Christin RattayKein Entkommen

 

Kein Entkommen

 

1.      10. Mai, 21.30Uhr

 

Sven war auf dem Weg zum vereinbarten Treffpunkt. In einer halben Stunde war es soweit. Treffpunkt ist eine alte Hütte im Wald am Rande der Stadt. Es war eine schlechte Idee gewesen niemandem davon zu erzählen, aber jetzt konnte er auch nichts mehr daran ändern. Etwa eine halbe Stunde später erreichte er die Hütte. Sie war von großen, alten Kiefern umzingelt und man sah ihr das Alter an. Die Bretter waren morsch und sahen so aus, als würden sie jeden Moment nachgeben. Wäre da nicht das Licht, welches aus den Fenstern schien und der Rauch, der aus dem Kamin quoll, hätte man nicht vermutet, dass dort jemand lebte. Nach einigem Zögern öffnete er die Tür.

 

Sofort umgab ihn warme Luft. Sven legte die Jacke ab und sah sich um. Gegenüber der Eingangstür war der Kamin. Das Feuer in ihm knackte und flackerte und verlieh dem Raum so eine wohlige Atmosphäre. Der Tisch daneben war schmal, auf ihm stand eine Vase mit etwas, das mit viel Fantasie eine Blume sein könnte. Links vom Tisch stand ein Sessel. Die Couch gegenüber dem Sessel nahm den meisten Platz ein. Sie war grau und ein wenig verstaubt, wie alles in diesem Raum. Alles, außer dem Mann, der auf der linken Seite dieser Couch saß. Sein schwarzer Hoodie war zerknittert und auch die Hose hatte schon lange kein Bügeleisen mehr gesehen. Er starrte Sven an und bedeutete ihm sich auf den Sessel zu setzen.

 

Der Staub wirbelte auf und er musste sich zusammenreißen, um nicht zu husten. Sein Gegenüber hatte dunkle Augenringe und verstrubbelte, schwarze Haare. Für einige Sekunden sahen sie sich schweigend an. Er wirkte selbstsicher und grinste Sven an, als er zu reden anfing.

 

„Ich habe nicht erwartet das Sie kommen.“

 

„Ich wollte nicht kommen.“, erwiderte Sven. „Aber meine Neugier hat gesiegt. Sie haben gesagt, dass sie reden wollen. Also reden Sie.“

 

Und das tat er. Er beantwortete alle Fragen, die Sven hatte und alles lief super. Eine falsche Frage ließ alles zusammenbrechen. Eine falsche Frage. Danach ging alles viel zu schnell. Der Sessel kippte um, als Sven abrupt auf die Beine sprang. Er stand vor ihm und plötzlich

 

Das Blut, das die Wände bespritzt hatte, das Blut, das überall auf dem Boden war, das Blut, das auf ihm war. Seine Knie gaben nach und er sank zu Boden. Das Skalpell war aus dem Nichts gekommen, jetzt lag es blutverschmiert neben ihm. Er dachte an den Morgen zurück, an dem alles begann. Das Handy hatte alles ins Rollen gebracht.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

2.

 

6.Mai, 8.30 Uhr

 

Sven hatte sich gerade den ersten Kaffee des Tages gemacht, als er den Briefkasten klappern hörte. Mit einem lauten Stöhnen stand er auf und ging zur Haustür.

 

Der Brief in seiner Hand war schwer und dick. Man konnte deutlich einen Gegenstand im Inneren erkennen. Neugierig und ein wenig verwundert begann Sven ihn zu öffnen. Er holte ein Stück Papier und ein Smartphone aus dem Umschlag. Zuerst betrachtete er das fast leere Blatt Papier. Drei Sätze waren darauf geschrieben.

 

„Ich hoffe, es gefällt dir.“

 

„Ich habe es selbst gemacht.“

 

„Ich weiß, wer du bist.“

 

Sie hatten alle eine Zeile Abstand und waren
fett geschrieben. Er sah nichts Außergewöhnliches auf dem Papier, also betrachtete er nun das Smartphone. Er betätigte den Startknopf und der Startbildschirm erschien. Die einzige Datei war ein Video. Er durchsuchte es noch länger, fand aber nichts als dieses Video. Also klickte er darauf.

 

Der Anfang des Videos war schwarz. Eine verstellte Stimme erklang.

