Jessica.DuenkerEtwas ganz Besonderes

Sarah und Luke hielten sich so fest umschlungen, dass sie es kaum die Treppe hoch schafften. Immer wieder stoppten sie, um sich stürmisch zu küssen. Jetzt gerade hatte er sie gegen die Wand des Treppenhauses gedrückt und sie nutzte die Chance, um mit ihren Händen den trainierten Oberkörper, der sich unter seinem Shirt verbarg, zu erkunden.

Sie hatten sich erst wenige Stunden zuvor in einer Bar kennengelernt. Sarah war sofort hin und weg gewesen von dem gutaussehenden, selbstbewussten Mann mit dem frechen Lächeln. Er hatte sie in Windeseile um seine Finger gewickelt – und mittlerweile auch verdammt heiß gemacht. Natürlich ging sie davon aus, dass es sich um einen One Night Stand handeln würde, aber das machte ihr nichts – auch wenn sie, so, wie es bisher lief, nichts gegen eine Wiederholung einzuwenden gehabt hätte. Und das Beste: Luke schien es ebenso zu gehen. Den ganzen Abend über hatte er seine Augen nicht von ihr lassen können. Irgendwann hatte das für seine Hände ganz genauso gegolten.

Schließlich hatten sie es tatsächlich noch angezogen bis nach oben geschafft. Sarah kannte die Gegend gut. Das Haus lag nur wenige Gehminuten von ihrer eigenen Wohnung entfernt und befand sich trotzdem in wesentlich besserer – und auch wesentlich teurerer – Lage. Wenn sie genauer darüber nachdachte, fand sie es ziemlich komisch, dass sie ihn noch nie zuvor gesehen hatte, wo sie doch beinahe Nachbarn waren. Andererseits machte sie sich gerade viel lieber Gedanken über seinen heißen Körper. Sie konnte es kaum erwarten, ihn endlich auf und vor allem in sich zu spüren.

Luke löste sich kurz von ihr, um einen ellenlangen Code an der schweren Sicherheitstür einzugeben, was sie allerdings nicht davon abhielt, ihn weiter fest umschlungen zu halten.

Wow, ganz schöne Festung …“, stellte sie trocken fest, während ihre Hände runter zu seinem Hintern wanderten.

Tja, ich habe eben gerne meine Privatsphäre“, wieder dieses verschlagene Grinsen, das sie ganz irre machte.

Tatsächlich?“, sie hob ungläubig eine Augenbraue. Als könnte er Gedankenlesen, setzte er gleich nach.

Ich mache so was eigentlich nie. Aber du bist eben etwas ganz Besonderes.“, Sarah konnte ihr Lachen kaum unterdrücken. War diese Klischee-Lüge sein Ernst?

Na, aber sicher doch …“, sie schüttelte grinsend den Kopf und betrat dann gemeinsam mit ihm den Flur.

Wow …“, Sarah war ehrlich beeindruckt. Die Wohnung war riesig und luxuriös eingerichtet.

Ja, ganz nett, nicht?“, hinter ihnen rastete die schwere Sicherheitstüre surrend wieder ein.

Ganz nett?! Das ist … der Wahnsinn …“, sie löste sich von ihm und sah sich um. Alles war stilvoll aufeinander abgestimmt und sah nicht gerade nach Junggesellenbude aus.

Also gefällt es dir hier?“

Ja, absolut! Du … bist nicht verheiratet oder …?“

Er lachte.

Nein. Noch nicht“, er zwinkerte ihr zu und sie musste ebenfalls wieder lachen.

Keine Sorge. Ich gehe auch mit dir ins Bett, wenn du mich nicht gleich heiratest.“, er stellte sich dicht hinter sie und schlang wieder seine Arme um ihren Körper.

Da mache ich mir absolut keine Sorgen …“, der Ton in seiner Stimme jagte ihr Schauer über den Rücken. „Aber für die Einrichtung bin ich nur halb verantwortlich. Ich habe sie bezahlt. Ausgesucht und eingerichtet hat das allerdings ein Profi für mich. Mir gehört die Wohnung erst seit knapp drei Monaten, aber ich war kaum hier drin … tatsächlich ist das mein erstes richtiges Wochenende hier. Und du bist die erste Frau, die ich mit her bringe.“

Sie drehte sich zu ihm.

