schlug mein Herz in der Brust. Er schmiss das Messer weg und stand nun vor mir. Er küsste meinen Hals und ging schrittweise höher bis zu meinem Ohr. Dort blieb er stehen und sagte, dass dieses Verlangen aufhören müsse. Er habe gesehen wie ich das Handy wegschmiss. Wir schauten uns an und ich erwiderte seine Gefühle. Es müsse aufhören. Er hat mir zu viel Angst gemacht in den letzten Tagen. Ich sagte ihm auch das was ich auf dem Handy fand und was für eine Nachricht hinterlassen war. Ich hatte Angst. Er trat weg und schlug heftig gegen die Wand und murmelte etwas vor sich hin. Ich verstand kein Wort, weshalb ich danach fragte. Er hob den Kopf, zog die Gardinen zu, kam zu mir und küsste mich so heftig wie ich es von ihm nicht kannte. Wir gingen zum Sofa und legten uns hin. Er legte beide Hände um meine Hüfte und wiederholte seinen Satz. „Dieses verdammte Weib. Sie kann mich nicht in Ruhe lassen.“ Ich warb verwirrt wen er damit meinte. Ich setzte mich und er nahm mich in den Arm. Er gab mir einen Kuss und war verschwunden. Die nächsten Tage kam er auch nicht zur Schule. Fünf Wochen später stand ein Mädchen vor dem Schultor. Ich kannte sie nicht. Ich ging zu ihr und fragte zu wem sie wolle und das noch keiner außer mir hier sei. Erst jetzt wo ich sie mir genauer ansah merkte ich, dass sie die gleichen Sachen trug wie er sie mir einmal schenkte. Und auch so sah sie mir sehr ähnlich. Sie schaute mich an und sagte, dass sie nur zu mir wolle. Wir gingen in das Büro der Schülersprecher. Das Messer von ihm lag immer noch auf dem Boden und mein Herz wog wieder schwer wie Blei. Ich legte meine Tasche auf das Sofa und setzte mich an meinen Schreibtisch und fragte das Mädchen wie sie heißt und was sie wolle. Sie holte eine Waffe aus ihrer Tasche und sagte, dass sie mir doch schrieb, dass ich nichts sagen solle und dass es jetzt mein Untergang bedeuten würde. Sie drückte ab. Aber sie traf nicht mich sondern schon hinter mir durch das Fenster. Vor Angst verschränkte ich meine Hände vor meinem Kopf. Sie fluchte und drückte nochmal ab und traf meine Schulter. Ich schrie vor Schmerzen. Ich rutschte vom Stuhl und lag nun unter dem Tisch. Was wohl mein Leben rettete. Denn unter dem Tisch befand sich der Notknopf, den ich drückte. Sie zog mir vor und schoss wieder und wieder aber nie auf tödliche Stellen. Die Polizei traf ein und ich war bewusstlos. Sie hatte so oft auf mich eingeschossen, dass ich dachte ich verblute. Das war wohl der Plan, denn als ich wach wurde lag ich im Krankenhaus ich hatte in meiner Hand einen Zettel. „Ich schaff es schon dich zu töten.“ war das einzige was dort drauf stand.

Nach dem Krankenhausaufenthalt ging ich wieder zur Schule, machte meinen Abschluss. Und am letzten Schultag traf ich ihn erst wieder. Meinen Sportlehrer. Er stand vor mir, nahm meine Hand und sagte nur, dass ich alles schrecklich Leid tut. Das letzte was ich von diesem Moment noch weiß ist der Satz „Ich dachte du wärst deine Schwester.“ Danach merkte ich einen heftigen Schmerz, der nicht nur im meinem Herzen war. Ich wachte in der Psychiatrie wieder auf, weil man mich von einer Brücke stürzen sah. Noch dazu wurden Drogen in meinem Blut gefunden. Ich saß einem Therapeuten gegenüber und das einzige was ich sagte war: „Wer bin ich? Wie heiße ich? Wo wohne ich? Und wo ist mein Lehrer?“

Und nun sitze ich in meinem Zimmer, mit der Klinge in der Hand und dem Verlangen zu ihm zu wollen.

2 thoughts on “Schwesterherz

  1. Da hat sich aber jemand bemüht. Ich lehne mich jetzt mal so weit aus dem Fenster und vermute, dass dieser jemand noch relativ jung ist?! 🙂
    Ich dachte das zumindest irgendwie rausgelesen zu haben. 🙂
    Dein Schreibstil lässt mich das so vermuten.. den kannst du auch noch etwas ausbauen und die Zusammenhänge etwas detailreicher gestalten, dann wird das! Einfach dran bleiben!:)

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