 

„Sven Drahl, 46 Jahre alt.“ Der Besitzer des Smartphones setzte sich in Bewegung. Auf den Bildschirm erschien ein Lichtstrahl. „Ich weiß, wer du bist, wo du wohnst und was du magst.“ Der Lichtstrahl wurde heller und die Person ging in einen Raum. Sven stockte der Atem. Überall hingen Bilder von ihm in der Stadt, in seinem Haus, bei der Arbeit und mehr. Alle Wände waren voll von Fotos und Zeitungsauschnitten. Die verzerrte Stimme lachte. „Ich bin da, wo du auch bist. Du wirst mich nicht mehr los bis alles vorbei ist.“ Das Video endete und ließ Sven mit seinen Fragen allein. Er schluckte und fuhr sich mit einer zitternden Hand durch die Haare. Nachdem er tief durchgeatmet hatte stand er auf und machte sich für die Arbeit fertig. Das Handy ließ er neben dem Kaffee auf dem Küchentisch liegen.

 

 

 

10.10 Uhr

 

Sven Drahl war zu spät. Sein Auto hatte heute Morgen den Geist aufgegeben und ihn damit gezwungen mit der Bahn zu fahren. Während er es sich auf seinem Sitz bequem machte, sah er sich um. In der Bahn waren heute nicht viele Menschen und die, die hier waren, glichen ihm. Er hatte einen sportlichen Körper, zumindest für einen 46-jährigen Mann. Das dichte dunkelbraune Haar und seine braunen Augen sorgten dafür, dass er sich gut unter die Menge mischen konnte, ohne aufzufallen. So konnte er über den Vorfall vor zwei Stunden nachdenken. Wer würde ihm so etwas schicken? Nachdem der Schock nachließ, hatte er sich den Briefumschlag nochmal angeschaut. Es war kein Absender zu erkennen. Der Brief war ihm persönlich in den Briefkasten gelegt worden. Allein der Gedanke, dass diese Person an seinem Haus war, ließ ihn erschaudern. Er sah sich in der Bahn um, konnte aber trotz seiner Ausbildung beim BKA nichts Außergewöhnliches erkennen.

 

Mit 21 hat er als Ermittler beim BKA angefangen. 5 Jahre später gehörte er einem Team an, das sich ausschließlich mit Serienmördern beschäftigte. Alte und neue Fälle werden dort rund um die Uhr bearbeitet. Mittlerweile ist er der Leiter eben dieses Teams.

 

Als Sven an der richtigen Haltestelle ausstieg spürte er wie ihn die Kälte umspülte. Es war Mitte Januar und bitterkalt. Die Medien berichteten vom Kältesten Winter seit Jahren. Die Luft im beheizten Gebäudekomplex des BKA war deutlich angenehmer und half ihm dabei seine Finger zu enteisen.

 

Als er in seinem Büro ankam, klingelte sogleich das Telefon. „Hofmann wird heute entlassen.“ Waren die ersten Worte, die er von Irina Krall, der Leiterin des BKA, zu hören bekam. „Er kommt um 14.00 Uhr raus. Ich will, dass ihr ihn nicht mehr aus den Augen lasst. Ihr werdet ihn verfolgen, bis er euch zu den Beweisen führt, die fehlen, um ihn ohne Zweifel zum Mörder machen. Verstanden? Ich will, dass er den Rest seines Lebens in diesem Gefängnis verrottet für das, was er getan hat. Ich erwarte von dir jeden Morgen einen Bericht über alles was ihr tut, tun werdet und bereits getan habt. Uns darf jetzt nichts mehr entgehen.“ Sie legte auf, ohne auf eine Antwort zu warten.

 

Andreas Hofmann war der Chirurg. Zumindest vermuteten sie das. Der Chirurg hat seinen Opfern die Kehle durchgeschnitten und ihnen anschließend ein wichtiges Organ entnommen. Den 6 Opfern fehlten der Reihe nach Gehirn, Herz, Lunge, Leber und die zwei Nieren. Sie wurden bis heute nicht gefunden. Alle Opfer waren junge Männer zwischen 20 und 30, die vorher noch nie aufgefallen sind. Sie wurden alle am Straßenrand abgelegt, als hätte der Mörder darum gebettelt, dass man sie findet. Der Chirurg hat vor 20 Jahren angefangen zu morden. 5 Jahre später hörte die Mordserie passend zur Verhaftung Hofmanns wieder auf. Ihm konnte nur dieser eine Mord nachgewiesen werden.   