Wirklich? Na … dann müssen wir sie gebührend einweihen“, sie zog ihn fest an sich und beide küssten sich erneut leidenschaftlich. Er war so ein guter Küsser, dass sie es kaum aushielt. Und er schien es ebenso zu genießen. Er drückte sie gegen eine schwere Kommode und wanderte endlich mit seinen Händen unter ihr Kleid. Sarah ließ sich nicht lange bitten und legte eins ihrer Beine um seine Hüfte, um ihn noch näher an sich zu drücken. Nun spürte sie ganz deutlich die Beule in seiner Hose. Langsam fuhr sie mit ihrer Hand zwischen seine Beine und fasste ihm zielsicher auf den Schwanz. Er fühlte sich so groß und hart an.

Jackpot …“

Er packte sie fest an der Hüfte und küsste sie immer fordernder. Genauso wollte sie es. Sie konnte es kaum erwarten, dass er sie endlich hart fickte.

Ich will dich“, keuchte sie leise.

Ich dich auch, Baby … so sehr …“, er küsste sie nochmal stürmisch, löste sich dann aber abrupt von ihr.

Aber … du weißt ja, Vorfreude ist die schönste Freude. Also, willst du was trinken?“, sein Grinsen machte sie fast fertig. War das sein Ernst?! Andererseits hatte er nicht Unrecht. Irgendwie zumindest.

Sie seufzte schließlich.

Wasser, bitte. Aber lass mich nicht zu lange warten. Irgendwann kann Vorfreude auch in Frustration umschlagen.“

Er lachte leise.

Oh ja, wem sagst du das… aber keine Sorge, ich lasse dich nicht mehr lange zappeln, versprochen. Mach es dir ruhig gemütlich.“, er verließ das riesige Wohnzimmer und sie versuchte, sich irgendwie zu sammeln. Vermutlich war es wirklich gar nicht schlecht, wenn sie ein bisschen runter kam. Immerhin war der Abend noch jung.

Sarah verdrängte also die Vorstellung von Lukes hartem Schwanz aus ihrem Kopf und sah sich genauer in dem Zimmer um. Überall an den Wänden hingen Fotografien – ziemlich gute sogar.

Bist du Fotograf?“, fragte sie laut, während sie eines der Fotos – es zeigte eine wunderschöne Landschaft, sie vermutete aus Island – genauer betrachtete.

Nicht wirklich. Ist aber eines meiner größten Hobbys.“, Sarah war immer beeindruckter von diesem Mann. Wo hatte er sich bloß all die Jahre versteckt?

Vielleicht ja doch mehr als ein One Night Stand …“ – nein, darüber wollte sie noch nicht nachdenken. Jetzt galt es erstmal, den Moment zu genießen.

Magst du was essen?“

Nein, danke!“ – sie wollte etwas ganz anderes.

Schließlich ließ sie sich auf dem wunderschönen Sofa fallen und ihr Blick fiel auf den Couchtisch. Darauf lagen zwei hochwertige Kameras, die für sie als Laie tatsächlich nach Profi-Ausrüstung aussahen, und einige ausgedruckte Fotografien. Sarah beugte sich interessiert vor, nahm eines der Fotos und erstarrte augenblicklich.

Was zum…?!“

Sie nahm den ganzen Stapel Bilder zitternd in die Hände.

Nein …“

Langsam sah sie die Fotos durch.

Nein!“

Dann immer schneller.

Nein! Nein! Nein!“

Ihr Herz raste. Sie konnte einfach nicht glauben, was auf jedem der Bilder zu sehen war.

Das … bin … ICH …“

Auf dem Weg zur Arbeit.

Vor Wochen gemeinsam mit einer Freundin.

Und noch früher gemeinsam mit ein paar Kollegen.

Aber am allerschlimmsten: Sie in ihrer Wohnung. Beim Essen. Beim Schlafen. Und beim Duschen.

Ihr wurde heiß und kalt und schlagartig kotzübel.

Das … kann … nicht sein … das …“

Sie ließ die Fotos zurück auf den Tisch fallen und stand wie ferngesteuert auf.

Nein, nein, nein …“, murmelte sie wie in Trance.

Hast du was gesagt, Süße?“, seine Stimme aus dem Nebenzimmer riss sie zurück in die Realität. Sarah wurde schwindelig. Hatte er sie beschattet? Seit Wochen?! Wer war er und was wollte er bloß von ihr? Ganz offensichtlich hatte er die Fotos auch noch extra so platziert, dass sie sie sah. Er wollte, dass sie es wusste … aber warum?! Sarah war nur eines klar: Etwas Gutes konnte das nicht bedeuten.

Scheiße … ich muss raus hier!“

Sie riss hektisch ihr Handy aus ihrer Tasche und wählte den Notruf, während sie langsam zurück zur Tür taumelte. Als sie sich das Handy ans Ohr drückte und ihre freie Hand endlich die Türklinke fand, wurden ihr schlagartig gleich zwei Dinge bewusst.

Die Tür ist verschlossen … und …“

Oh, der Empfang hier bei mir ist leider ein echtes Problem“, Luke stand mit zwei Gläsern Wasser wieder im Wohnzimmer. Auf einmal kam ihr sein Grinsen gar nicht mehr sexy vor, sondern nur noch verschlagen.

Ich … was … soll das?!“

Er stellte die Gläser auf dem Tisch ab, direkt neben den Fotos, und kam auf sie zu.

Baby, du bist auf einmal so bleich. Du solltest dich setzen und was trinken. Dann geht’s dir gleich besser.“, er streckte seine Hand nach ihr aus, aber sie schlug sie weg.

WAS SOLL DAS, LUKE?!“

Er grinste immer noch.

Hast du mich hier eingesperrt? Und was sollen diese Fotos?!“

Und immer noch.

Ich habe dir doch gesagt, dass du etwas ganz Besonderes für mich bist, mein Schatz. Das war nicht gelogen. Und jetzt bist du endlich hier …“

Sie presste sich fest gegen die Türe und rüttelte immer noch vergeblich an der Klinke. Fieberhaft überlegte sie, welche Zahlen er vorhin eingetippt hatte. Leider hatte sie sich in dem Moment nur auf seinen knackigen Hintern konzentriert.

Es war so schön, dich zu beobachten. Aber dieser Abend … der macht alles absolut perfekt …“

Ich gehe jetzt. Lass mich raus, sofort!“

Sonst was?“, seine Freude drehte ihr den Magen um.

Sonst … sonst … ja, was sonst?!“

Sie drehte sich um und hämmerte panisch gegen die schwere Türe.

Hilfe! HILFE! Bitte! Hört mich jemand?!“

Nein“, er blieb immer noch ganz ruhig. „Dich hört niemand, mein Schatz.“

Sie wirbelte wieder zu ihm herum. Das musste doch ein schlechter Scherz sein. Sicher filmte er sie und würde sie dann auf YouTube bloßstellen.

Bitte … Luke …“, er legte den Kopf leicht schief.

Was denn, mein Engel? Möchtest du doch etwas essen?“

Sie atmete angestrengt.

Bitte, das ist nicht witzig … ist das ein Scherz?“

Er schüttelte langsam den Kopf.

Und … was willst du denn dann von mir?“

Er legte seinen Kopf von einer auf die andere Seite.

Na ich will … dich …“

Mich …?!“, sie musste fast hysterisch lachen.

Scheiße, du hattest mich doch!“, nun sah er ein bisschen verwirrt aus.

Fuck, ich hätte alles mit dir gemacht! Ich war sowas von scharf auf dich! Wieso tust du mir das an?! Gott, ich hätte doch alles … ALLES getan!“

Er zuckte leicht mit den Schultern.

Oh, du wirst auch jetzt noch alles tun, glaub mir. Und abgesehen davon, mögen wir es eben, wenn ein bisschen Gegenwehr im Spiel ist. Das macht es doch viel spannender …“

Sarah starrte ihn fassungslos an. Sie hatte nur ein einziges Wort gehört.

WIR?!“

Sein Lächeln war zurück.

Wie aufs Kommando hörte sie plötzlich näher kommende Schritte aus der anderen Seite der Wohnung und kurz darauf tauchte ein weiterer Mann im Wohnzimmer auf. Sarah glaubte, gleich ohnmächtig zu werden.

Weißt du, du hast Recht, mein Schatz. Vorfreude ist etwas Wunderbares, aber man sollte es auch nicht überstrapazieren. Wir sollten also endlich anfangen.“

Sarah hörte kaum, was er sagte. Sie starrte nur zu dem anderen Mann, der wie aus dem Nichts aufgetaucht war und sie ebenfalls ansah. Er war – ähnlich wie Luke – sehr attraktiv. Wenn sie es genau nahm, war er fast schon zu schön. Er lächelte sie so charmant an, dass es ihr die Kehle zuschnürte.

Oh … Erinnerst du dich etwa?“

Das riss Sarah zurück in die Realität.

Erinnern?“

Nein, Chris …“, Luke schüttelte den Kopf. „Sie checkt es nicht. Immer noch nicht.“

Ich weiß nicht, ob ich das als Kompliment oder als Beleidigung verstehen soll.“, während Luke und der andere Mann – Chris – lachten, kam Sarah überhaupt nicht mehr mit.