 

Sven schaute sich in seinem Büro um und beobachtete sein Team.

 

Ganz rechts saß Frank Sahl, 57 Jahre alt. Frank hatte 33 Jahre Berufserfahrung, die er gut einzusetzen weiß. Er ist immer ruhig und bewahrt einen kühlen Kopf. Sebastian Stiehl war das genaue Gegenteil. Mit seinen 25 Jahren war er der Jüngste und immer voller Tatendrang. Er wusste alles von früheren Morden und deren Aufklärung. Mit seinem fotographischen Gedächtnis war er eine große Hilfe, indem er immer passende Fälle findet und daraus neue Ermittlungsansätze zieht.

 

Sarah Lindemann war die einzige Frau im Team. Sie ist 38 und zuständig für die Organisation im Team. Sie hält das Team zusammen, wenn Sven es nicht kann.

 

Sven ist der Letzte im Bunde. Mit seiner hohen Intelligenz und großen Auffassungsgabe ist er unglaublich gut darin, Sachen zu kombinieren. Zusammen bilden sie ein Team, das unschlagbar ist. Sie haben zusammen schon viele Fälle gelöst, die andere zum Verzweifeln gebracht haben. Auch diesen Fall werden sie lösen. Die Opfer verdienen Gerechtigkeit.

 

Sven überlegte kurz und verteilte dann Aufgaben an die Mitglieder des Teams. „Wir haben Arbeit. Andreas Hofmann kommt um 14 Uhr aus dem Gefängnis. Wir sollen ihn beobachten und nachweisen, dass er der Chirurg ist. Sarah, kannst du uns einen Plan zusammenstellen, wie wir am besten vorgehen? Sebastian, guck dir bitte die Morde des Chirurgen nochmal genau an. Besonders die Vorgehensweise und die Orte, an denen die Opfer gefunden wurden. Frank, kannst du dir das Profil von Hofmann anschauen? Ich will alles, was du über ihn finden kannst, ok? Ich schau mir nochmal an, was das Team von damals herausgefunden hat. Vielleicht finden wir ja was, was sie übersehen haben. Ach ja. Guten Morgen allerseits.“

 

Als er seinen PC hochfuhr bekam er ungläubige Blicke. „Hofmann ist frei?“, kam es zuerst von Sebastian. „Ist das schon 15 Jahre her, dass er gefasst wurde?“ „Mir kommt es auch nicht so vor.“, fing Sven an. „Aber wir haben jetzt nicht wirklich Zeit das zu diskutieren. In 3 ½ Stunden wird er entlassen. Bis dahin brauchen wir die Infos und einen Schlachtplan. Also los.“ Das Geräusch der klickenden Tastaturen erfüllte den Raum, als Frank zu ihm kam und sich auf den Stuhl neben ihm setzte.

 

„Hofmann ist also wieder frei“, er sah sich im Büro um. „Wie fühlst du dich damit? Du hast ihn immerhin ins Gefängnis gebracht.“ Sven schnaubte. „Klar. Nachdem ich mein Team hintergangen und die ganze Ermittlung versaut habe. Wäre ich nicht gewesen säße er jetzt noch hinter Gittern.“ Frank war damals auch schon mit im Team gewesen, als die Mordserie des Chirurgen stattfand. „Das ist nun wirklich nicht deine Schuld.“, versuchte er Sven zu besänftigen. „Du hast einen Hinweis bekommen und wolltest ihm so schnell wie möglich nachgehen. Das du damit die Ermittlungen behinderst oder gar abbrichst, hätte niemand ahnen können.“

 

Das stimmte teilweise. Sven hatte damals nachts Telefondienst. Ein Mitglied des Teams sollte zu jeder Tag- und Nachtzeit im Büro sein, um möglichen Hinweisen, die per Telefon eingehen, nachzugehen. In dieser Nacht ist auch ein Anruf eingegangen. Jemand hat Hofmann gesehen, wie er eine andere Person zu seinem Haus gezerrt hat. Sven hat gewusst, dass es zu viel Zeit kosten würde das Team zu einer Besprechung zusammenzutreiben. Also ist er allein zum Haus gefahren, um Hofmann zu erwischen und dem Opfer das Leben zu retten. Als er beim Haus ankam, sah er Licht im Keller. Durch die offene Haustür ging er in den Keller. Er sah Hofmann und den Jungen, Mark Schmidt, den er an den Stuhl gefesselt hatte. Doch aus seinem Plan wurde nichts. Als Hofmann ihn in den Raum stürmen sah, schnitt er ihm mit einem höhnischen Grinsen im Gesicht die Kehle durch, bevor er das Skalpell fallen ließ und die Hände in die Luft hielt. Nachdem Sven, immer noch unter Schock, Hofmann Handschellen anlegte, versuchte er dem Jungen zu helfen, aber es brachte nichts mehr. Er war tot. Deshalb war in den Medien von 7 Opfern die Rede. Alle waren der Meinung, Hofmann sei der Chirurg.

 

„Ich hätte vorsichtiger sein müssen. Hätte ich mich angeschlichen, statt in den Raum zu preschen wäre der Mord vielleicht nie passiert.“ Er rieb sich mit einer Hand verzweifelt das Gesicht. „Können wir das vielleicht ein anderes Mal besprechen? Wir alle haben jetzt besseres zu tun, als über die Fehler von damals zu sprechen. Vielleicht können wir sie ja noch gut machen.“ Mit diesen Worten drehte er sich zurück zu seinem Bildschirm. Er hörte nur wie Frank seufzend den Stuhl zurückschob und zu seinem Platz ging.

 

 

 

13.50 Uhr

 

Sebastian und Sven saßen in einem schwarzen VW Passat vor der JVA, aus der Hofmann in 10 Minuten entlassen werden soll. Sarah hatte vorgeschlagen, dass sie fahren. Sebastian konnte sich mit seinem fotographischen Gedächtnis das Gesicht und Kennzeichen des Menschen merken von dem Hofmann abgeholt wurde. Sie würde ihn beobachten und darauf achten, nicht gesehen zu werden. Danach würden sie die Observation in verschiedenen Schichten weiterführen. Frank und Sarah würden in 4 Stunden übernehmen.

 

Plötzlich öffneten sich die Tore. Ein Mann um die 50 trat heraus und schaute sich um. „Das ist Andreas Hofmann.“, sagte Sebastian neben ihm. Er ist mittlerweile 52 Jahre alt. Er war 32 als die Mordserie des Chirurgen anfing. Frank hat gesagt, dass es nichts Auffälliges in seinem Lebenslauf gab. Er hat mit 18 sein Abitur gemacht und danach angefangen Medizin zu studieren. Nach 1 ½ Jahren brach er es ab und absolvierte stattdessen eine Ausbildung zum Elektriker. Mit 37 kam er ins Gefängnis für den Mord an Mark Schmidt, 25 Jahre alt. Er lebt allein. Keine Familie, keine Freunde.“

 

Hofmann ging in Richtung Straße. Sven überlegte. „Von hier aus sind es ca. 20 Km bis zu seiner Wohnung im Südviertel der Stadt. Er hat keine Familie und keine Freunde, wie kommt er also dorthin?“ In dem Moment kam ein großer Pick Up um die Ecke gebogen. Sie konnten den Fahrer nicht erkennen. Hofmann hob zur Begrüßung die Hand und stieg auf der Beifahrerseite ein. „Hast du ihn erkannt?“, fragte Sven seinen Nebenmann. „Ne, ich kann nichts sehen. Die Fenster sind verdunkelt oder so. Aber ich hab` das Kennzeichen. Ich schick´ es gleich mal ans Büro, damit die beiden überprüfen können, wer der Fahrer ist.“  Er klappte seinen Laptop auf und tippte sogleich auf der Tastatur, um Sarah und Frank das Kennzeichen zu schicken. Hoffentlich würden sie den Fahrer finden und die Beziehung zu Hofmann prüfen.

 

Sven startete den Motor und fuhr dem Pick Up mit ausreichendem Abstand hinterher. Während er fuhr, ging er im Kopf die Sachen durch, die sie noch erledigen mussten. An Erster Stelle steht die Observation von Andreas Hofmann, gefolgt von der Ergreifung eben dieses Mannes. Außerdem müssen sie die fehlenden Organe finden. Dann war da noch die Sache mit dem Handy. Wer hatte es geschickt, was war der Sinn und hatte es etwas mit der Entlassung von Frank Hofmann zu tun? Musste er also den anderen etwas erzählen?