Du hättest dir nicht mal einen Fake-Namen ausdenken müssen, Alex.“

Vermutlich nicht …“, Luke, der plötzlich nicht mehr Luke, sondern Alex war, sah sie eindringlich an. „Jetzt denk mal scharf nach.“

Sarah starrte von einem zum anderen. Ihre Gedanken überschlugen sich.

Chris … und Alex … Alex … und Chris …“, nein, das konnte doch einfach nicht wahr sein.

Christian Lehner und Alexander Braun?!“

Alex klatschte in die Hände.

Wow, es geschehen noch Zeichen und Wunder!“

Wieder lachten beide Männer, während Sarahs Verwirrung größer und größer wurde.

Wieso … sollte ich mich an euch erinnern?“, stammelte sie schließlich und brachte damit das Lachen der Männer abrupt zum Stoppen.

Was?!“, Alex spie ihr das Wort beinahe vor die Füße.

Ihr wart an meiner Schule, aber wir kannten uns doch kaum ….“, sie gewann etwas Selbstvertrauen zurück. „Zwei Schnösel, die schon damals dachten, dass man mit Geld alles kaufen kann und beleidigt waren, als es einmal nicht so war. Und ich soll mich an euch erinnern? Nein, ich habe keinen einzigen Gedanken in den letzten zwanzig Jahren an euch verschwendet.“

Für einen kurzen Moment glaubte sie, Alex würde ihr ins Gesicht springen. Aber dann fing er sich doch wieder und grinste sie an, auch wenn es ihr sehr aufgesetzt vorkam.

Du wirst dich an mich erinnern. Und du wirst mich nie wieder abweisen.“, er machte einen Schritt auf sie zu und schlug sie unvermittelt so hart ins Gesicht, dass sie auf den Boden geknallt wäre, wenn er sie nicht festgehalten hätte.

Machen wir es uns ein bisschen gemütlich“, er hob sie mit einem Ruck über seine Schulter.

Vor Sarahs Augen drehte sich alles. Sie konnte weder schreien, noch sich wehren. Als sie wieder halbwegs bei Sinnen war, hatte er sie bereits in ein anderes Zimmer bugsiert. Ein schreckliches Zimmer. Sarah sah sich panisch zu allen Seiten um. In der Mitte des Raums lag eine große Matratze mit einigen Fesseln. Ansonsten war der Raum ziemlich karg gehalten – aber er hatte eine ebenso schwere Sicherheitstüre, wie der Eingangsbereich, und genau die zog Chris nun hinter ihnen zu.

Nein! Ich will-“, Alex schlug sie wieder.

Es spielt überhaupt keine Rolle, was du willst, mein Schatz“, er schmiss sie auf die Matratze. „Aber das wirst du schon noch lernen.“

*

Sarah wusste nicht, wann genau sie das Bewusstsein verloren hatte, aber als sie zu sich kam, war sie beinahe überrascht, dass ihr Körper nur halb so sehr schmerzte, wie sie befürchtet hatte – und noch mehr darüber, dass sie überhaupt wieder aufgewacht war.

Ich … lebe noch …“, ihr fiel erst im zweiten Moment auf, dass sie nicht mehr auf der widerlichen Matratze lag, sondern aufrecht an einen Stuhl im Esszimmer gefesselt war. Der Tisch vor ihr war für drei Personen gedeckt. Auf dem Ceranfeld in der Mitte des Tisches brutzelte irgendwas in einer Pfanne vor sich hin. Sie konnte es nicht genau sehen, aber dem Geruch nach zu urteilen waren es Steaks. Das Besteck passte auch dazu. Sarah liebte Steaks, aber jetzt gerade drehte ihr der Geruch des blutigen Fleischs beinahe den Magen um.

Dass sie ihren Gedanken wohl laut ausgesprochen hatte, bemerkte sie erst, als Alex leise lachte.

Er setzte sich neben sie.

Hast du wirklich geglaubt, ich töte dich?“, er strich ihr so sanft ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht, dass sie ihm am liebsten vor die Füße gekotzt hätte. „Aber nein. Wir sind doch alte Freunde.“, ihr Blick sprach offenbar Bände, denn er lachte schon wieder.

Nein, wohl eher nicht. Aber wir werden noch Freunde, glaub mir. Viel mehr als das. Denn mit einer Sache habe ich nicht gelogen, mein Schatz“, dass er sie ständig „Schatz“ nannte, nervte Sarah mittlerweile mindestens genauso, wie sein verdammtes Gegrinse.