 

Während er seine Gedanken ordnete, folgte er dem Auto mit Andreas Hofmann. „Sie fahren in Richtung Südviertel. Wahrscheinlich möchte er noch in seine Wohnung.“, merkte Sebastian an. Sie bogen noch zweimal ab und standen dann vor einem Hochhaus. Andreas Hofmann stieg aus, verabschiedete sich vom Fahrer und ging hinein. Sie hatten herausgefunden, dass der Fahrer Gregor Lehn hieß. Er war 28 Jahre alt und für 3 Jahre der Zellengenosse von Hofmann, bevor er vor zwei Monaten entlassen wurde.

 

In den nächsten 4 Tagen verließ Hofmann seine Wohnung nur einmal zum Einkaufen.

 

 

 

 

 

 

 

10.Mai, 13.00 Uhr

 

Sven und Frank saßen im Büro, während Sebastian und Sarah die Observation weiterführten. Seit sie hier waren ließ Frank ihn nicht mehr aus den Augen. Nachdem er 10 Minuten lang vergeblich versucht hat, die Blicke zu ignorieren, reichte es ihm.

 

„Bin ich so interessant, dass du mich beobachten muss?“

 

Er hätte es wahrscheinlich etwas höflicher formulieren können, aber er war nervlich am Ende. Die Sache mit dem Video ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Wie lange wurde er beobachtet, und wer beobachtet ihn? Er wusste, dass sein Team bemerkte, dass etwas anders war. Sie wurden ausgebildet, um ungewöhnliches Verhalten zu bemerken.

 

Frank räusperte sich. „Du bist nervöser als sonst. Ist es wegen Hofmann? Du kannst nichts für das, was damals passiert ist. Wir werden ihn für das kriegen, was er getan hat.“

 

Er versuchte Sven zu beruhigen. Das tat er immer, wenn er dachte das jemand unruhig wurde. Nur brachte das nichts. Sven konnte ihm nicht erzählen was passiert war. Er wusste selbst nicht was er machen sollte. Neben der Ermittlung blieben nur wenige Stunden Zeit, damit er sich mit der ganzen Sache auseinandersetzen konnte. Zu wenig, um sich genauer mit dem Thema zu befassen. Also blieb ihm nur eine Ausrede, die er Frank erzählen konnte.

 

„Alles gut. Ich bin in letzter Zeit nur ziemlich müde. Neben der Ermittlung bleibt nicht viel Zeit für Schlaf.“

 

Frank schien zwar nicht überzeugt zu sein, beließ es aber dabei. Sven fing gerade an ein schlechtes Gewissen zu entwickeln, als das Telefon klingelte.

 

„Sven Drahl am Apparat. Mit wem spreche ich?“

 

„Das ist unwichtig.“, begann eine verzerrte Stimme. Die gleiche verzerrte Stimme wie die auf dem Video. „Ich möchte mit Ihnen reden. Heute Nacht, 22 Uhr in der Hütte von Andreas Hofmann. Ich bin mir sicher, den Namen haben Sie schon gehört. Für Sie gibt es kein Entkommen mehr.“ Damit legte er auf.

 

Sven saß mit pochendem Herzen auf seinem Stuhl. Der Unbekannte, wusste wer Hofmann ist. Er wusste, wo seine Hütte war und hatte die Schlüssel dafür. Damit war es nun ein Bestandteil der Ermittlungen und es sollte, müsste es den anderen sagen. In dem Moment hörte er seinen Namen. „Sven? Wer war das? Ist alles in Ordnung?“ Frank sah ihn besorgt an. „Du bist auf einmal blass geworden.“ Das war der perfekte Moment, um Frank alles zu erzählen. Eine bessere Chance würde er wahrscheinlich nicht bekommen. Er müsste nur die Wahrheit sagen, nichts anderes.

 

„Das war die Chefin, sie wollte ein Update.“ Er fing an zu zittern. „Mir ist nur übel. Zu wenig Schlaf wahrscheinlich.“ Das stimmte sogar. Hätte er heute Frühstück gehabt, hätte er es wahrscheinlich in dem Moment von sich gegeben. „Ich geh` nur kurz zur Toilette.“ Er stand auf und ging mit zitternden Knien in Richtung Herrentoilette.

 

Das kalte Wasser, das er sich ins Gesicht spritzte, brachte ihn wieder in die Realität zurück. Er hatte in seinem Büro angerufen und ihn zu einem Gespräch eingeladen, ihn praktisch dazu gezwungen. Sollte er also hingehen? Hatte er denn eine andere Wahl? Immerhin wusste dieser Kerl wo er wohnt und hatte die Nummer seines Büros. Gab es überhaupt eine Möglichkeit nicht zu gehen? Viel wichtiger war die Frage, ob er Frank etwas sagen sollte. Es war immer besser Unterstützung zu haben. Sven stöhnte.