Du bist etwas Besonderes für mich. Das warst du schon immer.“, er atmete tief ein.

Als ich dich damals zum ersten Mal gesehen habe, wusste ich, dass ich dich haben muss. Aber du …“, etwas in seinem Ton veränderte sich, „du hast mich bloßgestellt. Vor allen.“

Bloßgestellt?! Weil ich mich nicht von dir habe kaufen lassen?!“ – wer hatte hier wen bloßgestellt?!

Alex schlug unvermittelt so hart mit der flachen Hand auf die Tischplatte, dass sie zusammenzuckte. „NIEMAND SAGT NEIN ZU MIR!“, er atmete erneut durch und wurde wieder ruhiger. „Siehst du, wozu du mich bringst? Aber wir sollten nicht streiten …“, er sah auf die Uhr. „Chris kommt bald zurück und ich möchte die Zeit vorher nutzen, um ein paar Dinge mit dir zu besprechen.“, Sarah fiel erst jetzt auf, dass Chris weg war. Vermisst hatte sie ihn sicher nicht.

Wie es weitergeht. Mit uns.“, die Art, wie er den letzten Teil betonte, jagte ihr Schauer über den Rücken – allerdings keine der guten Art.

Und was genau möchtest du besprechen? Wie oft du mich noch vergewaltigst, bis du mich tötest?“

Oh bitte. Ich habe dir doch schon gesagt, dass ich dich nicht töten werde. Im Gegenteil. Ich bin überzeugt, dass es noch ein Happy End für uns beide gibt.“

Jetzt hätte sie fast gelacht. Dummerweise war ihr selten zuvor so wenig zum Lachen zumute gewesen, wie in diesem Moment.

Auf einmal beugte Alex sich zu ihr.

Ich kenne dich. Ich weiß, wer du bist.“, obwohl sie offensichtlich alleine waren, sprach er so leise, dass selbst sie ihn kaum hören konnte. Aber sie verstand ihn – und fing nun tatsächlich an zu lachen. Auch wenn es kein fröhliches Lachen war.

Weil du mich gestalked hast? Nein! Du weißt nichts über mich. Absolut gar nichts!“

Er lehnte sich wieder zurück und griff nach einem Umschlag, der auf dem Platz neben ihm gelegen hatte. Sarah hatte ihn zuvor nicht gesehen, aber nun wedelte Alex fast schon übertrieben damit vor ihrem Gesicht herum.

Denkst du, die Fotos, die du gesehen hast, sind die Einzigen, die ich gemacht habe? Denkst du, das Foto von dir und deinen Kollegen war das Erste? Oh nein …“, er öffnete den Umschlag und zog ein gefaltetes Blatt heraus.

Das hier war das Erste.“, er klappte das Blatt auf und hielt es ihr hin, sodass Sarah das Bild sehen konnte. Es war ziemlich dunkel, aber es zeigte eindeutig eine Frau, die am Hafen stand, direkt am Wasser. Die Art, wie Sarah das Foto anstarrte, brachte ihn wieder zum Lachen.

Das … bin ich nicht …“, murmelte sie und sein Lachen wurde noch lauter, was sie nicht wunderte. Natürlich war sie das. Natürlich erkannte sie sich. Und vermutlich würde es ob ihres auffälligen Stylings auch jeder andere.

Dir ist klar, dass das nur ein Ausschnitt ist, nehme ich an. Und dass das nicht das einzige Bild ist, das ich in dieser Nacht gemacht habe“, er faltete das Blatt wieder zusammen.

Weißt du, ich war ziemlich angepisst an dem Abend. Da sitze ich nach Jahren das erste Mal wieder in der alten Bar und wer spaziert herein? Du. Die einzige Frau, die ich jemals wollte. Mir war direkt klar, dass du mich nicht erkennst… hast mich keines Blickes gewürdigt. Aber ich habe dich sofort wiedererkannt. Und dann verschwindest du genauso schnell, wie du gekommen bist, mit dem nächstbesten Loser. Mit Tommy Schmitt, dem kleinkriminellen Vollversager.“, er musterte ihren Blick ganz genau.

Überrascht, dass ich ihn kenne? Tja, du kannst dir vielleicht auch meine Überraschung vorstellen, als ich euch wutentbrannt gefolgt bin und feststellen musste, dass du gar nicht vorhattest, den armen Tommy zu vögeln. Ganz ehrlich, ich habe keine Ahnung, warum du ihn abgestochen hast. Er hat es sicher verdient.“

Ich … hab nicht …“

Wieder lachte er.

Oh, schön wär’s, wenn du es nicht getan hättest … versteh mich nicht falsch. Prinzipiell weine ich dem Arschloch keine Träne nach – und wohl auch sonst niemand. Ich denke, es ist bisher nicht mal irgendwem aufgefallen, dass er seit drei Monaten verschwunden ist. Das Problem ist nur, dass ich Tommy nicht zufällig kenne.“, er kam ihr wieder näher. „Tommy hatte Schulden bei mir. Sehr, sehr hohe Schulden. Schulden, aus denen du ihn dummerweise frühzeitig entlassen hast.“, seine Stimme bebte so sehr, dass sie sich kaum vorstellen mochte, wie hoch die Summe war.

Gott, ich war vielleicht sauer. Erst lässt du mich abblitzen und dann versenkst du einfach meine Kohle im Fluss. Ich bin dir gefolgt in dieser Nacht. Bis zu deiner Wohnung. Ich wollte dich töten. Gut, ficken und dann töten. Aber auf jeden Fall töten. Du hättest es verdient. Du HAST es verdient.“, er seufzte.
„Aber ich konnte nicht. Zwanzig Jahre habe ich dich nicht gesehen und dann sind von einem auf den anderen Moment all meine Gefühle für dich wieder hochgekommen. Kannst du dir vorstellen, wie zerrissen ich war? Ich wollte mich rächen. Dich bestrafen. Dir wehtun. Und trotzdem … wollte ich dich auch haben. Und dann kam mir die Idee! Wieso nicht beides miteinander kombinieren?“, er schien sich sehr über seine eigene Genialität zu freuen.

Ich habe begonnen, dich zu beobachten – so, wie ich es als Teenager gemacht habe. Naja, ein bisschen professioneller vielleicht. Mit ein wenig Hilfe von Chris war das überhaupt kein Problem. Ich dachte, wenn du mich wieder abblitzen lässt, wird er es schon richten. Aber gestern Abend hast du endlich nicht mehr nein zu mir gesagt.“, sie hörte genau, wie viel es ihm bedeutete, und war sich nicht sicher, ob sie das mehr belustigen oder beunruhigen sollte.

Zumindest zunächst nicht“, ihr Zynismus brachte ihn zum Grinsen.

Stimmt.“, er zwinkerte ihr zu. „Aber auch damit habe ich nicht gelogen: Ein bisschen Gegenwehr weiß ich mittlerweile durchaus zu schätzen. Du glaubst gar nicht, was einem alles durchgeht, wenn man es nur richtig anstellt. Obwohl … vielleicht weißt du es doch, wenn ich an Tommys modernde Wasserleiche denke …“

Sarah schüttelte den Kopf.

Alex, das ist … ein Missverständnis … du glaubst doch nicht wirklich, dass …“

Dass du eine kaltblütige Mörderin bist?“

Eine Mörderin …“, sie wurde schlagartig kreidebleich.

Aber nein, mein Schatz. Natürlich glaube ich das nicht. Ein Richter würde das aber wohl anders sehen. Also hast du doch gar keine große Wahl. Du kannst bei mir bleiben und es nett haben. Oder ich mache dir dein kleines Scheißleben zur Hölle. So oder so wirst du mich nicht mehr los.“, Sarah starrte zu Boden, während Alex es genoss, wie sie offensichtlich fieberhaft nach einem Weg suchte, um aus dieser Nummer herauszukommen.

Ich hab das nicht getan.“, stammelte sie schließlich.
„Das ist doch Schwachsinn … bitte …“, panisch schüttelte sie den Kopf und riss an ihren Handfesseln, die sich schmerzhaft in ihre Haut gruben.

Bitte … du … irrst dich …“

Alex stand auf und betrachtete sie für einen Moment fast mitleidig, wie sie immer panischer wurde.

Ich … das … kannst du nicht tun …“

Er beugte sich zu ihr runter und legte fest seine Arme um sie.

Natürlich kann ich, mein Schatz. Hab ich doch schon.“, er schmiegte seinen Kopf gegen ihren.

Bitte! Das ist ein Irrtum …“, sie begann zu weinen.

Shhh …“, er löste ihre Fesseln und zog sie noch fester an sich. „Mach dir keine Sorgen. Ich verpfeife dich nicht. Wenn du brav mitmachst, dann haben wir alle gewonnen“, Sarah versteifte sich unter seinem Griff.