 

Die Gedanken kreisten in seinem Kopf und er wusste nicht wie er sie stoppen konnte. Nachdem er sein Gesicht getrocknet hatte, ging er zurück ins Büro. Frank schaute ihn besorgt an.

 

 „Ist alles in Ordnung? Du kannst nach Hause gehen. Sarah und Sebastian haben noch 3 Stunden bis wir sie wieder ablösen müssen und ich komm hier auch allein klar.“ Sven schüttelte den Kopf. Er konnte jetzt nicht gehen. Diese Ermittlungen sind zu wichtig dafür und zuhause würde er sich nur verrückt machen.

 

„Alles gut. Ich komm schon klar und wir haben noch genug Arbeit vor uns.“ Damit wendete er sich wieder seinem Computer zu. Der restliche Tag verlief ohne Zwischenfälle. Frank beobachtete ihn besorgt und schlug weiterhin vor, er solle doch nach Hause gehen. Hofmann ging noch einmal einkaufen und verschwand dann wieder in seiner Wohnung. Was er dort machte, wusste keiner von ihnen. Um 21 Uhr ging er nach Hause. Sarah und Sebastian übernahmen die Nachtschicht, damit die beiden „Alten Männer“ (Ihre Worte) sich mal ausschlafen konnten.

 

Als Sven seine Haustür aufschloss dachte er sofort an den Anruf. Sollte er tatsächlich mit dem Unbekannten reden? Nach einiger Zeit, die er in seinen Gedanken verbrachte, entschied er sich dafür.

 

10.Mai, 22.00 Uhr

 

Deshalb befand er sich jetzt in dieser Situation. Auf dem Boden der Holzhütte, inmitten all dem Blut. Das Gespräch mit dem Unbekannten lief gut. Als er ihn sah, klickte es bei ihm. Der Mann vor ihm war Gregor Lehn, der ehemalige Zellengenosse von Hofmann. Er sagte er hat Sven beschattet, um Hofmann darüber zu berichten was die Polizei macht. Er hatte vermutet das Sven und sein Team den Fall übernehmen würden.

 

Der Sinn dahinter war lediglich die Unschuld von Andreas Hofmann zu beweisen. Lehn erzählte, dass Hofmann seit seiner Verhaftung an einer schweren Depression litt. Also hatte er die Initiative ergriffen und entschieden Sven dazu zu bringen die Ermittlungen einzustellen, indem er ihn verunsicherte. Als er aber merkte das sie Hofmann nur beobachteten, beschloss er Sven zur Rede zu stellen.   

 

Leider hat er zu viele Fragen gestellt, also musste Sven handeln. Das Skalpell hatte er scheinbar aus dem Nichts gezogen. Mit einer schnellen Bewegung war die Halsschlagader von Gregor Lehn durchtrennt. Das Blut spritzte überall hin. An die Wände, auf den Boden und auf ihn. Der Adrenalinschub ließ nach, sodass er zu Boden sank. Neben ihm auf dem Boden lag die Leiche von Gregor Lehn, bereit für eine Organentnahme.

 

Sven grinste. Der Chirurg hatte ein neues Opfer.

 

2 thoughts on “Kein Entkommen

  1. Hallo Christin,

    Danke für deine Geschichte.

    Du hast so viele Ideen und Infos darin verarbeitet, was entweder darauf hindeutet, dass du viel liest oder viel dafür recherchiert hast. Egal, was zutrifft, das finde ich super.
    Du musst nur aufpassen, dass das ganze für eine Kurzgeschichte nicht zu langatmig und vielschichtig wird. Du könntest meines Erachtens einiges einkürzen oder weglassen, damit man den Verlauf besser verfolgen kann.

    Mir ist es auch nicht immer leicht gefallen, zu verstehen, wann Sven gerade etwas sagt – vielleicht kannst du das noch etwas deutlicher machen.

    Mit dem Ende habe ich nicht gerechnet, sehr gut!

    Den Titel finde ich auch sehr passend.

    Viel Erfolg weiterhin für dich,

    Jenny /madame_papilio

    Ich würde mich freuen, wenn du auch meine Geschichte lesen würdest: https://wirschreibenzuhause.de/geschichten/nur-ein-kleiner-schluessel

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