Du … du irrst dich …“

Nein, mein Schatz. Ich weiß genau, was du getan hast. Und glaub mir: Ich habe mehr als genug Beweise dafür, dass du Tommy getötet hast.“

Nein …“, sie schüttelte langsam den Kopf. „Das meine ich nicht.“, Alex erkannte erst viel zu spät, dass sich etwas in ihrem Ton verändert hatte und sie nicht mehr weinte. „Du irrst dich mit etwas anderem.“

Hm?“, er löste sich ein bisschen von ihr und sie nutzte die Sekunde seiner Verwirrung, um nach der Pfanne zu greifen.

Ich bin eine kaltblütige Mörderin“, bevor er realisierte, was geschehen war, donnerte die schwere Pfanne gegen seine Schläfe und er krachte zu Boden.

Und ich werde dich wieder los.“, er war so benommen von dem Schlag, dass er zwar mitbekam, wie sie sich auf ihn setzte, aber das Steakmesser bemerkte er erst, als es sich tief in sein Fleisch bohrte.

Sarah beugte sich zu ihm herunter, während sie die scharfe Klinge ganz in ihm versenkte.

Tommy war nicht der erste Vergewaltiger, den ich getötet habe. Und du wirst nicht der Letzte sein. Trotzdem solltest du dich freuen“, sie küsste ihn sanft auf die Stirn, „jetzt werde ich mich an dich erinnern, versprochen.“, sie riss das Messer aus seiner Seite und rammte es in sein Auge.

*

Nachdem Alex tot war, blieb Sarah trotzdem noch einige Minuten auf ihm sitzen und genoss seinen Anblick. Normalerweise nahm sie sich gerne mehr Zeit dafür. Viel mehr. Aber wie bei Tommy hatten es auch bei Alex die Umstände kaum anders zugelassen. Zum Glück hatte sie ja immer noch Chris. Sie sah auf die Uhr und fragte sich, wie lange er sie wohl warten lassen würde. Die Steaks konnte er jedenfalls vergessen.

Dann blickte sie wieder runter in die blutige Fratze, die eben noch Alex Gesicht gewesen war. Bei dem Gedanken an Chris musste sie lächeln.

Vielleicht werde ich sein Gesicht verschonen …“

21 thoughts on “Etwas ganz Besonderes

  1. Ich konnte mich direkt in die Situation einfinden. Die Abläufe sind klar und vor allem das Ende hat mich sehr überrascht, sodass ich es ein paar Minuten sacken lassen musste. Dass Luke sich als Stalker entpuppt und dann auch noch Chris dazustößt – 2 ehemalige Mitschüler, denen sie nie Beachtung geschenkt hat, gefiel mir sehr gut. Am meisten aber, dass sie sich letztlich doch als Killerin herausgestellt hat. Eine wirklich gute Geschichte … gefällt mir !

  2. Toller Lesefluss und gut beschrieben, sodass man sich super in die Personen hinein versetzen kann. Tempo find ich super, nimmt schnell Fahrt auf und ist mega spannend.
    Ich liebe das überraschende Ende und musste es erst mal sacken lassen. Könnte man sicher in einen Buch super spannend aufziehen… Dann käme das Thema Fotos auch nicht so kurz.

    Und ich bin neugierig, was mit Chris passiert.

  3. *Achtung, Kommentar enthält womöglich Spoiler*

    Hallo liebe Jessica,

    deine Geschichte habe ich gleich mal als erste zum Lesen anvisiert und ich wurde definitiv nicht enttäuscht.

    Der Titel ist interessant. Er hat zumindest in mir eine gewisse Neugierde erweckt, weil man sich darunter einfach nichts vorstellen kann. Unter “Etwas ganz Besonderes” kann man sich einfach sehr vieles vorstellen. (für mich klang es im ersten Moment wie ein ganz besonderes Geschenk, zum Beispiel)

    Der Anfang zieht bereits hinein in das Geschehen, so etwas finde ich persönlich wichtig, so viel darum ‘Herumgerede’ finde ich, schreckt immer etwas ab und man findet nicht direkt in die Geschichte hinein. So ist das bei mir zumindest. Der Leser wird direkt in die Geschichte hinein geworfen und findet sich wie die dritte Person ein. Man ist der stille Beobachter, der alles unkommentiert mit ansieht und auch mit fühlt.

    Den Ablauf der Geschichte hast du wunderbar gestaltet. Am Anfang hatte ich wirklich Angst um Sarah, weil sie den Männern so ausgeliefert war. Und immer wieder beteuert hat, dass sie nichts Unrechtes getan hat (ich schreibe das jetzt einfach mal so, weil sie hat Luke / Alex ja immer mal wieder widersprochen, ehe sie gegen Ende die eigentliche Wahrheit gesagt hat). Lange habe ich sie in der Rolle des Opfers gesehen und auch darin geglaubt. Du hast die Spannung wunderbar aufgebaut und bis in den Höhepunkt getrieben. Ohne los zu lassen. Angefangen auch schon, als er die Tür hinter ihnen verschlossen hat. Da hat sich bereits der erste Tropfen Unbehagen in mir ausgebreitet.
    Ich hatte beim Lesen eine ziemliche Gänsehaut, aber auch eine gewisse Anspannung, die ich immer habe, wenn mich eine Geschichte fesselt. Und das hat deine definitiv. Die nahe zu dramatische Wendung hat mich einfach komplett aus den Socken gehauen.

    Der Lesefluss ist sehr angenehm. Mir sind auch beim Lesen keine Rechtschreibfehler aufgefallen, mit denen ich die Geschichte ‘kritisieren’ könnte. Es macht auf jeden Fall Spaß dein Werk zu lesen und mir ist es auch etwas schwer gefallen, aufzuhören.

    Das Ende lässt der Fantasie eines jeden Lesers freien Lauf. Man kann sich ausmalen, wie sie Chris gegenüber stehen wird, wie sie ihm ein jähes Ende setzen wird, oder ob sie vielleicht etwas ‘liebevoller’ bei ihm sein wird, als bei Luke.

    Du hast auf jeden Fall Talent.

  4. Wunderbar ausgewogen, die Fantasie schürend mit kurze, knappen Beschreibungen und aufgrund der scheinbaren Opferrolle von Sarah spannend bis zum Schluss. Den Titel finde ich persönlich sehr gut gewählt, denn Sarah ist auf eine makabere Art etwas sehr Besonderes.
    Gibt es irgendwo noch mehr von dir zu Lesen?
    Danke für deine tolle Geschichte.

  5. Hallo Jessica!

    Tolle Geschichte, sehr fesselnd! War mir eine Freude sie zu lesen. Sie ist so wie ich mir eine Kurzgeschichte vorstelle!

    LG, Florian

    PS. Solltest du Lust und Zeit haben, lasse ich dir den Link zu meiner Geschichte hier. Würde mich sehr freuen, wenn du sie lesen und mir vlt einen Kommentar hinterlassen würdest. Und ganz besonders würde ich mich freuen, wenn dir die Geschichte so gefällt, dass sogar ein Like drin ist 😉 Mein Like hast du!

    https://wirschreibenzuhause.de/geschichten/schach-matt

  6. Liebe Jessica,

    was für eine tolle Geschichte. Schon der Anfang hat mich in den Bann gezogen. Ich war neugierig wie diese (Sex-)Geschichte zum Thriller wird. Es wurde mir unheimlich, als Sarah in der vermeidlichen Falle saß.
    Die Parameter sind (bis auf das Handy) sehr gut umgesetzt.
    Du schreibst flüssig und sehr bildhaft, man kann si h total in die Protagonistin hineinversetzen, das ist mir sehr wichtig.
    Bin schon neugierig auf deine andere Geschichte,.

    Liebe Grüße Monika (Ende Gut?)
    Würde mich freuen, wenn du auch Zeit und Lust hättest meine Geschichte zu lesen.

  7. Wahnsinn! Ich versteh gar nicht, warum diese tolle Story nicht mindestens doppelt so viele Herzchen hat😱. Der heiße Anfang hat mich sofort gepackt, total mein Geschmack!!! Wenn du meine Geschichte lesen solltest, kannst du dir eventuell denken, dass ich auch gern in diese Richtung tendiere beim Schreiben, okay diesmal hab ich mich mehr zurückgehalten, was mich im Nachhinein fast etwas ärgert, jetzt da ich deine Geschichte gelesen habe. Ich mag diesen direkten, boshaften Stil. Ich mag Sarah als Typ und deinen ganzen Schreibstil an sich. Wie wichtig die Figur des Chris ist, sei dahingestellt, meiner Meinung nach hättest du den auch einsparen können, aber das ich Geschmackssache. Ich gratulieren dir zu dieser gelungenen Geschichte und würde mich freuen, wenn du meine such lesen würdest.
    LG Ver-G

    https://wirschreibenzuhause.de/geschichten/wegen-mir

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